Eurokrise: Hinein in die Abwärtsspirale – jetzt ist Deutschland dran

Die Deutschen befanden sich bisher verglichen mit den anderen Euro Krisenländern in einer scheinbar komfortablen Lage. Der Arbeitsmarkt blieb stabil, die Arbeitslosenzahlen befanden sich – wenn auch schön gerechnet – auf einem erfreulich niedrigen Niveau, die Exportwirtschaft schlug sich den Umständen entsprechend auch ganz gut, und Merkels neoliberal geprägte Politik bestimmt, was die Griechen und Spanier zu tun oder zu lassen haben. Jetzt verdichten sich die Zeichen, dass die Euro-Krise Deutschland erreicht hat – mit all den Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Sollten wir jetzt tatsächlich aus dem Schlaf gerissen werden?

Die Staatsverschuldung hat mit 2 Billionen Euro einen Rekordstand erreicht

Schuldenabbau. Das ist das angeblich zentrale wirtschaftspolitische Vorhaben der Bundes Regierung. Wir möchten die zukünftigen Generationen nicht über Gebühr belasten, tönte es aus der Koalition:

“Zum nachhaltigen Wirtschaften gehört Generationengerechtigkeit in der Finanzpolitik. Wir setzen die im Grundgesetz neu verankerte Schuldenbremse um. Damit nähern wir uns dem Ziel eines ausgeglichenen Bundeshaushalts.“

Indes, die Ankündigung war und ist eine Farce. Schuldenabbau wurde bewusst als Synonym für den Abbau der Neuverschuldung benutzt. Wir zahlen keine Schulden zurück, sondern nur die laufenden Zinsen. Zusätzlich verschulden wir uns weiter, aber etwas langsamer eben. Und dies wird uns als verantwortungsvolle Politik und Erfolg verkauft.

Zum Ende des ersten Quartals waren Bund, Länder und Gemeinden mit 2,042 Billionen Euro verschuldet. Das waren 2,1 Prozent oder 42,3 Milliarden Euro mehr als ein Jahr zuvor, wie das Statistische Bundesamt am Montag in Wiesbaden mitteilte.

Der Bund stand Ende März mit 1,286 Billionen Euro in der Kreide. Das waren 12,5 Milliarden oder 1,0 Prozent mehr als am Ende des ersten Quartals 2011. Die Länder wiesen Ende März knapp 623 Milliarden Euro an Schulden aus. Das entsprach einem Zuwachs von 4,0 Prozent oder 23,8 Milliarden Euro gegenüber dem 31. März 2011.

Die Verschuldung der Gemeinden wuchs im Jahresvergleich um 4,7 Prozent oder rund 6 Milliarden auf rund 133 Milliarden Euro. Dabei erhöhte sich der Anteil der Kassenkredite, die zur kurzfristigen Überbrückung von Liquiditätsengpässen gedacht sind, auf 35,9 Prozent.

Bemerkenswert ist der Umstand, dass die zusätzliche Verschuldung grösstenteils auf die Kommunen entfiel. Dies zeigt, dass die Merkels Politik der Verantwortungsverschiebung aufgegangen ist: Länder und Kommunen wurden stärker belastet, um den Bund zu entlasten.

Die Unsicherheit am Arbeitsmarkt nimmt zu: einbrechende Nachfrage

Es ist jetzt soweit: Die Eurokrise schlägt auf den deutschen Arbeitsmarkt durch: Die Bundesagentur für Arbeit registriert im Juni einen deutlich gebremsten Personalbedarf.

Die deutschen Unternehmen suchen angesichts deutlicher Signale einer Konjunkturabkühlung so wenige Mitarbeiter wie seit fast einem Jahr nicht mehr. Der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit fiel im Juni um sechs auf 165 Punkte. Das ist der niedrigste Wert seit Juli 2011.

“Angesichts der Eintrübung der Konjunkturprognosen zeigen sich die Unternehmen offensichtlich vorsichtiger, was weitere Neueinstellungen angeht”, teilte die Bundesagentur dazu mit. Zwar werden immer noch viele gut ausgebildete Fachkräfte gesucht, aber die Ausbildung wird ebenfalls in den Betrieben weiter vernachlässigt, so dass dieser Mangel in absehbarer Zeit nicht behoben werden kann. Hier wird von seitens der Wirtschaft und der Bildungspolitik am falschen Ende gespart, was sich nun rächt.

