WEIMAR. (fgw) Heft 216 der von der “Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen” (EZW) herausgegebenen EZW-Texte will den “Dialog und [die] Auseinandersetzung mit Atheisten und Humanisten” fördern. Die EZW nimmt für sich in Anspruch, “Orientierung zu geben”. Das dies nicht aus wissenschaftlich-objektiver Warte erfolgt, ergibt sich aus dem Zweck dieser Einrichtung., der da lautet: “Sie hat den Auftrag, diese Zeitströmungen zu beobachten und zu beurteilen.” Natürlich nur aus der Sicht des auftraggebenden Klerus der evangelischen Kirche.
Dabei geht Hempelmann in seinen Betrachtungen primär vom sogenannten “Neuen Atheismus” und Richard Dawkins aus. Kritisch setzt sich Hempelmann mit dem Begriff des Humanismus auseinander und schreibt zu recht den säkularen Organisationen ins Stammbuch: “Der Begriff Humanismus reicht nicht aus, um das Charakteristische der eigenen Weltanschauung und ethischen Orientierung zum Ausdruck zu bringen.” (S.11)
Hernach kommt er gleich auf “Gegenseitige Zumutungen” zu sprechen, wobei er im Kern aber doch nur die Gegenseite im Auge hat: “Die selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Gewaltgeschichte ist auch für den Atheismus die Voraussetzung für seine Friedens- und Toleranzfähigkeit.” (S.12). Darauf kann man eigentlich nur so antworten, daß im Namen des Atheismus noch kein einziger Krieg geführt wurde, daß im Namen des Atheismus noch kein einziges Volk kolonial versklavt wurdee und daß noch kein einziger Mensch im Namen des Atheismus auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden ist.
Und schließlich gar dekretiert Hempelmann “…die Unmöglichkeit des Nicht-Glaubens” und “Demnach hat jeder seinen Gott.” (S.12/13). Keine gute Grundlage für einen Dialog mit Nicht-Gläubigen!
Nachfolgend befaßt sich der Theologie-Professor Günther Wenz mit “Feuerbach, Marx, Nietzsche und Freud – Vier Beispiele radikaler Religionskritik in der Moderne”. Bei vielem richtig Wiedergebenen erschreckt Wenz’ Fazit: “Es ist dringend an der Zeit, aus atheistischen Albträumen zu erwachen – in Berlin, in Europa und auf der ganzen Welt.” (S.22). Angesichts dieser schlimmen Schlußfolgerung mit Weltgeltungsanspruch und Mißachtung jeder nicht-christlich-euopäischen Kultur, kann man erneut nur konstatieren: Keine Grundlage für einen Dialog mit Nicht-Christen, kein Beispiel für die immer wieder behauptete Toleranz der christlichen Kirchen!
Zustimmen kann, muß man dagegen weitestgehend dem Aufsatz von Robert U. Giesicke “Der Humanistische Verband Deutschlands (HVD)”. Abgesehen u.a. von solchem Lapsus, der den winzigen Bremer Landesverband neben Berlin und Nürnberg zu einem topographischen Zentrum des HVD erklärt.
Bei Giesicke kann man sehen, wie genau die “Feindbeobachtung” sein kann und wie klar so auch die Lage eines weltanschaulichen Gegners analysiert werden kann. Entwicklung, gegenwärtiger Zustand und interne Auseinandersetzungen sind von außen konkret dargestellt und decken sich mit den eigenen Erlebnissen und Sichten des Rezensenten, gewonnen innerhalb dieser Organisation. Immer wieder geht Giesicke darauf ein, daß sich der HVD vehement weigert – auch seinen Mitgliedern gegenüber – Mitgliederzahlen bekanntzugeben.