Fahrrad-Weltreise Teil 1: Von Deutschland in die Türkei

Von Urlaubaer

Mit dem Urlaubär per Fahrrad von Flensburg nach Istanbul

Als die Turmuhr der nahegelegenen Kirche 12:00 Uhr schlägt, steigen Chris und ich aufs Fahrrad und fangen langsam an in die Pedalen zu treten. Wir winken ein letztes Mal Familie und Freunden zu und verlassen die Hafenspitze in Flensburg.

Es ist der 30. Juni 2019. Heute verlassen wir unsere norddeutsche Heimat, um mit dem Fahrrad die Welt zu bereisen. Wohin genau und wie lange die Reise gehen wird wissen wir nicht. Die grobe Richtung ist Osten, aber wir werden uns einfach treiben lassen. Wir sind nervös aber freuen uns auch auf die Abenteuer, die die Welt für uns bereithält.

Nachdem wir vier Tage durch das östliche Schleswig-Holstein geradelt sind, erreichen wir die Hansestadt Hamburg, wo wir unseren ersten Ruhetag einlegen. Den Nachmittag verbringen wir in der HafenCity und der Speicherstadt, wobei wir auch die kostenlose Aussichtsplattform der Elbphilharmonie besuchen. Von hier hat man einen großartigen Ausblick über den „Das Tor zur Welt" genannten Hamburger Hafen. Wusstet ihr, dass es in Hamburg 2.500 Brücken gibt? Das sind mehr Brücken als Venedig und Amsterdam zusammen haben!

Wir radeln entlang des Elberadwegs bis nach Berlin. Dort sind wir bei einer Freundin eingeladen. Der Radweg befindet sich größtenteils hinterm Deich, wodurch die Sicht auf die Elbe leider versperrt ist. Jedoch sehen wir auf den Wiesen unzählige Störche. Elegant waten sie über die weiten, grünen Flächen und picken nach Fischen, Fröschen und Insekten.

Abseits des Elberadwegs campen wir das erste Mal wild in einem kleinen Waldstück. Es ist für uns noch ungewohnt die Geräusche der Nacht so intensiv und ungefiltert wahrzunehmen. Es ist schwierig diese einem Verursacher zuzuordnen. Wir hören verschiedene Kreaturen ums Zelt herumschleichen. Mal klingt es als würde sich ein Reh die Hörner am Baum abstoßen, ein anderes Mal ist es ein Grunzen - vermutlich von einem Wildschwein. Angst habe ich natürlich keine, schließlich bin ich ein großer, starker Urlaubär. 😉

Tschechien

Über Berlin und Dresden erreichen wir nach zwei Wochen die tschechische Grenze. Je mehr wir uns der Grenze nähern, umso weniger Menschen begegnen uns. Irgendwann fragen wir uns, ob wir noch in Deutschland sind oder vielleicht schon in Tschechien.

Wir fragen zwei Damen, die uns mit dem Fahrrad entgegenkommen.
„Das ist immer noch Deutschland, aber Tschechien kommt gleich", lassen sie uns wissen. Kurze Zeit darauf stehen wir am Grenzübergang. Jetzt heißt es: „Tschüss Deutschland, Hello World!"

Wir haben bereits weit über 1.000 Kilometer hinter uns gebracht, als wir in Prag ankommen. So weit bin ich bisher noch nie auf einem Drahtesel gefahren. Lediglich auf Chris' und meiner Deutschland-Radreise ( Expedition1000GER) sind wir schon einmal eine ähnliche Distanz geradelt.

Als wir Prag nach ein paar Tagen verlassen, müssen wir uns erstmalig durch bergiges Terrain arbeiten. Bergauf mit Gepäck ist eine Herausforderung. Die Berge runterdüsen macht aber unheimlich Spaß. 😊

Österreich und Slowakei

Nach ein paar anstrengenden Tagen erreichen wir Wien. In der laut einer Studie lebenswertesten Stadt der Welt verbringen wir ein paar erholsame Tage bei Freunden und Überdenken dabei unser Gepäck.

Mit etwas leichterem Gepäck folgen wir der Donau auf der EuroVelo-Route 6 in Richtung Schwarzes Meer. Innerhalb eines Tages erreichen wir Bratislava und nach ein paar weiteren sonnig-heißen Tagen rollen wir in die Budapester Altstadt.

