Die deutsche Industrie profitierte jahrelang vom Euro – die Folge sind Schuldenberge im Süden.
Deutschland hat massiv dazu beigetragen, dass Euro-Länder vor allem in Südeuropa in eine Schuldenkrise geraten sind. In konservativen Kreisen wird gegen eine solidarische Reaktion Stimmung gemacht.
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Die öffentliche Debatte über die Zukunft der europäischen Gemeinschaftswährung gewinnt innerhalb der deutschen Öffentlichkeit an Dynamik. Inzwischen stellen auch namhafte konservative Zeitungen den Euro in einzelnen Beiträgen offen infrage. »Deutschland zahlt, Europa kassiert«, betitelte die »Welt« einen Artikel, in dem vor einer »Transferunion« gewarnt wird, bei der die Bundesrepublik zum »Zahlmeister« der EU würde. Die »FAZ« klagte in einem Kommentar, Deutschland sei bei der Wiedervereinigung in die Eurozone regelrecht genötigt worden. Der Chefredakteur der »Wirtschaftswoche«, Roland Tichy, fordert die Einführung von »zwei Euro für Europa«. Unterstützt von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) stellte kürzlich auch der ehemalige Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Hans Olaf Henkel, sein neues Buch vor, in dem er für die Aufspaltung der Eurozone in eine Nord- und eine Südgruppe wirbt. Es werden auch Stimmen laut, die für den Ausschluss einzelner hochverschuldeter südeuropäischer Länder aus der Eurozone plädieren.
Die wirtschaftliche Realität ist für Deutschlands dominierende Exportindustrie aber immer noch höchst einträglich. Die Europäische Union nimmt gut zwei Drittel der deutschen Exporte auf. Obwohl »nur« 40 Prozent der Exporte der BRD in die Eurozone gehen, erwirtschaften deutsche Konzerne hier nahezu zwei Drittel der Außenhandelsüberschüsse. Seit Einführung des Euro 2002 konnte die Bundesrepublik bis zum zweiten Quartal 2010 einen gigantischen Leistungsbilanzüberschuss von 672,1 Milliarden Euro gegenüber den Euro-Ländern erzielen. Bei der Eurozone handelt es sich also bereits um eine »Transferunion« – zugunsten der deutschen Exportindustrie. Ermöglicht wurde dieser riesige Vermögenstransfer zugunsten des deutschen Kapitals einerseits durch den Euro, da dieser den südeuropäischen Mitgliedern der Eurozone die Möglichkeit nahm, mittels Währungsabwertungen ihre eigene Konkurrenzfähigkeit zumindest ansatzweise wiederherzustellen. Andererseits sorgte die mit der Einführung der Hartz-IV-Arbeitsgesetze nahezu zeitgleich durchgesetzte Verelendungsstrategie in der BRD dafür, dass die deutsche Exportindustrie ihre Konkurrenzfähigkeit dank fallender Reallöhne und somit sinkender Lohnstückkosten sukzessive ausbauen konnte.
Die größten Exportüberschüsse konnte die deutsche Industrie gegenüber den südeuropäischen Staaten erzielen, die darauf mit ausartender Verschuldung reagierten. Die Exportweltmeisterschaft wurde also durch die wachsenden Schuldenberge Südeuropas wie auch durch die fallenden Reallöhne in Deutschland erkauft. Laut dem Statistischen Bundesamt betrug der Exportüberschuss allein gegenüber Spanien im Jahr 2007 – also vor der Krise – 26,9 Milliarden Euro, bei einem Gesamtexportvolumen von 47,6 Milliarden. Beim Italien-Handel erzielte Deutschlands Exportindustrie im gleichen Jahr einen Überschuss von 19,8 Milliarden Euro, in Portugal waren es 4,2 Milliarden, in Griechenland 5,8 Milliarden. Bis zum Jahr 2009 sind diese Überschüsse gegenüber diesen Ländern krisenbedingt massiv gesunken – zwischen 30 und 50 Prozent.
Laut den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes bildet die Eurozone auch bei der jüngsten deutschen Exportoffensive das Schlusslicht.
Das Beispiel Griechenlands illustriert, was aus den südeuropäischen Absatzmärkten Deutschlands nach einer Inanspruchnahme der EU-Finanzhilfen wird. Aufgrund der damit einhergehenden drakonischen Sparmaßnahmen sanken die deutschen Ausfuhren nach Griechenland zwischen Januar und September um 14 Prozent, während die Exportüberschüsse sogar um 30 Prozent einbrachen.
Für die exportfixierte deutsche Industrie sind die hoch verschuldeten südeuropäischen Volkswirtschaften jetzt quasi »ausgebrannt«. Jahrelang konnten sie nur aufgrund beständig steigender Neuverschuldung die deutschen Exportüberschüsse aufnehmen. Nun, da die Schuldenberge zu groß geworden sind, sollen sie möglichst kostenschonend aus dem gemeinsamen Währungsverbund entsorgt werden. Im konservativen Teil der veröffentlichten Meinung Deutschlands wird daher de facto eine Abwägung betrieben zwischen den zunehmenden Kosten zur Aufrechterhaltung der Eurozone und den schwindenden Exportvorteilen, die diese Währungsunion Deutschlands Konzernen bietet. Wie formulierte es die »FAZ« so schön: »Die Frage, was der Erhalt des Euro kosten darf, ist zu einer der schwierigsten Güterabwägungen geworden, die je eine Bundesregierung zu treffen hatte.«