Macht Gold glücklich? Anscheinend nicht, denn sonst wäre Arne Hansen, Schlagmann des Goldachters von Seoul nicht so unglücklich – mit seinem Leben, seinem Körper und der Welt an sich. Für ihn, diesen hochgewachsenen, durchtraiierten Mann, zählt nur der Erfolg im Sport und als der ausbleibt, beginnt er, sich selbst zu Grunde zu richten. Er hungert. Er foltert sich selbst mit stundenlangem Training. Und dabei stößt er die, die ihn lieben vor den Kopf. Sein Freund Ali und seine Freundin Anja erreichen ihn bald nicht mehr; Arne zieht sich von der Außenwelt zurück und verschwindet immer mehr in seinem Hungerwahn. Und stirbt.
Arne lässt seine Freunde in kompletter Ratlosigkeit zurück, und auch noch Jahre nach seinem Tod lässt Ali und Anja Arnes Schicksal nicht los. Erst recht nicht als sie der Sportjournalist Paco Müller kontaktiert, um sie zu interviewen.
Beide willigen letztendlich ein und zusammen mit Paco Müllers eigenen Erinnerungen entsteht so das Bild eines ehrgeizigen, aber verlorenen Menschen, der sich nur über seine Leistung zu definieren weiß. Ein Ton von Traurigkeit zieht sich durch den gesamten Roman, auf jeder Seite ist die Trauer über den Verlust des Freundes und die Hilflosigkeit seinem Verhalten gegenüber deutlich zu spüren. Schlagmann ist ein trauriges Buch, es ist kompromisslos traurig, doch nur so kann es authentisch sein und vermitteln, wie sinnlos Arne Hansens Tod war. Es lässt auch mich als Leser ratlos und hilflos zurück, denn da gibt es nichts, was man hätte tun können. Nichts auf dieser Welt hätte Arne von seinem Weg in den Tod abhalten können, und vielleicht ist es gerade diese Einsicht, die den Roman so tieftraurig macht.
Evi Simeoni beschreibt keine Szenen, die auf die Tränendrüse drücken wollen, es ist vielmehr die Schilderung von Arnes Unfähigkeit zu lieben und Liebe anzunehmen, die mich besonders trifft. Anja liebt ihn, aber er gesteht sich diese Liebe nicht zu – und doch erkennt man gerade in den kleinsten Gesten, wie viel ihm an ihr liegt. Leider kann auch diese Liebe ihn nicht retten.
Schlagmann lehnt sich an die Biographie des Ruderers Bahne Rabe an, der ebenso wie sein fiktives Ebenbild Schlagmann im Achter war und bei den olympischen Spielen 1988 in Seoul die Goldmedaille gewann. Auch ihn hat dieses Gold nicht glücklich gemacht. Er litt zeit seines Lebens an Magersucht – 2001 verlor er den Kampf gegen diese Krankheit. Ob der Roman nun eine Hommage an den Sportler Bahne Rabe oder doch ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit im Leistungssport ist, das muss jeder für sich entscheiden. Fakt ist, dass der Roman gerade im Jahr der olympischen Spiele hochaktuell ist – zudem Deutschland in diesem Jahr wieder einen Goldachter hatte.
Gebundene Ausgabe: 276 Seiten, erschienen bei Klett-Cotta, Juli 2012.
ISBN: 978-3608939699