Das Saxfest 2014 lud am 4. März in die Alte Schmiede zu einem Konzert mit dem Titel DuoCecilia Elettrica / Duo Saxophonic.
Damit waren kurz und bündig die beiden Formationen genannt, die diesen Abend im tiefen Keller vor so zahlreichem Publikum absolvierten, dass zu den Plätzen im Saal selbst noch jede Menge Stühle im Vorraum aufgestellt werden mussten. Und das bei einem Programm mit hohem Anspruch. Den ersten Teil absolvierten Enzo Filippetti am Saxophon und Giorgio Nottoli, der die Live-Elektronik bediente. Das aus Rom stammende Duo Cecilia Elettrica hatte drei Stücke im Gepäck. Michelangelo Lupone „In Sordina“ (2011–2013), Eric Chasalow „Are you radioactive, Pal?“ (2010), sowie Giorgio Nottoli „Trama Filante” (2012). Das bedeutete, das keines der Werke älter als etwas mehr als drei Jahre war. Das erste Stück charakterisierte sich durch ein von Beginn an langsames, stetiges jedoch unrhythmisches Ansteigen der Tonlinie, die mit einer elektronischen Einspielung ergänzt wurde. Auf diese setzten sich einzelne, kleine Arabesken, wie eingestreut. Scharfe Dissonanzen dazwischen, nicht breiter als in Sekunden angesetzt, ergaben markige Einschnitte. Zum Einsatz kam dabei ein sogenannter „WindBack“, ein elektronisches Vehikel, vom Komponisten selbst entworfen. Ganz kontrastreich dazu präsentierte sich Chasalows „Are you radioactive, Pal“, ein Werk, das einer wesentlich rascheren Dynamik folgte und nicht nur jede Menge elektronischer Einspielungen – bis hin zu Wortfetzen, wie dem Titel – bereithielt, sondern auch einen anspruchsvollen Sax-Part, mit herausfordernden Läufen. Eine schöne Überleitung zum zweiten Teil des Abends bot schließlich das dritte Stück von Giorgio Nottoli. Ein breiter, beinahe unheimlicher Klangraum, der von der Elektronik bereitgestellt wurde, ermöglichte es der Saxophonstimme, sich davon mit einer eigenen Tonreihe markant abzuheben. Das unheimliche elektronische Volumen, in dem Einsprengsel von Glockenspielen und Bläsern zu hören waren, ließ das Saxophon wie verloren in einem großen Universum erscheinen. Das Anschwellen zu einer bedrohlichen Klangmasse ließ unversehens ein richtiges Kopfkino zu, das abrupt beendet wurde.
Das Duo Saxophonic war in der Alten Schmiede anlässlich des Saxfestivals in Wien zu hören.
In einem ähnlichen emotionalen Raum zeigte sich das erste Stück von Jorge Sanchez-Chiong, „Neues Werk“ für zwei Altsaxophone (von einer Person gespielt) und Elektronik, welches er mit Lars Mlekusch zur Aufführung brachte. Dabei bot sich die schöne Gelegenheit, den Komponisten selbst an den Turntables zu beobachten, eine wunderbare Gelegenheit, auch optisch in seine Musik einzutauchen. Eine ruhige Spannung, die sich beinahe unspektakulär aufbaute, evozierte dennoch gleich von Beginn an durch einzelne Schläge, die sich im Laufe der Zeit sowohl von ihrem Klangbild als auch ihrer Abfolge her änderten, eine unheimliche Stimmung. Die dynamische Steigerung wurde, wie im Werk zuvor, ebenfalls mit einem unvermittelten Schluss beendet. Mit „Improvisation „The Inner Voice of the Saxophone“ des Duos Saxophonic, bestehend aus Sanchez-Chiong und Mlekusch, erzeugten die Musiker eine enorme klangliche Bandbreite. Vor allem, was das Saxophon selbst betraf. Mlekusch entlockte ihm wahrlich organische Töne und brachte es dabei zum Atmen. Aber auch solche, die sich klanglich so weit entfernten, dass man diese einem Saxophon gar nicht mehr zuordnen würde. Mit Wind- und Herzklopfgeräuschen endete die dichte Improvisation, welche die beiden Musiker als perfektes Duo zeigten. Mit „Wrestling Samoa“ (2013) von Jorge Sanchez-Chiong wurde dem Abend ein klanglicher Höhepunkt aufgesetzt. Die Version für Saxophon, Turntables und Elektronik, die an diesem Abend uraufgeführt wurde, brachte eine wilde, geballte Kraft zum Vorschein. Ein Schmatzen und eine langanhaltende Partie in einer Tonlage des Saxophons gingen in ein heftiges, abermals bedrohliches Grundwabern über, das sich wieder zu einer pulsierenden Kraft zusammenballte. Bei diesem Stück war der Einsatz beider Musiker ungemein interessant zu beobachten. Wer glaubt, dass die Bedienung von Turntables nichts mit emotionalem-musikalischem Ausdruck zu tun hat, wurde eines Besseren belehrt. So wie der Komponist sich mit Herzblut an den Maschinen gebiert, scheinen sie mit ihm irgendwie verwachsen zu sein. Dass dabei jede Menge totes, aufgezeichnetes Klangmaterial verstärkt wird, scheint man beim Beobachten einfach zu vergessen. Da wurde, auch mit Hilfe von Florian Bogner, der für die Live-Elektronik verantwortlich zeichnete, gepocht und gehämmert, Stimmen eingespielt und Musikschnipsel vom Stapel gelassen was das Zeug hielt. Schließlich aber noch dem Saxophon eine eigene Melodie gegönnt und der Bass aufgedreht, dass er sich im eigenen Solarplexus wunderbar anfühlte. Ein beruhigter Schluss mit leisem Rauschen trug dazu bei, dass das Publikum anschließend frenetisch applaudierte.
Das Interessante des Abends waren die Verwandtschaften einzelner Werke untereinander, die über Grenzen hinweg entstanden sind und das Bemühen, dem Saxophon eine wesentlich erweiterte Klangrolle zukommen zu lassen als bisher. Wer meint, dass experimentelle Klänge nicht anzuhören seien und keine Anhänger finden, hätte an diesem Abend dabei sein sollen.
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Chasalow Are you radioactive, Pal? (Soundcloud)