Eurorettungsgeschwätz

Die SPD will zur „Euroretterin“ gekürt werden, wie ich durch Dutzende Schlagzeilen erfahre. Falls Sie es noch nicht wussten, wir parteitagen gerade. Falls Sie es schon wussten, werden Sie meine Verwirrung verstehen, denn die aufsehenerregendste Rede bisher wurde von Helmut Schmidt gehalten, und dessen Aussage war eindeutig: Das Gerede darüber, dass der Euro gerettet werden müsste, ist Geschwätz. Geschwätz von Medien, Geschwätz von Banken, und natürlich und allen voran Geschwätz von Politikern.

Ich bin geneigt, dem zuzustimmen.

Schon vor anderthalb Jahren, als wir von unserer Regierung noch erzählt bekamen, dass bestimmt keine Hilfen an Griechenland fließen würden, habe ich hier geschrieben, dass genau das passieren würde. Ich habe auch damals schon geschrieben, dass diese Hilfen aber keineswegs an Griechenland, sondern auf Umwegen an unsere Banken, und eben auch nur deshalb fließen würden.

Heute – tatsächlich nur 18 Monate später! - ist aus der „Hilfe für Griechenland“ ein Milliarden schwerer Güterzug voller Steuergeld geworden, das wir in die Kriegskassen der Banken pumpen, als ob es kein Morgen gäbe. Während – Springer sei Dank – da draußen die Menschen Angst vor Eurobonds haben, ist federführend durch unsere Kanzlerin ein Mechanismus installiert worden, der erstaunlich simpel ist, uns aber aus gutem Grund sehr kompliziert und mit unvergleichlicher Theatralik erklärt wird. Sigmar Gabriel nennt das „Merkelbonds“, aber die Wirklichkeit ist viel schlimmer.

Die Finanzmärkte spekulieren die Zinsen für Staatsanleihen hoch, und gleichzeitig können alte, solchermaßen abgewertete Staatsanleihen mit sehr viel niedrigeren Zinsen an die EZB vertickt werden. DAS ist die Eurorettung: Eine narrensichere Methode, die Zinsen, die Finanzjongleure weltweit für Staatsanleihen erhalten, auf Kosten von Steuerzahlern quer durch Europa zu verdoppeln, zu verdreifachen, zu verfünffachen. Während in Griechenland, in Portugal, eigentlich fast in sämtlichen Euro-Staaten die Wirtschaft kaputtgespart wird, während Löhne sinken und Investitionen gestoppt werden, erfreuen sich andernorts Spekulanten und Finanzmanager an einem Notausgang aus den dauerhaften Niedrigzinsen und damit miesen, da stagnierenden Umsatzzahlen.

Das kommt dabei raus, wenn Banken systemrelevant werden. Das ist ein Wort, dass es in der Marktwirtschaft eigentlich für ein privates Unternehmen so gar nicht geben kann. Und es ist natürlich auch Schwachsinn, aber wo geballte Inkompetenz regiert – also wie bei uns – ist Schwachsinn wie dieser der Maßstab, während die Bevölkerung vor dem einzigen Ausweg in Angst versetzt wird, nämlich tatsächlich Eurobonds.

Natürlich sind sogenannte Experten Gegner dieser Lösung, weil Eurobonds wieder stabile Zinsen bringen würden, und das heißt natürlich auch: Niedrigere Zinsen. Deswegen redet man Ihnen ein, dass Deutschland, also Sie – höchstpersönlich - durch Eurobonds die Schulden sämtlicher europäischer Staaten mittragen würde, und das heißt, natürlich auch mangelnde Haushaltsdisziplin. Natürlich würde nichts dergleichen geschehen, vor allem nicht, wenn man zusammen mit europäischen Schuldverschreibungen auch eine entsprechende Schuldenbremse in den Eurostaaten einführen würde; nur dann könnte man auch mehr machen als das nur vorzuschlagen. Eurobonds könnten zur Grundlage einer gemeinsamen europäischen Steuer- und Finanzpolitik werden; angefangen damit, dass Rechte und Pflichten neu aufgesetzt werden müssen, aber dann eben auch neu aufgesetzt werden können.

Sich hinzustellen und für die Springerpresse nationalistischen Unfug von sich zu geben ist eine Garantie dafür, dass diese zwingend erforderliche gemeinschaftliche Politik schon aus Trotz nicht zustande kommt. Lust auf Sparmaßen, auf Reformen, auf Konsolidierung hat niemand, aber als Kniefall vor den Herren Europas – uns – werden im Ergebnis bestenfalls nach einigen sehr deutschfeindlichen Wahlkämpfen in ein paar Ländern mehr nationalistische Populisten in der Regierung sitzen. Die europäische Integration könnte man auf Jahrzehnte hinaus vergessen, wenn nicht gar komplett abhaken. Bedauerlicherweise erscheint das vielen nicht als Horrovision.

Es ist dieser Tage einfach zu glauben, Deutschland wäre auf Europa nicht angewiesen, auch das gehört zum Kalkül. So zu handeln, als wäre das tatsächlich so, als wäre das vor allem auch in nur fünf Jahren noch so, ist geradezu kriminell kurzsichtig.

Sie dürfen das gerne ausprobieren und Ihre Kanzlerin dafür feiern, dass sie Eurobonds verhindert und dafür weiterhin auf Ihre Kosten den Banken Milliarden Euro zukommen lässt. Bereits jetzt erinnert mich das an eine Zeit, als ein dicker Mann durch den Osten Deutschlands fuhr und uns wissen ließ, in fünf Jahren wäre das alles durch die weiße Magie des Kapitalismus wieder aufgebaut. Sie haben diejenigen abgestraft, die davor gewarnt haben, so wie Sie jetzt, es ist nicht zu fassen, diese Frau für kompetent halten und ihren "Kurs" - wirklich! - belohnen. Dabei hatten Sie damals Gelegenheit, viel über die weiße Magie des Kapitalismus zu lernen, vor allem über den Patriotismus des Kapitals. Wenn Sie zusammen mit Ihrer Kanzlerin also darauf setzen, das die Finanzmärkte - weiterhin unreguliert und ordentlich durch Steuergelder alimentiert - Ihr Gemeinwohl im Sinn haben, dann nur zu. Das unvermeidliche "I told you so" wird mir aber auch nicht wirklich Spaß machen. Von der versemmelten Wiedervereinigung haben wir heute noch was. Von einer versemmelten europäischen Einigung werden meine Urahnen noch was haben.

Wenigstens ist das Wetter schön.

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