Fachkräftemangel – das neue Räppelchen der Neoliberalen

Von Jürgen Voß
Das neoliberale Lager hat wieder eine neues Räppelchen: Den Fachkräftemangel. Getreu den drei Leitlinien der neoliberalen Scholastik: Das Unlogische ist für uns vollkommen logisch, das Unplausible ist für uns gerade plausibel genug und das nicht Vermittelbare kriegen wir schon vermittelt, wird auch dieser neuerliche Unfug in der praktisch gleichgeschalteten Medienwelt mit einer so kabarettreifen Ernsthaftigkeit diskutiert, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll.
Zu den Fakten: In diesem Lande haben wir 3,1 Mio. Arbeitlose und dazu – im Mo-natsbericht der BA nachzulesen – 1,4 Mio. Menschen in sog. Fördermaßnahmen. Lassen wir die stille Reserve – neuere Untersuchungen zeigen, dass in Deutschland 8,6 Mio. Menschen arbeiten bzw. mehr arbeiten wollen als bislang – sind dies 4,5 Mio. Menschen. Erste Frage: Alles Hilfsarbeiter?
Nächste Frage: Demnächst herrscht Arbeitnehmerfreizügigkeit in einem Bevölke-rungsraum von 480 Mio. Menschen. Selbst in den alten EU-Staaten, von der Oster-weiterung ganz zu schweigen - Frankreich, Spanien, Italien, England – herrscht Massenarbeitslosigkeit. Auch alles nur Hilfsarbeiter? In all diesen Ländern gibt es kein Fachkräftepotential, das nach Deutschland kommen könnte und wollte?
Dritte Frage: In unzähligen Blogs nachzulesen: Die Schwierigkeiten bestens ausge-bildeter junger Menschen, eine normale „angemeldete“ sprich sozialversicherungs-pflichtige Stelle zu finden, und nicht wieder ein unbezahltes Praktikum, eine unbe-zahlte Vollzeitstelle (!!!), eine befristete Teilzeitstelle und was der schöne neue Ar-beitsmarkt noch so alles zu bieten hat. Auch alles Menschen, die untauglich sind, den angeblichen Fachkräftemangel zu beseitigen?
Um welche Größenordnung geht es denn? Die Süddeutsche Zeitung, wie immer „Hänneschen voran“, wenn es darum geht, neoliberalen Unfug zum Tagesthema zu machen, gibt uns am 14. Oktober unter der Headline „Zuwanderer dringend ge-sucht“ exakt Auskunft: 2007 kamen 151 (nicht tausend!), 2008 221 und 2009 311 Hochqualifizierte nach Deutschland. Bei den sonstigen Fachkräften waren dies im gleichen Zeitraum 28.761, 29.141 und 25.053. Allerdings gingen bei den Hochqualifizierten in diesen drei Jahren auch 239 hiesige ins Ausland, und bei den „sonstigen“ waren es insgesamt sogar 55.270. Warum die wohl gingen, wo sie doch so dringend gebraucht wurden? Wie bei Buridans Esel ist in der neoliberalen Scholastik solch eine nahe liegende Frage erst gar nicht gestattet. Lapidar heißt es: „Klare Ursachen können die Forscher nicht benennen“.
Stellt man diese Zahlen der Summe Sozialversicherungspflichtig Beschäftigter (SV) gegenüber, wird die lächerliche Größenordnung dieses „Problems“ schnell deutlich. Denn noch haben wir 27,5 Mio. SV - Beschäftigte, von denen zwar inzwischen 5,3 Mio. teilzeitbeschäftigt sind, und 1,8 Mio. in Ausbildung stehen. Insgesamt haben wir also bei wohlwollender Rechnung noch 22 Mio. Vollzeitstellen. Der Trend heißt aber: Ständig zurückgehende Vollzeitstellen, vor allem ständiger Rückgang an exitenzsichernden Stellen. Allein 1,5 Mio. Vollzeitbeschäftigte sind Aufstocker. Trotz allem: In diesem Umfeld, bei ständig sinkendem Arbeitsangebot, soll der Fachkräf-temangel eine solche Dimension haben?
Diese Leute, von Brüderle bis Schavan, von Hüther bis Rogowski, von FAZ bis SZ, (auch das neoliberale Propagandaorgan für intellektuell Arme, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung – WAZ - will nicht zurückstehen und spricht heute „von einem dramatischen Fachkräftemangel, den Deutschland verkraften muss“), wollen uns glauben machen, dass der Fachkräftebedarf in der geschilderten Größennordung weder aus dem Heer der Arbeitslosen, noch aus dem gewaltigen Potential der arbeitlosen Fachkräfte der gesamten EU noch aus der inzwischen zu Masse angewachsenen Reserve der prekär oder „entstandardisiert“ Beschäftigten zu decken sei. Was soll das?
Es scheint nur eine rationale Erklärung zu geben: Das Unternehmerlager hat die Befürchtung, in absehbarer Zeit bei bestimmten Belastungsspitzen in einigen Sektoren ihren Fachkräften wieder ordnungsgemäße Löhne und Sozialleistungen zahlen bzw. bieten zu müssen, nach deutschen Standards oder wenigstens nach denen der EU. Dies fürchten sie aber wie der Teufel das Weihwasser. Mit Grauen denken sie an die siebziger Jahre zurück, als Arbeitnehmer noch Forderungen stellten und sogar mit Kündigung drohen konnten. Was liegt da näher, als Leute von außerhalb zu holen, die angesichts des Eintauchens in die begehrte westliche Wohlstandswelt alles, aber auch alles, hinzunehmen bereit sind, um sich und ihre nachgeholten Familien im gelobten Land zu halten. Ganz primitives Lohn- und Sozialdumping ist also die Grundlage dieser lächerlichen Diskussion.

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