Ungarn

Die Sonne ist bereits untergegangen als wir in Budapest auf der anderen Flussseite das hell erleuchtete Parlamentsgebäude entdecken. Es hat einen richtigen Wow-Effekt auf uns. Der Deutsche Bundestag wirkt dagegen ehrlich gesagt etwas langweilig.

Am Balaton-See vorbei führt uns unser Weg in den nordöstlichen Teil Kroatiens. Hier fühlen wir uns landschaftlich sehr an Norddeutschland erinnert.

Kroatien

Wir radeln auf wenig befahrenen Landstraßen und passieren endlose Maisfelder. Rechts und Links der Straßen nimmt das Leben in den Dörfern seinen ruhigen Lauf.

Wir fahren ein ganzes Stück in einen Feldweg hinein und campen dort wild. Es ist eine warme Sommernacht. Daher stellen wir nur das innere Moskitonetzzelt auf und beobachten den Sternenhimmel.

In einiger Entfernung hören wir Schüsse, aber denken uns nichts weiter dabei. Plötzlich scheint ein Lichtkegel in unsere Richtung. Ein Fahrzeug rumpelt den Feldweg entlang in unsere Richtung und hält nur wenige Meter von uns entfernt an!
„Ob das wohl derjenige mit der Flinte ist?" geht mir durch den Kopf.
Es trennen uns nur ein paar Büsche voneinander. Wir verhalten uns mucksmäuschenstill und hoffen, dass der Flintenmann uns nicht entdeckt. Die Zeit scheint still zu stehen. Nach einigen Minuten poltert der Wagen aber weiter den Feldweg entlang. Puh! Glück gehabt!
Ich habe keine Ahnung wie ich reagieren sollte, wenn plötzlich jemand mit einer Flinte vor dem Zelt stehen würde ...

Serbien

Zwei Tage später rollen wir schon durch Serbien.
Unterwegs sagte man uns immer wieder, dass wir dort besonders auf uns aufpassen sollen, da es in Serbien besonders gefährlich sei.

Als wir mit dem Fahrrad auf einem Deich in Richtung Novi Sad fahren, winkt uns ein älterer Herr zu. Wir wollen nicht unfreundlich sein und halten an, um kurz „Hallo" zu sagen.
Der Mann heißt Milan und lädt uns in den Garten seines Ferienhäuschens ein, wo er mit ein paar Freunden den Nachmittag verbringt. Es ist eine lustige Runde von alten Männern. Sie teilen ihr Essen mit uns, machen viele Witze und erzählen uns ein paar Kriegsgeschichten.
Sie sind traurig, dass Serbien in der Welt ein schlechtes Image hat.
„Wir sind keine Wilden mit Messern zwischen den Zähnen", sagen sie.
Als wir uns verabschieden geben sie uns noch eine Tüte voll Obst mit. Ich glaube nicht, dass gefährliche Wilde sowas machen würden.

Auf der weiteren Fahrt quer durch Serbien kommen wir durch Novi Sad, Belgrad und Nis. Zu keiner Zeit treffen wir auf Wilde mit Messern zwischen den Zähnen oder haben wir den Eindruck in Gefahr zu sein. Vielerorts werden wir zum Essen oder Kaffeetrinken eingeladen. Wir finden keinen Grund hier mehr auf uns aufzupassen als sonst.

An einer Weggabelung haben wir die Wahl geradeaus weiter zu fahren oder links abzubiegen. Unsere Navi-App sagt, dass der Schotterweg links zehn Kilometer kürzer ist. Geradeaus ist hingegen asphaltiert. „Hey, warum nicht links abbiegen", denken wir uns. Am Straßenrand verbrennen die Dorfbewohner Abfall und schwarze Rauchschwaden wehen über die Felder.

