Michael Brückner
Den Rücktritt des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, als einen »marktbewegenden Vorgang« zu bezeichnen, wäre sicher eine bizarre Untertreibung. Die plötzliche Demission des deutschen Notenbankers schickte von einer Minute auf die andere die Weltbörsen auf Talfahrt und beendete vorerst alle Hoffnungen, die Märkte könnten sich nach den heftigen Einbußen der vergangenen Wochen zumindest leicht erholen.Wenn der Chefvolkswirt einer der wichtigsten Zentralbanken der Welt offenkundig im Streit mit seinen Kollegen das Handtuch wirft, ist dies allemal höchst alarmierend. Doch sonderbar: Schon im Laufe des Wochenendes spielte das Thema für die Mainstream-Medien keine bedeutende Rolle mehr.Wer nach den Gründen des starken Abgangs fragt, braucht nur den Aufsatz des scheidenden EZB-Chefvolkswirts zu lesen, der wenige Tage zuvor im Handelsblatt erschienen war. Jürgen Stark schrieb darin über massive »Tragfähigkeitsrisiken in den Haushalten«, die Wachstum und Stabilität gefährdeten. Was im Klartext heißt: Wohlstand und Ersparnisse stehen auf dem Spiel, weil die Staaten unkontrollierbare Schuldentürme aufgebaut haben. Kann es verwundern, dass Jürgen Stark wenige Stunden nach dem enttäuschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts und wenige Tage vor der Abstimmung des Bundestags über den Eurorettungsschirm zurücktrat? Sicher nicht, vielleicht ist es sogar ein letzter Appell an die Abgeordneten. Stark hätte den »Karlsruher Weg« gehen können, sprich: Trotz schwerer Bedenken gegen den Ankauf von Staatsanleihen aus Pleitestaaten und evidenter Vertragsverstöße im Zusammenhang mit der angeblichen Euro-Rettung wäre ihm die Möglichkeit geblieben, einfach den Gestaltungswillen der Politik und die Flexibilität seines Chefs Jean-Claude Trichet zu akzeptieren. Er tat es nicht – und handelte somit verantwortungsbewusster und konsequenter als die Karlsruher Verfassungsrichter einige Tage zuvor. Stark mochte nicht mehr länger Chefvolkswirt einer »Bad Bank« sein.Wenige Tage vor seinem Rücktritt hatte Stark im österreichischen Alpbach für Aufsehen gesorgt, als er im Zusammenhang mit der Euro-Krise den Nobelpreisträger Milton Friedman zitierte: »Eine Regierungslösung für ein Problem ist in der Regel so schlecht wie das Problem selbst«. An dieser Regierungslösung (oder an dem, was man als Lösung bezeichnet) ist sein designierter Nachfolger wesentlich beteiligt.
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Den Rücktritt des Chefvolkswirts der Europäischen Zentralbank (EZB), Jürgen Stark, als einen »marktbewegenden Vorgang« zu bezeichnen, wäre sicher eine bizarre Untertreibung. Die plötzliche Demission des deutschen Notenbankers schickte von einer Minute auf die andere die Weltbörsen auf Talfahrt und beendete vorerst alle Hoffnungen, die Märkte könnten sich nach den heftigen Einbußen der vergangenen Wochen zumindest leicht erholen.Wenn der Chefvolkswirt einer der wichtigsten Zentralbanken der Welt offenkundig im Streit mit seinen Kollegen das Handtuch wirft, ist dies allemal höchst alarmierend. Doch sonderbar: Schon im Laufe des Wochenendes spielte das Thema für die Mainstream-Medien keine bedeutende Rolle mehr.Wer nach den Gründen des starken Abgangs fragt, braucht nur den Aufsatz des scheidenden EZB-Chefvolkswirts zu lesen, der wenige Tage zuvor im Handelsblatt erschienen war. Jürgen Stark schrieb darin über massive »Tragfähigkeitsrisiken in den Haushalten«, die Wachstum und Stabilität gefährdeten. Was im Klartext heißt: Wohlstand und Ersparnisse stehen auf dem Spiel, weil die Staaten unkontrollierbare Schuldentürme aufgebaut haben. Kann es verwundern, dass Jürgen Stark wenige Stunden nach dem enttäuschenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts und wenige Tage vor der Abstimmung des Bundestags über den Eurorettungsschirm zurücktrat? Sicher nicht, vielleicht ist es sogar ein letzter Appell an die Abgeordneten. Stark hätte den »Karlsruher Weg« gehen können, sprich: Trotz schwerer Bedenken gegen den Ankauf von Staatsanleihen aus Pleitestaaten und evidenter Vertragsverstöße im Zusammenhang mit der angeblichen Euro-Rettung wäre ihm die Möglichkeit geblieben, einfach den Gestaltungswillen der Politik und die Flexibilität seines Chefs Jean-Claude Trichet zu akzeptieren. Er tat es nicht – und handelte somit verantwortungsbewusster und konsequenter als die Karlsruher Verfassungsrichter einige Tage zuvor. Stark mochte nicht mehr länger Chefvolkswirt einer »Bad Bank« sein.Wenige Tage vor seinem Rücktritt hatte Stark im österreichischen Alpbach für Aufsehen gesorgt, als er im Zusammenhang mit der Euro-Krise den Nobelpreisträger Milton Friedman zitierte: »Eine Regierungslösung für ein Problem ist in der Regel so schlecht wie das Problem selbst«. An dieser Regierungslösung (oder an dem, was man als Lösung bezeichnet) ist sein designierter Nachfolger wesentlich beteiligt.
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