Eurosolar-Vorschlag: Neue Energiemarktordnung für die dezentrale Energiewende – Teil 1

Gastbeitrag von Eurosolar, Autoren: Dr. Axel Berg, Stephan Grüger, Rosa Hemmers, Dr. Fabio Longo

IMG_9332Die Energiewende ist für die Städte, Gemeinden, Regionen und ihre Bürgerinnen und Bürger die größte wirtschaftliche und soziale Zukunftschance unserer Zeit. Im Jahr 2011 haben die Regionen in Deutschland 8,9 Milliarden Euro an Wertschöpfung mit Erneuerbaren Energien erzielt. Immer mehr Stadtwerke und kommunale Regionalversorger wollen die dezentrale Energiewende gemeinsam mit den Bürgern vor Ort und Partnern in Mittelstand, Handwerk und Bürger-Energiegesellschaften gestalten. Bei dem weiteren Aufbau einer dezentralen Energieversorgung, zunehmend auf der Basis heimischer erneuerbarer Energieträger und Kraftwerke, kommt den Stadtwerken eine Schlüsselrolle zu.

Energieerzeugung und Verbrauch rücken näher zusammen. Das Zeitalter der einseitig auf wenigen Großkraftwerken basierenden zentral organisierten Stromversorgung neigt sich dem Ende zu. Strom wird nicht mehr nur von Großkraftwerken über lange Leitungen zum Verbraucher transportiert. Mit der zunehmenden dezentralen Stromproduktion durch Mittelstand, Privatpersonen, Landwirtschaft sowie der Kommunalwirtschaft gewinnen auch die Verteilnetze der Stadtwerke und Regionalversorger immer mehr an Bedeutung.

Altes Energiemarktdesign fürs fossil-atomare Oligopol

Die dezentrale Energiewende findet seit Einführung des Stromeinspeisungsgesetzes (1990) und beschleunigt durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2000) seit über zwei Jahrzehnten statt. Die Politik hat aber die gesamten energiewirtschaftlichen und -rechtlichen Rahmenbedingungen nie auf diese Entwicklung ausgerichtet, sondern das übrige „Energiemarktdesign“, maßgeblich geregelt im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und darauf fußenden Rechtsverordnungen, bis auf wenige Ausnahmen in der Vorstellungswelt eines überkommenen, von zentralen Großerzeugern dominierten Energiesystems belassen. Es ist dringend an der Zeit, die Rahmenbedingungen für die Energiewirtschaft an die tatsächliche Entwicklung anzupassen.

Stadtwerke und Regionalversorger können dabei in die Rolle als Manager der regionalen Energieströme hineinwachsen und damit ihre Aufgabe der Daseinsvorsorge in Zeiten der Energiewende ausfüllen und neu beleben. Sie sind die idealen Unternehmen, um Reservekraftwerke für Zeiten geringer Produktion aus schwankenden Erneuerbaren Energien vorzuhalten, z. B. als erfahrene Betreiber von Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) oder als neue Betreiber von Energiespeichern auf der Verteilnetzebene, um etwa Strom in Redox-Flow-Batterien zu speichern oder mit Power-to-Gas statt Erdgas einen erneuerbaren Energieträger für moderne KWK-Anlagen und Gaskraftwerke bereit zu stellen.

Dezentraler Netzausbau statt Nord-Süd-Trassen

Das Energierecht hat sich auf diese Herausforderung noch nicht eingestellt und setzt überwiegend falsche Anreize für Investitionen in das alte Energiesystem, z. B. in einen überdimensionierten Netzausbau für Stromtrassen von Nord nach Süd, obwohl der Ausbau der Offshore-Windkraft stockt und zudem teurer ist, als der Ausbau der Onshore-Windkraft in den Regionen. In Zeiten der dezentralen Energiewende besteht Netzausbaubedarf, aber überwiegend dezentral und regional zwischen Stadt und Land im Verteilnetz. Ein Großteil der Investitionen in Nord-Süd-Trassen ist überflüssig und könnte eingespart werden, wenn zunächst ein regionaler Abgleich von Produktion und Abnahme erfolgen würde. Geboten ist jetzt ein Umdenken und pragmatisches Handeln entlang der real stattfindenden und günstigeren dezentralen Energiewende, die weitere positive Effekte für die regionale Wertschöpfung mit sich bringt.

Der Präsident des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner, hat auf der EUROSOLAR-Konferenz „Stadtwerke mit Erneuerbaren Energien“ in Ulm dazu aufgerufen, Vorschläge zur Gestaltung des Strommarktdesigns der Zukunft in die Debatte einzubringen. Bedauerlicherweise ist das VKU-Quotenmodell mit der Abschaffung des EEG als zentralem Baustein nicht die richtige Antwort auf die Herausforderungen der Energiewende.

Durch Quotenmodelle, nichts anderes setzt die sogenannte Auktionierung voraus, entstehen höhere Kapitalkosten, weil die Banken das höhere Investitionsrisiko an die Betreiber und damit an die Verbraucher weitergeben. Das EEG zeichnet sich hingegen durch eine höhere Investitionssicherheit und geringe Renditen aus. Wegen dieser Renditen, die weit unter den gewohnten Renditen von Großkraftwerken liegen, investieren im Erneuerbaren Erzeugungsmarkt in Deutschland kaum ausländische Hedgefonds und schon gar nicht die Stromkonzerne. Das EEG ist damit das überlegene Modell.

Lesen Sie weiter im Teil 2: Neue Energiemarktordnung der Zukunft


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