Ein perfekter Zweitjahr-Kindergärtler mit der Überzeugung, ihm gehöre die Welt, und eine perfekte Mutter mit dem Anspruch, ihrer Familie als Leitwölfin (s. das neue Buch von Jesper Juul!) vorzustehen – diese Kombi führt in unserer Familie ab und an zu Meinungsverschiedenheiten.
Ach was! Zu heftigen und lauten Zusammenstössen!
Einer davon lief besonders heftig ab, mit einer Mutter, die ihren (vorerst noch) überlegen lächelnden Sohn packte, dorthin schleifte, wo sie ihn haben wollte, und anschliessend türeschletzend und mit Tränen in den Augen im Schlafzimmer verschwand.
Später näherten sie sich wieder an, und beim zweiten Friedensangebot des Sohnes zeigte sich die Mutter bereit, es anzunehmen.
“Jetzt muss ich aber doch noch etwas wissen”, hob der Sohn nach einer Weile vorsichtig an, um anschliessend vorwurfsvoll zu fragen: “Warum hast du mich gekratzt?!”
“Weil ich wütend war auf dich. Dieser Tonfall von vorhin, der macht mich so wütend!”
“Aber Mami”, sagte unser familieninterner Streitexperte sanft, “dann muss man doch miteinander reden! Dann musst du mir halt sagen, dass du wütend bist und nicht einfach kratzen.”
Ich weiss nicht, wie es euch geht, wenn ihr das lest. Könnt ihr nachvollziehen, dass ich hin- und hergerissen war zwischen gleich noch einmal ausflippen und laut loslachen? Nun, ich schluckte beides hinunter und sagte ebenso sanft:
“Mein lieber Sohn, das ist eine gute Idee. Das mache ich das nächste Mal so, wenn wir Streit haben miteinander.”
Ja. Die Theorie haben sie beide verstanden, die Leitwölfin und der Weltbeherrscher. Die Praxis üben sie noch. Immer wieder.