Ezra Furman – Perpetual Motion People
8Folk-PopEzra Furman bittet wieder einmal zum Tanz, auch wenn es diesmal eher ein Weltuntergangswalzer ist.
Queer – jawohl. Ezra Furman bevorzugt es mittlerweile, mit rotem Lippenstift, Perlenkette und gar in Frauenkleidern auf der Bühne zu stehen. Crossdressing – jawohl. Bisexuell – jawohl. Auch die kürzlich erschienenen Videos, unter anderem zur Single Restless Year zeigen sich dementsprechend offenherzig und beinahe schon überzogen-ironisch. Gut so. Halbwegs streng jüdisch im Chicago der 80er Jahre erzogen, verschlägt es Ezra jetzt immer öfter nach San Francisco.
Seine Lebens (und Leidens-) geschichte klingt eigentlich wie die emanzipierte Version eines Jane Austen-Romans, nur, dass im Mittelpunkt ein junger Mann steht. Keine Emma also, sondern Ezra. Er spricht in Interviews offen darüber, dass es Punkte in seinem Leben gab, an denen er nicht wusste, wie und ob weitermachen. Als er sich zu sexueller Offenheit bekannt und beschlossen hat, auf Statements anderer getrost zu pfeifen, ist es bergauf gegangen. Auch mit der Musik. Zumindest hat sich sein Blick auf die Welt geändert, immer noch schaut er den Abgründen ins Auge, schmettert aber gekonnt-sarkastisch seine Meinung dazu, ganz à la „I was born this way/ I’ll die this way“ (Haunted Head).
So besingt Ezra Furman auf seinem neuen Album, das er titelgebend den Menschen gewidmet hat, die in steter Bewegung und nicht zu binden sind, sehr wohl die Abgründe des menschlichen Daseins, auch wenn sich das häufig hinter dem netten Shubidu- und Doo-Wop-Geträllere zu verstecken meint.
„Death/ Is my former employer / Death / Is my own Tom Sawyer / Death / Waits form e to destroy her / I never want to die and I never grow older“ – der Tod und Huck Finn, was für ein Duo. Das sind schlichtweg Sätze, die man sich ganz gerne sofort ins schlaue Notizbuch schreiben will. Ezra Furman bündelt mit seinen neuen Stücken eine ganz andere Art von Rastlosigkeit, die man zwar ansatzweise schon aus früheren Alben kennt, doch so offenkundig noch nicht wahrgenommen hat. Losgesagt von den Harpoons, mit denen er zuerst, noch zu Collegezeiten, aufgenommen hat, begleiten ihn jetzt The Boyfriends, seine Backing Band, die ihm auch in der Umsetzung seines geliebten Doo-Wop Pate steht. Es könnte leicht überzogen, ja beinahe lächerlich klingen, diese dann von ihm so charmant eingesetzte und neu-interpretierte, schon fast vergessene Stilrichtung. Abgemischt mit Folk, Pop und klassischem Rock’n‘Roll gelingt Ezra Furman eine erfrischende Mischung, die mitreißen muss. Schöner als bei Lousy Connection hat das nie geklungen.
Ab und zu stutzt man vielleicht, checkt noch einmal kurz, ob man nicht auf die One-Song-Repeat-Taste gedrückt hat. Viele Songs verschwimmen auf dieser Platte zu einem großen, sagen wir das ohne negative Vorbelastung, Brei, der nicht immer leicht ausdifferenzieren ist. Auch wenn natürlich die flotten Stücke den entschlossen melancholischen Balladen die Staffel weiterreichen, ist das Album unbedingt als Ganzes zu verstehen, das auch nur so erreicht, was es will. Nämlich die beschwingte Unterhaltung für die, die nicht verstehen, worum es Ezra Furman mit seiner Musik mittlerweile geht. Den Lippenstift trägt er – jedenfalls nicht nur – deshalb, weil ihm die rote Farbpalette so gut steht (sie steht ihm sehr gut). Natürlich hat die Genderdebatte auch vor der Musikindustrie nicht halt gemacht, politisches Statement nicht my ass, ganz im Gegenteil.
Ezra Furman betont die Identitätslosigkeit seiner Generation, junger Leute, die dahin treiben, ohne sich einordnen zu können – oder zu wollen. Die Underdogs könnte man sagen, so, wie er selbst immer einer war und es auch jetzt noch ist. Nur, dass er gelernt hat, seine Kreativität für sich arbeiten zu lassen. Eigentlich hat er völlig Recht damit. Vergangenheit abgeschüttelt, Zukunft ungewiss. Ezra Furman ist im Geiste einen Sprung voraus, tarnt dies aber mit oft vielleicht naiv-lapidar entworfenen Stücken, die so einfach klingen wie sie im Endeffekt komplex interpretiert werden müssen.
Sätze wie: I’ve got a bright future in music as long as I never find true happiness (Watch you go by) müssen Herzen brechen. Bitter, bittersüß.
Ezra Furman – Perpetual Motion People, Pias Coop / Bella Union, ezrafurman.com
Autor
Lisa SchneiderAufgabenbereich selbst definiert als: Groupie, nichtsdestotrotz. Findet „Schrecklich amüsant aber in Zukunft ohne mich“ (David Foster Wallace) immer wieder treffend.
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