Keine Milchmädchenrechnung ist zu simpel, kein logischer Knick zu peinlich als dass sie in der laufenden Demokratieabschaffungsdebatte nicht zum Argument für den Euro taugen könnten.
Ein Robert von Heusinger schafft in der Frankfurter Rundschau das Kunststück, in einem Text anklagend festzustellen, dass alle immer nur fragen würden, was denn der Euro Deutschland bringe. dabei sei es doch so viel wichtiger, die europäische Einheit und die Solidarität und so weiter, wie früher, ihr wisst schon.
Nachfolgend führt der Autor dann allerdings aus, wie toll der Euro Deutschland nütze und was er alles Feines bringe. Hier, wenigstens hier in den Spalten des dauerdefizitären Kleinblattes aus Hessen ist der Grieche nicht schuld daran, dass es ihm über Jahre besser ging, als es ihm hätte gehen dürfen. Nein, hier ist die Welt noch in Ordnung und in der „gerade herrschenden Debatte um Griechenland“ wird „Gezeter“ genannt, was „nationalistische Untertöne“ hat. Denn Schuld, seien wir ehrlich, ist doch der Deutsche! Schuld ist das „großkotzige Verhalten unserer Abgeordneten, Beamten und Minister“, schuld sind alle die, „die meinen, die Bewohner Griechenlands als dumm, unsolide und faul hinstellen zu dürfen“!
Das sind sie nicht, das waren sie nie. Nur das Taktieren der Kanzlerin, nicht die Unfähigkeit der griechischen Politiker, ihre Rechnungen zu bezahlen, „hat die Zinssätze der Hellenen so weit nach oben“ getrieben. Das, schreibt der offenbar in einer Welt fern von dieser lebende Autor, offenbare „ein unvorstellbares Maß an Verantwortungslosigkeit Euroland gegenüber“.
Eine Schimpfkanonade folgt, bei der ein Stück Unflat das andere gibt. Wo keine Argumente sind und die Fakten fehlen, muss es eben so gehen: „Borniertheit“, „Unfähigkeit zu reflektieren“. Am Ende steht, klar, wer war denn fünfmal zahlungsunfähig in den vergangenen 160 Jahren? Natürlich: „Das Problem des Euro ist weniger Griechenland als der vermeintliche Musterknabe Deutschland“.
Geht doch raus aus dem Euro!, ruft die FR den "Neo-Nationalisten" zu, die behaupten, ein Volk, eine Nation, ein Land sei irgendwie, ja, doch, irgendwie für sich selbst verantwortlich. Ist sie nicht! Der Vorschlag aus Frankfurt: Deutschland führt die D-Mark wieder ein und überlässt Frankreich die Führung der Rest-Eurozone, dann baden die "Neo-Nationalisten" im "Selbstwertgefühl der Überlegenheit" (alle Zitate FR).
Aber nur kurz. Denn die unausbleibliche "Aufwertung der D-Mark um rund 30 Prozent gegenüber dem Rest-Euro" würde nach Ansicht des selbsternannten Experten nun zwar Griechenland retten - wie auch immer das gerechnet ist bei 192 Prozent Staatsverschuldung und einem Haushaltsdefizit in zweistelliger Höhe. Aber Deutschland würde nun vernichtet! Frankreich, Italien, Belgien, Holland und die Slowakei hätten nämlich nun "enorme Wettbewerbsvorteile auf den Weltmärkten", weshalb es der Schweiz und Schweden wohl heute schon so hundsmiserabel geht.
Ein Traum aus Frankfurt: "Rest-Euroland stünde vor einem wahren Exportboom und könnte endlich von Deutschland befreit wachsen." Rest-Euroland ständen gute Jahre ins Haus, während die selbstwertgefühligen National-Deutschen mit ihrer neuen D-Mark vor dem "Scherbenhaufen ihrer Stabilität" ständen. Die Exporte brechen ein. "Was Frankreich und Co. zusätzlich exportierten, setzten die hiesigen Firmen weniger ab." All die BMW, die Werkzeugmaschinen, die Fertigungsstrecken, das "Made in germany2 - es käme jetzt aus Italien, Spanien und Portugal! "So einfach ist das", schreibt Robert von Heusinger.
Nein, das darf nicht sein, sagt auch der Spiegel. Egal, was es kostet, Geld, Selbstbestimmung, Grundrechte, die Demokratie - das "Projekt Euro" ist es wert. Raushalten wie bisher, wo Deutschland eine runde Billiarde gab an Garantien und Rettungsgeldern, "ist keine Option mehr". Von Asien oder Amerika aus betrachtet, verschwämmen die Unterschiede doch ohnehin längst, warum denn nicht von Schwedt, Wuppertal oder Unterhaching aus?
Deshalb sei es in deutschem Interesse, die lebensbedrohlichen Probleme der Währungsunion möglichst schnell, aber natürlich gleich auch "nachhaltig" (Spiegel) zu lösen, empfiehlt Spiegel-Experte Stefan Kaiser. Dafür brauche es zwar leider "radikalere Schritte" als Deutschland bisher zu gehen bereit sei, weil sich nicht nur die Bundesregierung unter Angela Merkel, sondern auch ein großer Teil der Bevölkerung vehement dagegen wehre, dass Deutschland Macht und Geld abgebe, um den Euro zu retten.
Aber darauf mal gepfiffen! Der Kaiser spricht und legt fest: "Ohne eine Wirtschaftsregierung und eine wirkliche Fiskalunion wird der Euro auf Dauer wohl nicht überleben." Wer den Euro retten wolle, müsse folglich - Grundgesetz hin, Demokratie her - noch mehr nationale Macht abgeben und noch mehr gemeinschaftliche Entscheidungen akzeptieren. Am Ende werde auch der letzte Skeptiker einsehen müssen, "dass die Euro-Länder gemeinsam für ihre Schulden haften müssen" - der Hartz4-Empfänger in Grimma muss für den Gastwirt auf Korfu mitzahlen, der Student in Göttingen den Gürtel enger schnallen für den in Bedrängnis geratenen Immobilienhai in Silveria. Gerecht ist, was den Euro erhält. Wer das kritisiert, steht außerhalb des Konsens der wahren Europäer Kaiser und Heusinger.
So hätten sie es gern. So haben sie es fast geschafft.