Ewan McGregor geht “Lachsfischen im Jemen”

Von Denis Sasse @filmtogo

© Concorde / Dr. Albert Jones (Ewan McGregor) und Harriet Chetwode-Talbot (Emily Blunt) im Jemen

Es wirkt fast so, als habe der schwedische Filmemacher Lasse Hallström den berühmten Indiana Jones im Ruhestand zeigen wollen. Wie sonst könnte man es sich erklären, dass Ewan McGregor in dem neuen Film des Regisseurs „Lachfischen im Jemen“ unablässig „Dr. Jones“ genannt wird, seinen ihm vorgesetzten Abteilungsleiter als Nazi beschimpft und sich bei der Umsiedlung einer beachtlichen Anzahl von britischen Lachsen Sorgen um die Flutung der Bundeslade macht? Und wahrlich würde McGregor mit einer Brille auf der Nase als Universitätsprofessor Dr. Henry Jones durchgehen, ebenso wie er sich mit Fedora und Peitsche ins Abenteuer schwingen könnte. Bei Hallström, zu dessen Werken Filme wie „Chocolat“, „Hachiko“ und zuletzt die Nicholas Sparks-Verfilmung „Das Leuchten der Stille“ gehören, spielt er allerdings den biederen Dr. Alfred Jones.

Der ist weniger verwegen und eher ein mit dem Strom schwimmender Spießer, der nach seinen festen Regeln lebt. Alkohol unter der Woche ist tabu, nur am Wochenende gönnt er sich mal ein Schlückchen, aber auch dann nur nach 19 Uhr. So schrullig sein Leben auch organisiert ist, Dr. Jones gilt als internationale Größe in Sachen Lachs- und Forellenzucht. So wird auch Harriet Chetwode-Talbot (Emily Blunt) auf den verklemmten, britischen Fischerei-Experten aufmerksam. Ihr Auftraggeber, Scheich Muhammad Ibn Zaidi Bani Tihama (Amr Waked), ein Fliegenfischer aus dem Jemen, möchte zum Wohl seines Heimatlandes, nordeuropäische Lachse in ein zeitweilig ausgetrockneten Flusslauf ansiedeln. Hierbei soll ihn nun der britische Wissenschaftler unterstützen. Kosten spielen keine Rolle. Anfangs verwirft Dr. Jones die Idee als komplett unlösbar. Aber die gewiefte Patricia Maxwell (Kristin Scott Thomas), Pressesprecherin des englischen Premierministers, erfährt von dem aberwitzigen Vorhaben und erkennt sofort die Möglichkeit, die Medien von den aktuellen, äußerst unerfreulichen Nachrichten aus dem Nahen Osten abzulenken.

Ewan McGregor und Emily Blunt

Lasse Hallström schafft es aus diesem Mix von politischen Verhaltensweisen und Medienrummel, aber auch aus dem munteren Zusammenspiel seiner Hauptdarsteller und den persönlichen Schicksalen ihrer Figuren einen überzeugenden Film hervorzuholen, der mal tragisch, oftmals aber eher lustig daherkommt. Hierzu trägt Ewan McGregor einen großen Teil bei, der als eigenwilliger Ehemann und Fischexperte, das Bild einer Köcherfliege benutzen möchte um der YouTube-Generation den Spaß an seiner Arbeit zu vermitteln. Ohnehin scheint das auch der Film selbst zu versuchen. Lasse Hallström macht einen Schritt auf die Jugend zu, inszeniert das erste Kennenlernen von Dr. Jones und Miss Chetwode-Talbot per eMail, Beziehungen werden über das Schreiben von Kurznachrichten geführt und die politischen Unterredungen der Pressesprecherin Maxwell laufen meistens über einen Instant Messenger ab. Damit dürfte auch Generation YouTube im Lachsfischen-Boot sitzen. Hier findet sich dann auch Emily Blunts Harriet Chetwode-Talbot wieder, die – Gesetz der romantischen Komödie – das Gegenstück zu Dr. Jones bildet. Wo der Brite schnellen Sex mit seiner Ehefrau als langweilige Lustbefriedigung praktiziert, lernt der Zuschauer Miss Chetwode-Talbot beim wilden Liebesspiel mit einem Soldaten kennen, der kurze Zeit später leider in einem Afghanistan-Einsatz als verschollen gemeldet wird. Bühne frei für das knisternde Miteinander von Ewan McGregor und Emily Blunt, die sich in der ersten Hälfte von „Lachsfischen im Jemen“ verbale Schlagabtäusche mit trockenem Humor liefern, die an die Screwball-Komödien der 30er Jahre erinnern.

