lebenschancen sind das spielgeld im krisenmonopoly
gebannte blicke auf zahlen. auf börsenkurse. auf prozente. auf zinsen. auf milliarden. auf geld. auf rechnerische größen. auf zahlenreihen.
gebannte blicke auf die player. von jedem kinderspielplatz wären sie längst geflogen, wenn sie sich dort so aufführen würden. respektlos. kratzen. beißen. treten. petzen. ich zertrete dir deinen sandhaufen. du pinkelst mir auf meinen.
unbeweglichkeit als programm
ist es nur eine fügung der geschichte, dass ausgerechnet zu jenem zeitpunkt, wo ein mitgliedsstaat der eu abgestraft werden soll, auch die frage der willkommenen ungeklärt auf den verhandlungstischen liegen geblieben ist? kann es als zeichen der politischen agonie verstanden werden, dass die unbeweglichkeit zum programm wird?
ist es wirklich ratlosigkeit? oder ist es bedingungsloses ausführen scheinbarer ökonomischer glaubensregeln? die fortsetzung der bankenrettung auf einem niveau, das nicht einmal vor dem ruin ganzer (souveräner?) länder zurückschreckt? geht es um prinzipien? oder das recht auf spekulationsgewinne ohne ende?
kein sandkastenspiel
vom “alles halb so wild” bis zum möglichen zündfunken eines neuen weltkriegs ist der bogen der bewertungen dessen, was sich derzeit in europa abspielt denkbar weit gespannt.
eines steht aber jetzt schon fest: für die bildung junger menschen, für die pflege alter und kranker, für die altersversorgung und soziale sicherheit wird das geld abgesaugt. so oder so. entweder in die eine oder in die andere richtung.
krisenmonopoly
es wird heftig gestritten, wie das ganze schlamassel überhaupt passieren konnte. wer schuld an jenem raubzug ist, der sich krise nennt. aber egal wie es ausgeht: es gäbe genug leute – sowohl in griechenland, als auch in allen anderen ländern der eu – die unvorstellbar viel reichtum angehäuft haben. sie werden gelassen zusehen können, wie das spiel um den sandkasten ausgeht. sie werden sicher nicht zahlen müssen.
bezahlen müssen genau jene, die absolut keine schuld trifft: die kleinen, die, die ohnehin schon fast nichts haben. viele von ihnen werden es gar nicht merken, wie sehr sie zahlen: es wird eben keine entbindungsstation, kein pflegeheim, keine ärztin und keine schulen im ort geben. warum das so ist, werden viele gar nicht mitbekommen.
ihre lebenschancen sind das spielgeld im krisenmonopoly. menschen? kollateralschäden einer eumbh.
europäische union mit sehr beschränkter haftung.
(bernhard jenny, 30.6.2015 im standard.at)