Neues Deutschland, 10.07.2013
Die Ausfuhren aus Deutschland sind im Mai rapide gesunken / China ist kein sicheres Abnahmeland
Deutschland konnte die Exporteinbrüche in der Eurozone durch eine rasche Expansion in Fernost und in Schwellenländern überkompensieren. Angesichts der jüngsten Krisenschübe stößt diese Strategie an ihre Grenzen.
Die deutsche Exportwirtschaft hat sich viel vorgenommen in China. Der Fahrzeughersteller Daimler will etwa rund die Hälfte der Neuauflage seiner Nobelkarossen der S-Klasse, deren Jahresproduktion auf rund 100 000 Pkw geschätzt wird, in der Volksrepublik absetzen. Prognosen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zufolge soll China bis 2023 Frankreich als wichtigsten deutschen Exportmarkt ablösen. In 20 Jahren soll die Bundesrepublik sogar mehr Waren nach Asien liefern als in die gesamte Eurozone.
Die deutsche Wirtschaft braucht die Expansion nach China, denn ihr Export schwächelt aufgrund der Eurokrise. Wie das statistische Bundesamt am Montag mitteilte, sank der Wert der Ausfuhren im Mai im Vergleich zum Vormonat um 2,4 Prozent. Verglichen mit Mai 2012 war dies ein Rückgang um 4,8 Prozent. Aber auch die Ausfuhren in Nicht-EU-Länder sanken im Vergleich zum Mai 2012 um 1,6 Prozent.
So scheinen sich die Prognosen des DIHK als reines Wunschdenken zu entpuppen. Dabei ist es nicht nur die andauernde Konjunkturabkühlung in China, bei der die diesjährige Wachstumsvorgabe
der chinesischen Staatsführung von 7,5 Prozent unterschritten werden könnte, die die Wirtschaftsaussichten schmälert. Es sind vor allem die jüngsten Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die durch ein drohendes Ende der lockeren Geldpolitik der VR ausgelöst wurden. Diese Geldschwemme Pekings hat maßgeblich zum Boom des Landes beigetragen, doch zugleich hat sie das Risiko eines Crashs nach US-amerikanischem Vorbild ansteigen lassen.
Eins solche »harte Landung« der chinesischen Volkswirtschaft würde der deutschen Exportstrategie einen schweren Schlag versetzen. Bislang gelang es der BRD, die Absatzrückgänge in der Eurozone durch einen massiven Anstieg der Ausfuhren in andere Länder zu kompensieren. So ist der Anteil der Eurozone an den deutschen Exporten von 43,8 Prozent im Jahr 2007 auf 37,5 Prozent 2012 gesunken, während die Ausfuhren in Länder außerhalb der EU von 35,4 Prozent (2007) auf 43 Prozent im vergangenen Jahr hochschnellten.
Diese erfolgreiche Neujustierung der deutschen Exportdampfwalze ermöglichte überhaupt erst das drakonische Spardiktat, das Berlin der Eurozone auferlegte. Es brachte schlicht keine Nachteile für Deutschlands Exporteure mit sich. Die rezessionsbedingten Rückgänge im Euroraum von 2,1 Prozent in 2012 wurden durch die um 8,8 Prozent anschwellenden Exporte außerhalb Europas kompensiert. Dabei beförderte die Eurokrise diese Exporterfolge noch zusätzlich, da sie zu einer Abwertung des Euro führte, wodurch deutsche Waren verbilligt wurden.
Doch mit dem nun einsetzenden Abschwung in China wird die Fokussierung der deutschen Industrie auf dieses Land an ihre Grenzen stoßen. Dabei war es nicht zuletzt der deutsche Austeritätskurs in Europa, der zur Konjunkturabkühlung in China beitrug. Die erlahmende Produktion in Fernost ist vor allem auf Rückgänge beim Exportgeschäft zurückzuführen: Allein im vergangenen März sanken die chinesischen Ausfuhren in die EU um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr; im Mai waren es 9,7 Prozent.