Die Dramatik entspringt dann weniger der fischlastigen Grundproblematik, sondern vielmehr den Rahmenbedingungen. So ist die Ehe von Dr. Jones schon lange nicht mehr das, was ihn zufrieden stellen könnte und das Verschwinden von Harriets Liebhaber in Afghanistan stürzt ihren Seelenzustand in ein tiefes Loch. Aber selbst hier bleibt der Film seiner komischen Linie treu. Während Harriet ihren Kummer mit einem Anrufbeantworter diskutiert, erfreut sich Dr. Jones der Anwesenheit seiner Kois (japanische Karpfen) im heimischen Zierteich. Nur zaghaft macht sich die Annäherung dieser beiden verzweifelten Menschen bemerkbar, die durch das „Was sich liebt, das neckt sich“-Motiv vorangetrieben werden. Das ändert sich in einer Szene mit Holzhammer-Symbolik, bei der Dr. Jones in einer Menschmasse seinen Arbeitsplatz verlässt, dann aber umdreht um – ähnlich wie seine Lachse – gegen den Strom zu schwimmen. Er eilt zu Harriet, die noch über der Vermissten-Meldung ihres Soldatenfreundes trauert, trinkt mit ihr Alkohol mitten in der Woche, redet mal nicht von seiner Arbeit und nennt sie sogar beim Vornamen, was zuvor ein sittliches Tabu gewesen zu sein scheint. Der Film entfernt sich hier von den meisten seiner zuvor praktizierten Spaßeinlagen und kümmert sich fortan mehr um die Beziehung zwischen Jones und Harriet. Dabei driftet Hallström aber nicht in ein melodramatisches Tränenmeer ab, sondern bleibt seinen schrulligen Figuren treu, hält einen gewissen Humor-Pegel aufrecht, spielt aber dennoch gekonnt mit den emotionalen Welten des Zuschauers, der sich das Miteinander der beiden Lachs-begeisterten Menschen wünschen wird, dann aber noch vor eine letzte Wand laufen darf, die den Seelenschmerz perfekt macht.

Kristen Scott Thomas

Ein weiteres entgegengesetztes Paar, welches sich auf der Leinwand weder verliebt, noch viele Szenen miteinander teilt, sind Scheich Muhammad und Pressesprecherin Maxwell. Der Scheich ist ein gläubiger Mann, handelt ruhig und besonnen und möchte nur das Beste für sein Volk. Dieses versteht aber nicht unbedingt, dass es ihm nicht zwangsläufig darum geht, der westlichen Welt ein Tor in ihr Land zu öffnen, so dass er mit seinem Vorhaben, Lachse in den Jemen einzuführen, Hass und Misstrauen hinauf beschwört. Bei einem Attentatsversuch, der zwar einen dramatischen Höhepunkt darstellt, aber immer noch mit viel Humor genommen wird, rettet Dr. Jones dem Scheich mit einem rechtshändigen Snake Roll-Angelwurf das Leben. Kristen Scott Thomas verkörpert das Gegenstück des Scheichs. Sie ist weniger auf das Wohlergehen ihres Volks aus, sondern viel eher auf das Wohlergehen des Premierministers, also eines einzelnen Mannes, für den sie eine positive Schlagzeile benötigt, da die nächsten Wahlen kurz bevor stehen. Die Schauspielerin, zuletzt in „Bel Ami“ zu sehen, spielt hier herrlich überzogen und wird zur Karikatur der britischen Politik gemacht. Sie ist skrupellos und berechnend, hat aber immensen Spaß dabei. Ganz nebenbei wird sie auch noch als Hausfrau und Mutter gezeigt, die Familie immer schweigend im Hintergrund, während ihre Zunge so schnell schnallt, dass man dem gesprochenen Wort kaum folgen kann.

Die Ruhe liegt derweil im fischen, mit der Angel in der Hand wird Geduld, Toleranz und große Demut gefordert, wie es Scheich Muhammad erklärt. Die Konzentration liegt allein auf dem Fisch, auf der Angel und auf dem Fluss. So entsteht ein weiterer Kontrast: die übermedialisierte Politik und das beschaulich schöne Anglerleben, welches von Kameramann Terry Stacy, der bereits für „Das Leuchten der Stille“ mit Hallström zusammenarbeitete, vor großen und weiten Landschaftsbildern zelebriert wird. Vielleicht ist dafür das Bild der Romantik in „Lachsfischen im Jemen“ etwas seicht oder vorhersehbar, aber den Rahmen hat Lasse Hallström schön ausgewählt. Die Geschichte funktioniert in Kombination mit den Figuren wunderbar, Ewan McGregor zeigt mal wieder, dass er sich in kleinen, ruhigen Figuren weitaus besser entfalten kann als im Blockbusterkino. Was derweil endlich aufhören muss, sind die computergenerierten Spiegelungen von Personen auf Wasseroberflächen, welcher sich auch Lasse Hallström bedient. Aber wenn dass das einzige Problem eines Films ist, darf man ihn wohl getrost weiterempfehlen.

Denis Sasse


‘Lachsfischen im Jemen‘