Dr. Michael Willhardt, Inhaber einer Kommunikations-Agentur in Duisburg, ist dem Unternehmen Claytec seit vielen Jahren verbunden – als Kommunikations-Spezialist aber auch als Freund des Firmengründers Peter Breidenbach. Zum Fachwerk-Symposium in Freudenberg zog es ihn auch als interessierten Bauherren: Im thüringischen Ohrdruf restauriert Willhardt derzeit das alte Logierhaus „Villa Ihler“, ein historisches Fachwerkgebäude. Nachfolgend sein Clayblog-Gastbeitrag zum Symposium.
Das Technikmuseum in Freudenberg war wahrlich ein gelungener Ort für die zweite Veranstaltung der diesjährigen Staffel des Claytec Fachwerksymposiums. In der Nähe der Fachwerk-Altstadt im Siegerland gelegen, fanden die Teilnehmer im Fachwerk-Altbau mit modernem Veranstaltungstrakt einen großen Spielplatz für Männer und für technikbegeisterte Frauen – inklusive einer schönen Sammlung von Dampfmaschinen, mit denen wir in unserer Jugend so gerne gespielt haben.
Kindheitstraum: historische Dampfmaschine im Technikmuseum
Die Gäste des Symposiums trafen zudem auf Gastgeber und Betreiber, die mit Herzblut für ihr Museum und für den Veranstaltungsort einstehen. Besonders nennen dürfen wir den Hans-Dampf in allen Gassen Herrn Geldsetzer, der Nachtwächter, Fremdenführer und Pyrotechniker von Freudenberg sowie Mädchen für alles am Veranstaltungsort in einer Person ist. Für die Claytec-Veranstaltung war alles aufs Beste vorbereitet, hervorragende Technik im Veranstaltungssaal und eine umsichtige Bewirtung rund um den Tag.
Die 64 Teilnehmer erwartete ein fundiertes Plädoyer für den Fachwerkbau. Claytec konnte den „Fachwerkpapst“ Prof. Manfred Gerner auch in dieser Staffel dafür gewinnen, den Eingangsvortrag zu halten. Wir hoffen, ihn nicht zum letzten Mal überredet zu haben, hat er doch seiner Familie versprochen, sich mit seinen 80 Jahren vielleicht doch zur Ruhe zu setzen. Ankündigen dürfen wir an dieser Stelle, dass der Vortrag von Prof. Gerner als Videoclip aufbereitet zur Verfügung gestellt wird.
Herr Geldsetzer, die gute Seele des Technikmuseums Freudenberg
Interessant ist eine Zahl, die Prof. Gerner in seinem Vortrag in Freudenberg nannte. Bekannt war, dass wir alleine in Deutschland ca. 2,5 Mio Fachwerkgebäude haben. Die Zahl bekommt jedoch eine ganz anderes Gewicht, wenn wir sie in Relation zum Gesamtbestand aller Gebäude in der Republik setzen: Der Anteil am Bestand beträgt bemerkenswerte 15%. Und weil viele dieser Häuser in einem Dornröschenschlaf auf ihre Wiedererweckung warten, ist das eine Herausforderung für Bauleute und Handwerk. Bei guter Pflege kommen Fachwerkgebäude der Ewigkeit nahe. Die ältesten und noch immer bewohnten und genutzten Gebäude sind 850 Jahre alt. Keine andere Bauweise kann in großer Zahl ähnliches bieten.
Begeisterte durch Kompetenz: „Fachwerkpapst“ Prof. Gerner
Fachwerkgebäude sind lebendig und sie werden mit den ältesten Baustoffen der Menschheit gebaut, Holz und Lehm passen perfekt zusammen und sie machen viele Veränderungen mit, ohne an Charme zu verlieren. Fachwerkhäuser werden anheimelnd erlebt und das nicht nur, wenn sie gut von innen gedämmt sind. Fachwerkhäuser und ihr artgerechter Erhalt sind ohne engagierte Bauleute nicht denkbar. Entweder liebt man Fachwerk und entscheidet sich bewusst für diese Baukonstruktion – oder man lässt die Finger davon.
