„I Fucking Love My Life“
(Vertigo)
Für Zwischendrin ist Julian Pollina wahrlich nicht zu haben. Zwar macht er seinem Publikum ein paar halbseidene Angebote, präsentiert kurze Videofilmchen in amüsanter Maskerade, aber ernst gemeint sind die kaum. Ernst genug allerdings ist der Rest, den der Junge aus Zürich gerade mit seinem zweiten Album veröffentlicht hat und unterscheidet sich dadurch nicht von seinem grandiosen Debüt „Sei ein Faber im Wind“, das vor zwei Jahren erschien und schon damals alle Extreme auslotete, die unsere bunte Unterhaltungsbranche so zu bieten hat. Wie auf Kommando also ruft er mit seinen neuen Songs im Doppelformat wieder alle auf den Plan – die, die nur Verachtung und Hass für den Songwriter übrighaben und jene, die ihn genau für dieses Spiel mit dem Feuer, für seine Provokationen, seinen fehlende Correctness und seine ätzende Ehrlichkeit lieben. Dazwischen gibt es nichts. Den einen gilt er als weinerlicher Fatalist und selbstverliebter Poser, als eitler Bohemian und sexistischer Sprücheklopfer oder, wenn politisch so überhaupt nichts zusammengeht, gleich als Nestbeschmutzer und Vaterlandsverräter. Andere feiern seine lustvolle Art, Konventionen zu ignorieren, Erwartungen zu enttäuschen und gegen alles und jeden auszuteilen, sie erkennen maßlose Empathie ebenso wie Lust an Untergang und großem Drama.
In der Tat kommen die sechszehn Stücke des aktuellen Albums wie eine sich zuspitzende Fortsetzung des ersten Schwungs daher, noch mehr Wut, noch mehr Verzweiflung, alles scheint potenziert: Der sinnentleerte Wahnsinn des medialen Rummels (den er selbst mit seinem dem Boulevard- und Paparazzi-Chic der Verpackung herrlich auf die Spitze treibt), die Dummheit, das Schweigen, die Untätigkeit. Flackernde Displays und grenzenloser Konsum haben uns soweit sediert, dass Menschlichkeit und Mitgefühl nicht mehr zu erwarten sind, Hauptsache 4G am Handy und der Akku auf 100 Prozent. Was Faber da in mehreren Teilen bietet, ist ein durchweg bitterer Abgesang auf die „Generation YouPorn“ und die Gesellschaft im Allgemeinen, die verlernt hat, sich selbst zu entscheiden, sondern zweckoptimiert, überfordert und tatenlos zusieht, wie alles den Bach runtergeht.
In seiner zynischen Überspitzung ist Faber grandios, mit der vollen Kapelle schwelgerischer Streicher und Bläser begleitet er den Höllenritt und schont dabei weder sich noch seine Umwelt. Für ihn scheint dieser Zynismus einzig probates Mittel, eine Reaktion, ein Gefühl, eine Emotion beim Gegenüber auszulösen, denn nur wenn es weht tut, ist es real, wird es spürbar. Mittelmäßigkeit und Seichtheit sind Faber ein Graus („Ihr habt meinen Segen“), er verlangt nach Widerspruch, geballten Fäusten, will lieber laute Leidenschaft und selbst der Schmerz ist ihm willkommen. Denn der zeigt ihm wenigstens, dass er lebt. Wie schwer es ist, dem eigenen Anspruch standzuhalten, davon erzählt er in „Nie wieder“, seiner todtraurigen Drogenhymne („Ich hab so viel zu erzählen. Und gar nichts zu sagen. Ich sag nur noch was ich denke. Doch ich denke nicht mehr viel“), das Ende scheint verführerisch, zum Greifen nah und der Grat, auf dem er tanzt, ein sehr schmaler.
Unter all diesen tiefschwarzen Liedern einen Favoriten zu finden ist da gar nicht so einfach. „Das Boot ist voll“ hat er ja noch einmal abgeändert, als er merkte, dass eitler Text dem eigentlichen Zweck die Show zu stehlen schienen. Selbst die Instrumentierung tritt hier hinter die Anklage zurück, düstere Pianoklänge zu drastischen Zeilen: „Besorgter Bürger, ich besorg’s Dir auch gleich. Wenn sich 2019 ‘33 wieder einschleicht.“ Oder vielleicht der lässige Reggae von „Top“, hier spielt der Kotzbrocken die komplette Klaviatur aus Verachtung und Hohn. Als Gegensatz dazu das über die Maßen rührende „Komm her“, ein Liebeslied für die Schwachen und Gedemütigten, die abgestellt, an den Rand geschoben, übersehen werden – hier eine ausgestreckte Hand, eine Wahrnehmung, eine Umarmung. Und ganz zum Schluß die Kapitulation „Heiligabig ich bi bsoffe“, im Textheft gar in deutscher Übersetzung – Hilferuf und Geständnis zugleich, einfachste Worte: „Alles was mir heilig ist, bist du. Laß mich nicht allein.“ Man kann von ihm halten, was man will, eine krachendere Abrechnung hat in diesem Jahr noch niemand geboten.
28.02. Hannover, Capitol
29.02. Leipzig, Haus Auensee
01.03. Hamburg, Edel Optics Arena
03.03. Berlin, Columbiahalle
05.03. Köln, Palladium
06.03. Wiesbaden, Schlachthof
07.03. Stuttgart, Liederhalle
09.03. Wien, Arena
11.03. München, Tonhalle
12.03. Zürich, X-Tra
13.03. Zürich, X-Tra