Facie prima

Heute: Der Lebemann, Silvio Berlusconi

Facie prima

Quelle: BILD

Aus den Boulevardmagazinen lächelt uns verführerisch ein adretter Herr im besten Alter entgegen - ein alter Gigolo, wie flankierende Texte behaupten, der von keiner noch so jungen Frau die Finger lassen will. Er wirkt charmant, gepflegt und fast ein bisschen gütig, jedenfalls humorvoll. Affären hat er, so kann man den Blättern entnehmen, ausreichend; sein ganzes Leben scheint eine Orgie an sich windender Frauen zu sein, die in seinen ältlichen Händen geradezu schmelzen. Der brünstige Großvater lächelt stets, wenn er bildlich dargestellt wird, stets nimmt er eine Pose ein, die an einen sensiblen latinisierten Liebhaber, einen ästhetischen Schönling erinnert. Als das, was er eigentlich ist, findet er keine Abbildung: als demokratisch legitimierter Westentaschen-Diktator aus Italien; als das, wovor sich Adorno schon fürchtete: vor Faschisten in der Maske der Demokraten. Er ist für die Regenbogenpresse das Spottbild eines Lebemannes, weniger Politiker oder gar selbstherrlicher Tyrann - die Opfer seiner Politik können jedoch nicht über seine Eskapaden spotten.

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Quelle: BILD

Silvio Berlusconi glänzte bislang als Despot, der sich turnusmäßig von den italienischen Massen, die von seinen TV-Sendern gezielt verdummt und betrogen werden, wählen läßt - er ist der Prototyp einer neuen Art Diktatur, die gar nicht fortwährend im Amt sein muß, um dennoch ihre despotischen Gelüste und Interessenpolitika durchzuringen. Man kann sich in einem solchen Modell durchaus aus dem Amt jagen lassen, denn ein oder zwei Jahre später ist man ohnehin wieder zurück - die TV-Anstalten und das damit verbundene Meinungsmonopol, deren Herr man ja ist, sorgen schon dafür. Berlusconi wirkte bisher vorallem als Tyrann, der keinerlei Geschmack kennt. Er nährt Antiziganismus und unterstützt Bürgerwehren; er veralbert Asylbewerber und Opfer von Naturkatastrophen - und nebenher erlässt er Gesetze, die seine wirtschaftskriminelle Energie in die Legalität hieven.

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Quelle: BILD

Als Despot findet er im Boulevard aber keinen Niederschlag. Stattdessen ist er dort der etwas peinliche Lebemann, der einem zuprostet, der triebhaften Frauchen den Hintern tätschelt und dabei stets ein Lächeln auf den Lippen trägt. Ein etwas schmieriger, etwas zu geiler Greis, den man verhöhnt und nicht zu ernst nehmen sollte. Ein an sich herumnestelnder, stets an seiner Kleidung fummelnder Alt-Adonis, der den Eindruck erweckt, es ginge in seinem Leben nur darum, gut angezogen und mit Frauen eingedeckt zu sein. Der Lebensinhalt dumpfer Lebemänner eben, die an nichts anderem Gefallen finden wollen. Berlusconi ist aber kein solcher Lebemann, jedenfalls nicht nur. Hinter der Maske des Gigolos verbirgt sich ein Mann, der knallharte Interessenpolitik durchboxt und sich dabei selbst Immunitäten verleiht, die einstmals nur Königen oder Zaren zustand. Er ist nicht konservativ, sondern reaktionär; ist Herr flapsiger Sprüche, die immer zulasten Schwächerer gehen; ist ein arroganter Autokrat von Wählers Gnaden.
Die Frauen, die im Boulevard diesen kleinen König der italienischen Demokratur zieren und die Bilder, auf denen er als eitler Weiberheld abgelichtet ist, sie verleihen im eine lächerliche Aura, die darüber hinwegtäuscht, mit wem man es eigentlich zu tun hat. Der Boulevard, der einen Despoten in solcher Weise abbildet und damit für lächerlich erklärt, hilft der Diktatur in die Schuhe, läßt eine demokratisch fadenscheinige Figur wie Berlusconi in der gesellschaftlichen Mitte ankommen.

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