EuGH: Urlaub verfällt nicht mehr automatisch.

Nach dem Bundesurlaubsgesetz verfällt vom Arbeitnehmer im laufendem Jahr nicht genommener Urlaub zum Jahresende, spätestens aber zum 31.03. des Folgejahres. Dies gilt auch für den Urlaubsabgeltungsanspruch, falls der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist und den Urlaub nicht mehr nehmen kann.

§ 7 Bundesurlaubsgesetz

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

Der Europäische Gerichtshof hat nun geurteilt, dass diese Regelung gegen (höherrangiges) europäisches Recht verstößt. Wie bereits hier berichtet wurde, hatten einige Landesarbeitsgerichte bereits zuvor ähnlich entschieden.

Arbeitgeber hat den Urlaub von sich aus zu gewähren

Laut dem EuGH darf der Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil er keinen Urlaub beantragt hat. Der EuGH sieht hier den Arbeitgeber in der Pflicht den Urlaub zu gewähren.

In der Pressemitteilung des EuGH Nr. 165/18 führt dieser in den Rechtssachen (C-619/16 und C-684/16) aus:

Mit seinen Urteilen von heute entscheidet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht es nicht zulässt, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommenen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat.

Diese Ansprüche können nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat.
Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen. Er könnte daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen kann, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.

Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.
Jede Auslegung der fraglichen Unionsvorschriften, die den Arbeitnehmer dazu veranlassen könnte, aus freien Stücken in den betreffenden Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeiträumen keinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, um seine Vergütung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhöhen, wäre nämlich mit den durch die Schaffung des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub verfolgten Zielen unvereinbar. Diese bestehen u.a. darin, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt.

Der Gerichtshof stellt weiter fest, dass die vorstehenden Grundsätze unabhängig davon gelten, ob es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber (wie das Land Berlin) oder einen privaten Arbeitgeber (wie die Max-Planck-Gesellschaft) handelt.

Anmerkung:
Diese Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Praxis. Der Arbeitgeber ist nun verpflichtet den Urlaub zu gewähren und muss sich darum kümmern, dass dieser auch genommen wird oder nachweisen, dass es allein an dem Arbeitnehmer lag, dass dieser den Urlaub nicht genommen hat. Dies wird wohl dazu führen, dass der Arbeitgeber nun immer Urlaubspläne für das Kalenderjahr vorgibt und sich um Nachweise kümmern muss, dass er dem Arbeitnehmer konkret einen Zeitraum für die Urlaubsgewährung vorgegeben hat.

Rechtsanwalt Andreas Martin

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Kanzlei Marzahn Hellersdorf


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