Ewige Jugend

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Ewige Jugend

7Drama

Zwei alte Männer, die sich zwischen Leben und Sterben über ihren Harn und andere Dringlichkeiten unterhalten? Klingt vielleicht nicht so einladend, ist aber zumindest erstaunlich schön anzusehen.

Ein Rückzugsort voll von Lebensmut und –müdigkeit, als das könnte man das Luxuskurhotel in den Schweizer Alpen bezeichnen, das hier als filmischer Flucht- und Treffpunkt der Reichen und (ehemals) Schönen dient. Zu den illustren Gästen zählen der Komponist im Ruhestand (Michael Caine) mit seiner Assistentin und Tochter (Rachel Weisz), der mit ihm befreundete Regisseur (Harvey Keitel) und andere Berühmtheiten. Während Letzterer mit Feuer und Flamme an seinem neuesten Filmprojekt arbeitet, das gleichzeitig sein großes Vermächtnis werden soll, verbringt Ersterer seine Tage in Gleichgültigkeit. Erst das Angebot, ein großes Konzert für die britische Königin zu geben, zwingt den Maestro nach und nach aus seiner Apathie.

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Eines steht fest: Paolo Sorrentino (La Grande Bellezza, Cheyenne – This Must Be the Place) versteht sein Handwerk. Die Bild- und Stimmgewalt seines Filmes ist zum Niederknien schön. Mal sprunghaft, mal in sanften Übergängen, erfolgen die Wechsel vom großen Panorama zur intimen Nahaufnahme, von sinfonischer Stimmgewalt zu gemächlichem Kuhglockengeläut, und all das immer im Einklang mit der ruhigen, unaufgeregten Erzählweise. Als ebenso traumtänzerisch wie nüchtern könnte man den Film beschreiben. Die Kamera lustwandelt gleichermaßen genüsslich über pittoreske Umgebungen und schöne Fassaden wie über gebrechliche Körper und zerbrechliche Beziehungen. Das Panorama der dabei gezeigten Charaktere, Empfindungen, Befindlichkeiten ist ein breites, das nur Ausschnitte erlaubt, aus diesen aber ein dichtes Geflecht an Menschlichkeiten webt, das manchmal für komische, selten für tieftraurige und oft für nachdenkliche Momente sorgt. Die Kuranstalt als klinisch anmutende Petrischale ist ein gut gewähltes Versuchsbecken für das Aufeinandertreffen der verschiedenen Existenzen. In der Nähe liegt die Ferne, in der Vergangenheit die Zukunft.

Viel Zeit nimmt sich der Film für die Inszenierung von Körperlichkeit. Körper werden in allen Formen, Größen und Altersklassen abgebildet, wobei die Korrelation bzw. die Diskrepanz von körperlicher Jugend mit geistigem Alter und umgekehrt eine große Rolle spielt. Anstatt Banalitäten heraufzubeschwören, im Duktus von „man ist so jung, wie man sich fühlt“ oder „ein gesunder Geist wohnt in einem gesunden Körper“, werden hier augenzwinkernd Alterserscheinungen in den Blick genommen, genauso wie selbstgewählte Gefängnisse und auferlegte Befangenheiten. Ewige Jugend ist ein Film voller Betrachtungen, Introspektiven, Auslotungen von Beziehungen, der seinen DarstellerInnen dabei so nahe auf den Pelz rückt, dass Fehltritte unübersehbar sind. Glücklicherweise werden die Rollen durchwegs von Kapazundern ihres Faches getragen, die die Herausforderungen eines dermaßen text- und bildlastigen Unternehmens mit Bravour stemmen.

Selbst diese schauspielerischen Leistungen können allerdings nicht über die Schönheitsfehler hinwegtäuschen, die der Film vor allem im Kern mitbringt. Angefangen bei einigen doch etwas zu gewollt und artifiziell erscheinenden Einstellungen und Dialogpassagen, die den Film zwischendurch seiner Authentizität berauben und ihm dem, ohnehin immer im Hintergrund lauernden, Pathos preisgeben, bis hin zu seiner vermeintlichen Tiefsinnigkeit. Denn in klaren Momenten kann es vorkommen, dass man sich als Betrachter fragt, ob der Teich, in den man hier blickt, wirklich so tief ist, wie man glaubt, oder ob die Spiegelung der eigenen Interpretationen nicht doch weiter reicht, als das stille Gewässer tatsächlich fassen kann. Dann wird man aber schon wieder vom nächsten schönen Panorama mitgerissen.

Der große Wurf ist Ewige Jugend auf inhaltlicher Ebene also nicht, wer schöne Bild-Ton-Kompositionen und unaufgeregt-glänzendes Schauspiel zu schätzen weiß und nicht total kitsch-resistent ist, darf hier aber ruhig innehalten.

Regie und Drehbuch: Paolo Sorrentino, Darsteller: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda, Ed Stoppard, Filmlänge: 118 Minuten, Kinostart: 27.11.2015, www.filmladen.at/ewige.jugend


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Autor

Karin Gasch

Aufgabenbereich selbst definiert als: Zwielichtaufsuchende mit Twilight-Phobie. Findet "Ours is a culture and a time immensely rich in trash as it is in treasures" (Ray Bradbury) zeitlos zutreffend.


 
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