Bücher zu verbrennen ist eine Sünde. Digitale Daten hingegen lassen sich mit nur einem Klick löschen - sowohl absichtlich als auch versehentlich, durch einen selbst oder durch andere. Datensicherungen gehören daher zum Grundbetrieb eines Computers, doch viele Nutzer sind sich keiner Handlungsnot bewusst.
Steintafeln. So stelle ich mir ein beständiges Medium vor; man meisselt die kostbaren Daten hinein und kann sie noch in zehntausend Jahren wieder lesen - immer vorausgesetzt natürlich, man kann sich so lange ans Leben klammern. Deutlich zweckmässiger (und auch platzsparender) sind da Bücher. Manch einer führt heute noch Tagebuch, indem er Tinte auf Papier aufträgt. Schliesslich will alles Wichtige im Leben zur späteren Sentimentalität irgendwo festgehalten werden. Bücher halten zumeist problemlos ein (Menschen-)Leben lang und sind bei nicht allzu krakeliger Schrift auch im hohen Alter noch lesbar. Nur leider haben sie einen wesentlichen Nachteil: Es sind analoge Daten.
Auch wenn zumindest professionelle Bücher mit einem Inhaltsverzeichnis glänzen, so sind analoge Texte doch wesentlich schwerer zu durchsuchen und archivieren als digitale. Ausserdem lassen sich digitale Texte ohne Mühe kopieren, quasi unknackbar verschlüsseln und ohne Zeitverlust in die ganze Welt übertragen, ja gar mit der ganzen Welt teilen. Halleluja, das Internet ist geboren! Was haben Bücher da überhaupt noch verloren?
Vor einiger Zeit fand ich ein tolles YouTube-Video und da YouTube gigantisch gross ist und zu Google gehört, hatte ich keine Bendenken dabei, den Link zu diesem Video zu speichern. Früher hätte ich es wohl heruntergeladen, nur um es zu "besitzen", aber im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass jede noch so alte Datei im Internet immer wieder auftaucht. Wozu also lokalen Speicherplatz verschwenden für etwas, dass man sowieso nicht so dringend braucht? Tatsächlich hatte ich mir das Video nur 1-2 Mal nochmal angesehen. Vor kurzem aber war der Link plötzlich tot; das Video gelöscht aufgrund irgendwelcher Lizenzstreitigkeiten. Ein Einzelfall? Eher nicht, denn zahlreiche Links, die ich vor Jahren gespeichert hatte, gingen im Laufe der Zeit verloren. Entweder wurden die Webseiten eingestellt (man denke an bekannte Film-Streaming-Anbieter) oder gleich der Betreiber (bzw. Server) existiert nicht mehr. Manche Inhalte wurden auch gehackt oder sind schlichtweg dem Wandel der Zeit unterlegen; funktionieren z.B. nur noch auf Internet Explorer 6 so, wie es der Autor im Sinn hatte. Im Gegensatz zu gedruckten oder mit Tinte aufgetragenen Daten scheinen digitale Inhalte also doch recht flüchtig zu sein - sofern man seine alten Tagebücher nicht gerade in irgendeiner Kiste auf dem Dachboden verlegt hat, aber das hat man wenigstens selbst im Griff.
Die Beispiele sollen davor mahnen, sich auf das Internet oder selbst grosse Dienstleister zu verlassen. Speicherplatz kostet heute weniger denn je und es kann nicht schaden, wertvolle Inhalte vorsichthalber auf das lokale System zu kopieren. Wer weiss, wann die nächste Festplatte ausfällt und eine Webseite plötzlich "leer" erscheint, weil dummerweise das Backup genau dann nicht funktioniert hat? Oder jemand schlicht die Lust an seinem Angebot verliert und es einstellt? Oder ein Dienstleiter aufgekauft wird und plötzlich Geld für Inhalte verlangt, die über Jahre hinweg kostenlos (sprich: werbefinanziert) erhältlich waren? Oder, oder, oder... die Liste möglicher Gründe ist lange. Aber warum diese ganze Panikmache? Weil die Gesellschaft sich immer mehr auf genau diese digitale Beständigkeit stützt und modernen Firmen wie Microsoft, Google und Facebook ihre Nutzer immer mehr zu entmündigen versuchen, indem sie die Daten mittels Cloud- und Web-Diensten möglichst in ihrer Obhut behalten. Natürlich ist es praktisch, seine Dokumente von jedem Rechner aus zu bearbeiten, auf dem Handy denselben Kalender wie zuhause am PC zu haben und beim Freund an der Game-Konsole nach einem kurzen Login die eigenen Spielstände weiterverfolgen zu können.
Nur eins darf man dabei niemals vergessen: Was man aus der Hand gibt, kann einem jederzeit genommen werden. Viel Glück wünsche ich all denjenigen, deren Account aus unerklärlichen Gründen gesperrt wurde und die sich nun mit den automatischen Textbausteinen -pardon, dem Support des Anbieters herumschlagen dürfen.
PS: Auch deine Festplatte kann jederzeit den Geist aufgeben. Zum Beispiel genau jetzt. Denk mal darüber nach.
Nachtrag: Wie sich mittlerweile herausgestellt hat ist dieser Blog selbst zu zweierlei Beispiel für diesen Artikel geworden. Erstens wurde er ursprünglich auf blog.de veröffentlicht und siehe da -- eben diese Plattform hat nun ihr Ende angekündigt. Zwar wurde uns noch bis zum Jahresende eine Schonfrist gesetzt und die Datenübernahme ermöglicht, zweifellos werden aber viele Blogger (insbesondere wenn sie gerade eine Weile absent sind) bald ihren liebgewonnenen Daten nachtrauern.
Zweitens zeigt sich hier nun aber, wie mit sorgfältiger Pflege auch digitale Daten am Leben bleiben, denn ich habe mir die Mühe gemacht, den Blog auf meinen eigenen Server zu verschieben -- wo er mit einem frischen, modernen Design, sauberer Technik und diversen Detailänderungen verwöhnt wurde. Der Umstieg kostete auch einige Tippfehler die Existenz und mehrere Nachträge wurden erzeugt. Letztendlich zeigt sich damit sehr deutlich, dass das Leben aus ständiger Veränderung besteht und nur so ein Fortschritt ermöglicht wird -- wenn man die nötige Kraft dafür investiert.