Exporte, Produktion und Industrieaufträge gehen zurück

Die sogenannte ZEW-Konjunkturerwartungen ( ZEW = Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim) von Anlegern und Analysten fielen so stark wie seit 1998 nicht mehr, während der Ifo-Index (Der ifo-Geschäftsklimaindex ist ein monatlich vom ifo Institut für Wirtschaftsforschung erstellter, vielbeachteter, weicher Frühindikator für die konjunkturelle Entwicklung in Deutschland) nach zwei Rückgängen in Folge auf dem niedrigsten Wert seit März 2010 liegt. Grund für die sich abzeichnende Schwäche ist nach Einschätzung der Experten vor allem die Schuldenkrise. Viele Euro-Länder müssten trotz Rezessionsgefahren weiter sparen. Staatliche Ausgaben gingen zurück. Zugleich schwächt sich auch die Weltkonjunktur weiter ab.

Löhne, Renten und Sozialausgaben werden bald gekürzt werden müssen

Damit zeigt sich, dass die radikalen Sparmaßnahmen in den Europäischen Krisenländern zu einer Verschärfung der Krise führen und nicht zu deren Lösung, wie Merkels Regierung behauptet. Ohne zusätzliche Investitionen, die die Wirtschaft ankurbeln, ist die Krise nicht zu bewältigen. Woher sollte das Geld für die Schuldenbereinigung denn kommen, wenn nicht durch eine wachsende Wirtschaft? Deutschland wird bei den zu erwartenden extrem rückläufigen Steuereinnahmen ebenfalls drastische Einsparungen vornehmen müssen. Sozialausgaben, Bildungsausgaben, Löhne und Einkommen werden spürbar sinken müssen; die bittere Medizin, die wir den Griechen und Spaniern aufgezwungen haben, werden wir nun selbst schlucken müssen. Solange das Paradigma eines ungehemmten freien Finanzkapitalismus über jegliche echte wirtschaftliche Vernunft steht, wird auch weiterhin keine effektive Lösung gefunden werden können.

Die Prognosen zur Entwicklung des Arbeitsmarktes sind extrem schlecht

Die deutsche Wirtschaft hat aus Sicht des DIW im zweiten Quartal deutlich an Fahrt verloren. Das Bruttoinlandsprodukt habe nur um knapp 0,2 Prozent zugenommen, teilte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) mit. Im ersten Quartal lag das Wachstum noch bei 0,5 Prozent.

Auch für das Sommerhalbjahr sei Skepsis angesagt: “Die Krise im Euroraum dürfte die Exporte merklich dämpfen und zu einer wieder zunehmenden Zurückhaltung bei der inländischen Nachfrage beitragen”, erklärte DIW-Konjunkturchef Ferdinand Fichtner. Kurzfristig wird sich auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt wieder verschlechtern, weil weniger exportgebundene Arbeitskräfte gebraucht werden.

Die Haftungsrisiken Deutschlands für ESM ESFS und Griechenlandbeihilfen

Diese betragen zusammen über 190 Milliarden Euro, d.h. Deutschland trägt die Hauptverantwortung für den Europäischen Stabilisierungs Mechanismus, der Spanien, Griechenland und all die anderen Krisenländer stützt. Werden sich deren Wirtschaften nicht auf absehbarer Zeit erholen und das Geld für die Schuldenrückzahlungen generieren, wird Deutschland dafür aufkommen müssen. Dieses enorme Haftungsrisiko belastet die Wirtschaft zunehmend. In den Chefetagen der deutschen Wirtschaft werden schlechte Zeiten erwartet, Einsparungen und Rücklagenbildungen werden priorisiert, Personaleinstellungen zurück gefahren.

Die Abwärtsspirale wird angeheizt

Sobald die Löhne und andere Einkommen zurückgehen, wird auch die Binnennachfrage sinken, was wiederum Arbeitsplätze vor allem im Handel gefährdet. Dadurch kommt Deutschland in genau die Abwärtsspirale, die von Griechenland und Spanien aktuell durchlitten wird.

Aufwachen!

Harren wir der Dinge, die da unausweichlich kommen mögen. Ob der deutsche Michel dann unsanft aus den Schlaf gerissen wird? Ja, diesmal scheint es wohl so zu kommen.

viele Grüße von René Brandstädter – humanicum


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