Der Schotterweg führt uns durch einen Wald in die Berge. Es ist unglaublich still hier. Es ist fast schon gruselig. Nach einiger Zeit wandelt sich der Schotterweg in einen steinigen Weg, wodurch wir zeitweise gezwungen sind das Fahrrad schieben. Es dauert nicht lange bis es unmöglich ist überhaupt noch zu radeln. Mittlerweile besteht die Wegoberfläche aus kegelkugelgroßen Felsbrocken. Das Fahrrad bergauf durch den Wald zu schieben ist extrem frustrierend. Auch die nächste Abzweigung zeigt keine Besserung. Also schieben wir weiter. Es ist schon dunkel als wir die nächste Abzweigung erreichen. Mittlerweile befinden wir uns auf einer Höhe von 1.100 Metern. Wir biegen links ab und rumpeln ganz langsam den Berg hinunter.

Etwas Weißes auf dem Weg reflektiert das Mond- und Fahrradlicht. „YEEEAAAHHH...WOHOOO!", schreien wir vor Freude als wir realisieren, dass es sich um den Mittelstreifen einer geteerten Straße handelt. Von hier an brettern wir den Berg hinunter. Irgendwann sehen wir in einem Dorf eine kleine Kirche ohne Fenster und Türen. Wir gehen hinein, breiten Isomatte und Schlafsack auf dem Fußboden aus und schlafen sofort ein.

Kosovo

In Pristina im Kosovo sind wir überrascht über die Fülle deutscher Waren in den Supermärkten. Außerdem treffen wir auf einige Kosovaren, die perfektes Deutsch sprechen. Man erzählt uns, dass viele von ihnen Ende der 1990er Jahre, während des Kosovokriegs, nach Deutschland geflüchtet und nach Kriegsende wieder zurückgekehrt sind.

Im ersten Moment wirkt das etwas ungewöhnlich auf uns. Mit so was haben wir so weit entfernt von zu Hause nicht gerechnet.
Am skurrilsten ist aber definitiv die deutschsprachige Rap Musik, die aus den Lautsprechern im Supermarkt nahe unseres Hostels dröhnt.

Nordmazedonien

Die Strecke von Pristina nach Skopje, der Hauptstadt von Nordmazedonien, ist flach und somit eine einfache Tagesradtour für uns.
Wir sehen die Geburtsstadt von Mutter Teresa schon von weitem, da das Millenniumskreuz auf dem Berg Vodno in der anbrechenden Abenddämmerung hell erleuchtet ist. Es symbolisiert 2.000 Jahre Christentum in Nordmazedonien.

Die Altstadt von Skopje ist etwas bizarr, da überall Statuen stehen. Die größten und auffälligsten Statuen sie die von Alexander des Großen und seinem Vater Philip von Makedonien. Man mag denken, dass es sich hierbei um einen außerordentlich historischen Ort handelt. Dem ist aber nicht so. Die Regierung hat 2010 ein Projekt initiiert, um der Stadt einen klassischeren Look zu verpassen. Die meisten Statuen sind demnach keine zehn Jahre alt. Wie viele es sind, weiß niemand so genau.

Griechenland

Die Sonne glüht, der Asphalt ist aufgeheizt und uns weht eine warme Brise entgegen als wir durch den Norden Griechenlands radeln. Wir fühlen uns wie in einem Backofen bei Umluft.

Nach ein paar Tagen in Thessaloniki schlagen wir den Kurs nach Osten ein. Unser Ziel ist Istanbul. Obwohl die Strecke hügelig ist, macht es Spaß entlang der Ägäis-Küste zu fahren. Die Sonne spiegelt sich auf der türkisfarbenen Wasseroberfläche und die Sonnenuntergänge sind wunderschön. Hier treffen wir Becky aus England, die mit dem Rad nach Südkorea unterwegs ist. Gemeinsam fahren wir für zwei Tage, bis sich unsere Wege hinter der türkischen Grenze wieder trennen.

Türkei

Wir wurschteln uns durch das Verkehrschaos in Istanbul und erreichen den Bosporus.

Nach fast 4.000 Kilometern und etwas mehr als zwei Monaten haben wir es ans geographische östliche Ende Europas geschafft. Wir können es kaum glauben. Es ist ein wunderbares Gefühl mit dem Fahrrad so weit gekommen zu sein!

Wir blicken rüber auf die andere Uferseite des Bosporus und fragen uns, was uns in Asien wohl erwartet.

Weiterführende Links Fahrrad-Weltreise Teil 1

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