Katajun Amirpur, freie Journalistin für SZ, ZEIT, taz, usw
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Ein Problem für Konsumenten von Medien ist oft, dass wenn sie nicht auf dem Gebiet, was sie gerade konsumieren ein gewisses Hintergrundwissen besitzen, nicht leicht beurteilen können, ob der Journalist den sie gerade konsumieren vertrauenswürdig genug ist, einerseits zutreffende Analysen zu erstellen, andererseits, ob der Journalist überhaupt die Sprache des Landes versteht, aus dem er berichtet.Ich stelle mir immer vor, wie es wohl wäre, würde ein ägyptischer Auslandskorrespondent in Deutschland, Italien oder den Niederlanden kein Deutsch, Italienisch oder Holländisch sprechen. Er könnte nicht die Landespresse auswerten, er könnte z.B. nicht lesen, was Sarrazin in seinem Buch geschrieben hat, er könnte nicht die Feinheiten, die Untertöne, die Allegorien und Anspielungen der Politiker und Medien mitbekommen, die oft notwendig sind, um Debatten richtig einordnen zu können. Kommunikation mittels einer weiterer Übersetzung nivelliert und vernichtet einen Teil der innewohnenden Information, manchmal entscheidende Teile. Und dies umso mehr, als unterschiedliche Sprachstile gepflegt werden.
In einem Sprachraum wird oft exakt und präzise etwas benannt, und vielleicht auch damit nichts konkret benannt, in einem anderen Sprachraum hingegen wird etwas eher umschrieben, sprachlich "spiralig" umkreist, und vielleicht wird der Gegenstand für unsere Ohren in der Übersetzung nur undeutlich erkennbar, für Einheimische hingegen sehr deutlich erkennbar.
Kurz: Kommunikation über Sprache ohne weitere Schicht kann schon ein großer Vorteil sein, für das Verständnis, für die richtige Einordnung in Kontexte, für die Schlussfolgerungen.
Dieses sollte eigentlich auch für Nahost-Korrespondenten gelten. Am besten nicht nur sprachliche Kompetenz, sondern auch universitäre Ausbildung, sei es durch ein Studium der Islamwissenschaft, Turkologie, Iranistik, oder auch andere Studiengänge, die wenigstens exakte und kritische Recherche während des Studiums vermittelt.
So wird dem Journalisten vielleicht eher klar, wie er eine Fatwa eines Dorfimams in Oberägypten einzuordnen hat. So werden vielleicht legitimatorische Handlungen, und politisches Kalkül eher deutlich.
Doch woher weiß der Leser oder TV-Zuschauer schnell, wer ihm da etwas berichtet, ob er oder sie sprachliche Kompetenz hat, oder gar wissenschaftliche Kompetenz?
Wenn einem dieses interessiert, der möge sich mal kurz diese beiden Internetseiten anschauen:
1.
"Im “Netzwerk Fachjournalisten islamische Welt” haben sich Autoren zusammengeschlossen, die mit langjähriger Erfahrung, wissenschaftlichem Hintergrund und fremdsprachlicher Kompetenz über den Islam und seine Geschichte berichten - im Nahen und Mittleren Osten wie in Europa: durch einen Radiobericht über muslimischen Alltag in Köln, einen Film über schiitische Pilger im Irak, einen Zeitungsartikel über Christen in der Türkei, einen Online-Beitrag über islamistischen Terrorismus oder ein Buch über den “Kampf der Kulturen”.Hier sind ihre Kurzbiographien aufgelistet, ihre ggf. vorhandenen Blogs, ihre Schwerpunkte.
Der Islam macht Schlagzeilen, er verunsichert und bleibt doch für viele ein großes Rätsel.
Die Autoren, die sich im “Netzwerk Fachjournalisten islamische Welt” zusammengeschlossen haben, arbeiten daher mit dem gleichen Ziel: Die islamische Welt verständlicher zu machen - sachlich, hintergründig, kritisch und nahe am Menschen."
"NEFAIS-Mitglieder
Katajun Amirpur, Publizistin, Köln
Ludwig Ammann, Publizist, Freiburg/Brsg.
