Euro 2012: Halbfinale der Favoriten

Von Stscherer

© Wilhelmine Wulff / pixelio.de

Da habe ich mir gestern Abend doch die Augen gerieben: die englische Mannschaft mauert sich gegen offensive Italiener ins Elfmeterschiessen – was für eine verkehrte Welt bei der dieser Euro 2012. Doch dann können die Engländer dem Fussballgott doch kein Schnippchen schlagen, es endet wie immer: die Engländer verlieren den Shoot-Out und so sind die Favoriten im Halbfinale unter sich: Spanien, Deutschland, Italien, Portugal.

Zunächst einmal spielen am Mittwoch Portugal gegen Spanien, und ich für meinen Teil wünsche den Portugiesen Alles Gute; nicht, weil ich diesem arroganten Ronaldo einen Titel gönne – allein sein peinlich-theatralischer Auftritt vor jedem Freistoss ist ausreichend, um den Typ nicht leiden zu können.

Nein, ich kann einfach dieses erschreckend-langweilige “Tiki-Taka”-Ballgeschiebe der Spanier nicht mehr ertragen; was für ein Antifussball, der mag noch so effektiv sein, er nervt gewaltig. Dann lieber Ronaldo ohne Trikot und mit “Haare schön”…

Überhaupt ist diese Euro 2012 die Europameisterschaft der Toreverhinderer – gefühlte 2 Stunden brauchte selbst eine solche spielerisch starke Mannschaft wie die aus Deutschland im Viertelfinale, um sich durch den Abwehrriegel der Griechen zu kombinieren – würden sich die Hellenen doch mal beim Schutz ihrer Wirtschaft oder ihrer Finanzen so anstrengen wie beim Verhindern von Toren…

Egal, gewonnen ist gewonnen, und die Tore der deutschen Nationalmannschaft waren genauso sehenswert wie viele ihrer Spielkombinationen. Wäre da nicht die ein bisschen Sorgenfalten beschwörende Abwehrverweigerung von Jerome Boateng beim zwischenzeitlichen 1:1 der Griechen, man könnte rundherum zufrieden sein; und über die Schiedsrichterfehlleistung beim Pfiff zum nicht mehr wichtigen Elfmeter hülle ich gnädig den Mantel des Schweigens – ist ja schon eine körperliche Besonderheit, wenn man als Abwehrspieler Augen auch auf der Körperrückseite hat…

Am Donnerstag nun also Deutschland gegen Italien, der Klassiker, aber mit durchaus unterschiedlichen Vorzeichen wie in den Spielen der Vergangenheit: bei allem Respekt, aber besonders angsteinflössend war das nicht, was die italienische Nationalmannschaft da abgeliefert hat: sicherlich, es war äusserst ungewöhnlich, dass es nicht die Engländer waren, die offensiven Fussball spielten – aber das lag wohl in erster Linie daran, dass die Jungs mit den “Three Lions” auf der Brust nicht nur eine technisch äusserst limitierte Truppe sind, sondern auch noch eine erschreckenden Konditionsschwäche offenbarten: eine englische Nationalmannschaft, die nach 60 Spielminuten komplett physisch platt war, habe ich noch nie gesehen.

Deswegen sind die Italiener – die im übrigen auch nicht gerade einen besonders frischen Eindruck bei mir hinterlassen haben – ganz gegen ihre sonstige Art zum Angriff gezwungen worden, wobei sie auch nicht gerade Bäume ausrissen: immerhin hatten sie ab der Einstellung des kompletten Spielbetriebs seitens der Herrschaften von der Insel noch 60 Minuten Zeit, irgendwie ein Tor zu erzielen. Aber erst das Elfmeterschiessen (sozusagen das Freilos gegen England) brachte die Entscheidung…

Die Stärken der Italiener : zwei ältere Herren und ein nicht nur ausserhalb des Platzes äusserst gewöhnungsbedürftiger Stürmer.

Der wäre zunächst Giuanluigi Buffon, ein 34jähriger Torwart, der einen guten Rückhalt bietet, aber nicht mehr ansatzweise eine solche Klasse hat wie zB. Manuel Neuer – eine Weltklasserettung nach wenigen Minuten konnte ich gestern sehen, ansonsten eine Reihe von kleinen Wacklern, die es durchaus möglich erscheinen lassen, den Herrn im Halbfinale das eine oder andere Mal hinter sich greifen zu lassen.

Dann natürlich der Spielmacher Andrea Pirlo, mit 33 Jahren ein bisschen jünger als Bufon, aber eindeutig gestern der Gesichtsälteste auf dem Spielfeld (einschliesslich der Schiedsrichter): ein Spielmacher mit absteigender Form und grossen schöpferischen Pausen – da ist das deutsche Mittelfeld in diesem Turnier schon mit anderen Gegnern fertig geworden.

Sein Jan Schlaudraff-Gedächtnis-Elfmeter gestern war allerdings schon sehenswert:

Hier das Original:

Und hier die italienische Fälschung:

Zuletzt ist  da noch Mario Balotelli, der gestern von Mehmet Scholl als “unbezähmbarer Mustang” charakterisiert wurde – nun, bei diesem Vergleich kommt der Balotelli echt gut weg, seine regelmässigen Ausfälle auf und neben dem Platz würden durchaus den Vergleich mit anderen Tieren zulassen.

Gestern war er immer gefährlich – aber ein von der deutschen Abwehr komplett abgemeldeter Ronaldo ist er spielerisch nicht.

Und ansonsten bieten die Italiener ansehnliche Fussballkost, aber sie sind schlagbar. Zumal die Deutschen bisher den attraktivsten Fussball bei dieser Euro 2012 gespielt und als jüngste Mannschaft des Turniers den bei weitem physisch stabilsten Eindruck hinterlassen haben. Sie haben die Technik und die Kraft, Italien zu besiegen, sie haben mehr Ruhezeit zur Verfügung und weniger Anstrengung gegen Griechenland gehabt.

Ein Sieg gegen Italien im Halbfinale ist also möglich – wäre da nicht der deutsche Italienfluch, der überwunden werden muss: noch nie gewann eine deutsche Nationalmannschaft in einem grossen Turnier gegen Italien.

Aber machen wir uns Mut: die Chance, eine Serie zu durchbrechen, wird statistisch immer grösser, je länger die Serie schon hält – deswegen bin ich durchaus zuversichtlich für Donnerstag…

Auf Ihr Deutschen, Kämpfen und Siegen!

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