Die meisten Fachwerkhäuser werden heute gezielt von Käufern erworben, weil sie die besondere Atmosphäre und Lebendigkeit, das menschliche Maß dieser Gebäude schätzen. Und weil die Objekte oft auf Grund ihrer langen Geschichte an besonderen Orten mitten im Dorf, in der Stadt oder in der Landschaft eingebettet liegen. Die heute meist neuen Eigentümer – die Sanierung eines geerbten Hauses dürfte eher selten sein – “leben” das Haus in doppelter Weise, weil sie bereits bei der Sanierung viel Liebe ins Detail stecken und damit für die Familie und ihre Gäste einen Wohlfühlort schaffen, von dem alle nach Fertigstellung begeistert sind.
Aufmerksam folgte ein wissbegieriges Auditorium den Vorträgen der Referenten
Weil die heutigen Nutzer von Fachwerkgebäuden Überzeugungstäter sind und mit ihrer Entscheidung wissen, dass sie viel Lebenszeit in ihr Ambiente stecken werden, ist es auch eine Lebensaufgabe. So gesehen sind sie die Avantgarde einer zukunftsfähigen Gesellschaft, die ihren Lebenssinn nicht allein im Gelderwerb und im Konsum von Waren sieht. Einen nennenswerten Teil seiner Lebenszeit darauf zu verwenden, die vielen Schätze, die wir haben, zu erhalten und zu nutzen, das gibt Sinn und das ist praktizierte Nachhaltigkeit. Dafür gibt der Veranstaltungsort Technikmuseum ein beredtes Beispiel, weil hier engagierte Vereinsmitglieder neben ihrem Beruf oder als Ruheständler das Museum betreiben. Ohne dieses Engagement wäre die Existenz dieses schönen Reliktes nicht möglich.
Fundiertes Fachwerk
Der Vortrag von Prof. Gerner beschrieb die globale Vielfalt und Schönheit des Fachwerkbaus in einer Dichte, die nur zustande kommen kann, wenn ein gelernter Zimmermann aus einer Zimmermannsdynastie sich auch als späterer Architekt mehr als sechs Jahrzehnte diesem Thema mit Enthusiasmus widmet. Sein Wissen ist ein zukunftsweisendes Fundament.
Gleichzeitig gibt es neben diesem Wissen und der Expertise über Bestand auch systematisierte Verfahren zur Bauphysik, sodass niemand sich allein auf Tradition und praktische Erfahrung stützen muss. Nicht zuletzt, und dafür steht Claytec mit seinem Namen und seiner Unternehmenstradition, sind heute Lehmbaustoffe in einer Qualität verfügbar, wie niemals zuvor. Davon künden die beiden anderen Schwerpunkte des Tages.
WTA
Der Vortrag Bautechnik und Bauphysik des Fachwerkhauses von Frank Eßmann widmete sich Fragestellungen, die bei der Instandsetzung und Sanierung von Fachwerkgebäuden auftreten, auch hinsichtlich der heute einzuhaltenden Regeln (etwa beim Brandschutz) bzw. dem aktuellen Stand der Technik. Die Wissenschaftlich-Technische Arbeitsgemeinschaft für Bauwerkserhaltung und Denkmalpflege e. V.‚ München (WTA) hat bislang allein 14 so genannte WTA-Merkblätter zur Fachwerksanierung heraus gegeben, in denen der Stand des Wissens systematisch festgehalten ist. Diese stellte Frank Eßmann den Teilnehmern trotz der technischen Trockenheit der Materie kurzweilig anhand von Praxisbeispielen vor. Nie zuvor stand mehr gesichertes Wissen im weiten Bogen zwischen Schlagregen über Brandschutz und Materialkunde bis hin zur Innendämmung zur Verfügung. Das gibt den Bauleuten Sicherheit, um Fachwerk hervorragend und sachgerecht zu sanieren aber auch die Handhabe, um die heutigen Anforderungen an modernes Wohnen zu realisieren. Vorbei sind die Zeiten, wo wir mit vielen Menschen auf kleiner Fläche in zugigen Wohnungen wohnen mussten (auch wenn bei dieser Entwicklung die individuell genutzte Fläche heute vielleicht etwas groß geraten ist).