Golineh Atai, Redakteurin WDR-Fernsehen, Köln
Kristina Bergmann, NZZ-Korrespondentin, Kairo
Björn Blaschke, Redakteur WDR-Hörfunk, Köln
Stefan Buchen, Autor ARD-Politikmagazin Panorama, Hamburg
Amira El Ahl, Freie Korrespondentin, Kairo
Karim El-Gawhary, ORF-/Zeitungskorrespondent, Kairo
Susanne El Khafif, Redakteurin DLF, Köln
Julia Gerlach, Freie Korrespondentin, Kairo
Thilo Guschas, Freier Journalist, Ahrensburg bei Hamburg
Florian Harms, CvD Spiegel Online, Hamburg
Gudrun Harrer, Leitende Redakteurin der Standard, Wien
Rainer Hermann, FAZ-Nahostkorrespondent, Abu Dhabi
Navid Kermani, Schriftsteller und Publizist, Köln
Victor Kocher, NZZ-Nahostkorrespondent, Limassol
Michael Lüders, Publizist, Politik- und Wirtschaftsberater, Berlin
Bettina Marx, Redakteurin Deutsche Welle, Berlin
Tobias Mayer, Freier Radioredakteur, Bochum
Albrecht Metzger, Freier Autor, Hamburg
Yassin Musharbash, Redakteur Spiegel Online, Berlin
Mona Naggar, Freie Korrespondentin, Beirut
Nadja Odeh, Redakteurin SWR, Baden-Baden
Jens-Uwe Rahe, Freier Redakteur DW-TV, Berlin
Christoph Reuter, stern-Korrespondent, Kabul
Hans-Christian Rößler, FAZ-Korrespondent Israel/Palästinensergebiete, Jerusalem
Martina Sabra, Freie Journalistin, Köln
Esther Saoub, Korrespondentin ARD-Hörfunk, Kairo
Isabel Schayani, Redakteurin ARD-Politikmagazin Monitor, Köln
Jürgen Stryjak, Freier Korrespondent, Kairo
Stefan Weidner, Publizist, Köln"
Nun, um eines klarzustellen: Natürlich ist ein guter politischer Beobachter nicht automatisch jemand, der an der deutschen Universität Sprache, Geschichte und Kultur des islamischen Raumes in 5-7 Jahren gelernt hat, bevor er Korrespondent wurde. Es gibt durchaus auch recht gute Korrespondenten, die z.b.wie Ullrich Tilgner über keinerlei Sprachkompetenz in Farsi oder Arabisch besitzen (glaube ich zumindest). Nur erleichtert es sicherlich die Arbeit im Lande, die Interviews mit Intellektuellen, mit Politikern, mit Literaten, wenn man weiß, was Abbasiden waren, und ihre Revolution, was Al Ghazali schrieb, wer Sayyid Qutb oder Ibn Taimiya und Abdülhamid II. und Nasser war, so wie es sicherlich für arabische "Nah-West"-Korrespondenten nicht schadet, wenn sie Bismarck, Luther, Günter Grass und Theodor W. Adorno kennen würden.
Leider ist die obige Liste und das Projekt wieder etwas eingeschlafen, und die Bloggerei der Autoren hält sich auch arg in Grenzen. Es ist also nicht mehr uptodate und die Autoren könnten heute schon woanders arbeiten.
Doch immerhin hat man nun einen kleinen Einblick gewonnen, welcher Journalist denn ein kleines bisschen Hintergrundwissen in seiner Arbeit mitbringt und Sprachkompetenz vorweisen kann. Auch wenn dadurch die Berichte und Analysen nicht zwangsläufig richtiger als andere sein müssen.
2.
Als zweite Liste mit leider nicht weiter gehenden Informationen kann man sich diese anschauen:
Generalkonsulat Istanbul: Deutsche Medienvertreter in Istanbul
Nun müsste man noch googlen, welche Biographien die Autoren haben. Immerhin weiß man aber, welche Zeitungen und Medien einen Korrespondenten vor Ort haben, sie also sicherlich einen Schwerpunkt in ihrer Berichterstattung auch mit finanziellem Aufwand betreiben. Wobei die Korrespondenten einen teilweise immensen Berichterstattungsumkreis haben. Also von der Basis Istanbul aus z.B. ebenso aus Athen, Belgrad, Sewastopol, usw. berichten müssen, und da hilft ihnen Turkologie oder Islamwissenschaft auch nicht viel weiter... ;-)
Lies mehr: http://lynxx-blog.blogspot.com/2010/10/fachkompetenz-naher-osten-netzwerk.html#ixzz12R8ehwDf