Perfekte Baustoffe
Nicht zuletzt macht eine dritte Tatsache die Sanierung, den Erhalt und die Weiterentwicklung von Fachwerk heute so perfekt möglich, wie nie zuvor. Ulrich Röhlen, technischer Leiter des Hauses Claytec und Spiritus Rector des Symposium Fachwerk, stellte Lehmbaustoffe und Techniken für Fachwerkhäuser vor. Die ältesten Lehmausfachungen‚ die durch das Handwerksuntemehmen Lehmbau Peter Breidenbach instand gesetzt wurden, waren mehr als 700 Jahre alt. Auch moderne Restaurierungen mit Lehm haben sich seit vielen Jahren bewährt. Dies gilt für die Ausfachungen mit Fachwerk-Lehmsteinen nach DlN ebenso wie für Kalk-Außenputze, die in der schwierigen Anwendung des bewitterten Sichtfachwerks ihre Eignung seit Jahrzehnten unter Beweis stellen. Aus einfachen Strohlehm-lnnenputzen wurden wirksame und fehIertolerante Innendämmsysteme entwickelt. Lehmputze und Oberflächen schaffen authentische Räume. Auch die Bestandserhaltung historischer Lehmbauteile ist heute kein Problem mehr. Ulrich Röhlen, gemeinsam mit Prof. Ziegert auch Verfasser des Grundlagenwerkes “Lehmbau-Praxis”, bot einen kompakten Überblick zu modernen Lehmbausystemen und Anwendungen für die Fachwerkrestaurierung heute. Da Claytec alle Baustoffe herstellt und vertreibt, die für die sachgerechte Sanierung oder den Umbau erforderlich sind, konnte die Dramaturgie des Vortrages von der Dreiecksleiste bis zum YOSIMA Lehmdesign-Oberflächenfinish folgen.
Werktisch
Nach der Mittagspause mit üppigem Buffet ging es in die Praxis. Im Werkraum des Museums im ersten Obergeschoss wurden die wichtigsten Arbeitsgänge der Fachwerkrestaurierung mit Lehm gezeigt. Auf dem WERKTISCH wurden historische und neue Lehmbaustoffe für das Fachwerk sorgfältig und liebevoll präsentiert – Baustoffkunde zum Anfassen. Claytec Veranstaltungen genießen in Fachkreisen einen herausragenden Ruf, weil es neben Theorie und Materialkunde stets einen anschaulichen praktischen Teil gibt, in Freudenberg vorgeführt durch Handwerker- und Architekten-Supporter Stefan Funkenberg, unterstützt von seinem Claytec-Kollegen Phillip Meier.
Praxisteil mit Claytec Supporter Stefan Funkenberg
Fachwerkstadt Freudenberg
Dass die Teilnehmer in jeder Hinsicht gut aufgehoben und am richtigen Ort waren, zeigte sich schon vor der Mittagspause. Nachdem ein Referent für den Nachmittag wegen Krankheit kurzfristig abgesagt hatte, wurde ohne zu zögern das Programm umgebaut. So kamen die Teilnehmer zu einem ungeplanten aber um so spannenderen weiteren Höhepunkt. Der schon genannte Hans Dampf in allen Gassen Herr Geldsetzer führte die Teilnehmer gemeinsam mit Ulrich Röhlen auf den Schieferberg. Von diesem wunderbaren Aussichtspunkt aus bietet die Fachwerkstadt Freudenberg hervorragendes Anschauungsmaterial zum Thema. Hier hat man einen großartigen Überblick über die Altstadt mit ihrem weißen Gefachen und das heute praktisch bei allen Fassaden frei gelegte Fachwerk.
Ulrich Röhlen (vorne) mit den Seminarteilnehmern auf dem Weg zum Schieferberg
Fazit
Auf dem heutigen Stand des Wissens und dank gesicherter und standardisierter Techniken sowie nicht zuletzt mit den ausgereiften modernen Lehmbaustoffen von Claytec kann die Gemeinde der Fachwerkliebhaber weiter wachsen. Die meisten der früher vor allem von Architekten vorgebrachten bauphysikalischen Bedenken konnten entkräftet werden, und so können noch mehr Bauleute, die sich nach einer sinnstiftenden Aufgabe sehnen, gemeinsam mit dem Handwerk Schätze bergen und zu neuem Leben erwecken. Heute können wir das Wissen unserer Vorfahren mit den Ansprüchen von heute in Einklang bringen. Die Probleme eindringender Feuchtigkeit sind ebenso lösbar, wie wir sichere Maßgaben für den Einbau von Innendämmungen im Fachwerk zur Verfügung haben. Zudem stehen uns in unserer heutigen Wissensgesellschaft und mit der vorhandenen Logistik adäquate Baustoffe jederzeit und überall zur Verfügung. Wissen plus Verfügbarkeit der richtigen Baumaterialien machen es heute in jedem Fall möglich, sachgerecht zu sanieren.