EUGH: Die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten ist unwirksam

EUGH: Die tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren für Piloten ist unwirksam

© Wolfgang Pfensig / pixelio.de

Sicherlich sitzt mein Schatten derzeit weinend bei ihren Vögeln, weil sie in meinem letzten Blogeintrag erfahren musste, dass das Bundesarbeitsgericht ihre ehemaligen Aufgaben als Flugbegleiterin als weniger wichtig ansah als diejenigen der Piloten (Klick). Aber da sie ja in letzter Zeit so gerne Urteile liest – zB. solche des LG Köln – möchte ich doch ihren Gram in Bezug auf die Ungleichbehandlung der Flugbegleiter und der Piloten ein wenig mildern und natürlich auch für alle anderen Interessierten die schon in Bezug genommene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nachreichen – und natürlich auch die daraufhin ergangene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 11.01.2012 (Az. 7 AZR 112/08):

Das BAG wandte sich nämlich an den EuGH, um prüfen zu lassen, ob eine tarifliche Altersgrenze von 60 Jahren auch für Piloten aufzuheben sei. Vor dem Inkrafttreten des AGG hielt das BAG eine solche nämlich für wirksam, stelle sie doch einen sachlichen Grund im Sinne des §14 Abs.1 S.1 TzBfG dar. Nun aber könne dies anders zu beurteilen sein, und deswegen rief das BAG in seinem Verfahren Az. 7 AZR 112/08 den EuGH an (Klick). Und dieser entschied die ihm vorgelegte Frage dann auch in der Entscheidung vom 13.09.2011 (Az. c-447/09), die man als Entscheidung “Prigge” kennt. Mein Schatten braucht sich deswegen übrigens keine Sorgen um die Verletzung von Persönlichkeitsrechten machen (bei Verletzungen durch Dritte ist sie da ja sehr streng, die Gute, bei Verletzungen von Rechten Dritter durch sie selbst ist da eher überaus grosszügig und bedarf noch einiger Hinweise zu diesem Thema), denn es ist beim EuGH absolut üblich, die Entscheidungen namentlich mit den Prozessparteien zu verbinden.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass eine solche Altersgrenze auch für Piloten eine unzulässige Diskriminierung wegen Alters darstellt: das Recht, ab diesem Alter dieser Tätigkeit nachzugehen, könne zwar beschränkt, aber nicht vollständig verboten werden.

Hintergrund dieser Entscheidung ist die europäische Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Diese Richtlinie untersagt jede Ungleichbehandlung wegen des Alters, die nicht ordnungsgemäß gerechtfertigt ist.

Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung, die auf die altersabhängigen körperlichen Fähigkeiten der Arbeitnehmer abstellt, keine Diskriminierung darstellt, wenn der Besitz derartiger Fähigkeiten für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit wesentlich und entscheidend ist, sie sind auch nicht gehindert, sämtliche Maßnahmen zu erlassen, die für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit notwendig sind. Die Ausgestaltung kann im übrigen auch den Sozialpartnern übertragen werden, jedoch müssen von den Sozialpartnern geschlossene Tarifverträge ebenso wie das nationale Recht der Mitgliedstaaten das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters beachten, das als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anerkannt und durch die Richtlinie für den Bereich von Beschäftigung und Beruf konkretisiert worden ist.

Zweck der Beschränkung der Möglichkeit für die Piloten, im Alter von 60 Jahren ihren Beruf noch auszuüben, sei es, die Sicherheit der Passagiere und der Bewohner der überflogenen Gebiete sowie die Sicherheit und Gesundheit der Piloten selbst zu gewährleisten. Allerdings sei es nach Auffassung des EuGH nicht notwendig, den Piloten die Ausübung ihres Berufs nach Vollendung des 60. Lebensjahres zu verbieten, sondern es reiche aus, die Berufsausübung lediglich zu beschränken. Deswegen sei das ausnahmslose tarifvertraglich vorgesehene Verbot, nach Erreichen dieses Alters ein Flugzeug zu führen, keine für den Schutz der öffentlichen Sicherheit und der Gesundheit notwendige Maßnahme.

Allerdings sei für die Ausübung des Berufs des Verkehrspiloten der Besitz besonderer körperlicher Fähigkeiten als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung anzusehen, so der EuGH weiter; diese Fähigkeiten seien durchaus altersabhängig.  Deswegen verfolge eine Beschränkung einen rechtmäßigen Zweck, mit dem eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt werden kann, jedoch nur unter sehr begrenzten Bedingungen.

Insoweit stellte der Europäische Gerichtshof fest, dass die internationalen und die deutschen Stellen der Ansicht seien, dass Piloten bis zum Alter von 65 über die erforderlichen körperlichen Fähigkeiten zum Führen eines Flugzeugs verfügen, auch wenn sie zwischen dem vollendeten 60. und dem vollendeten 65. Lebensjahr nur als Mitglied einer Besatzung, deren andere Piloten jünger als 60 Jahre sind, tätig sein können. Demgegenüber hätten die Sozialpartner der beklagten Fluggesellschaft die Altersgrenze, ab der Verkehrspiloten als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten, auf 60 Jahre festgelegt. Dies sei eine unverhältnismäßige Anforderung.

Das BAG reagierte für die Verhältnisse eines Bundesgerichts prompt: unter dem Datum 11.01.2012 stellte es die Unwirksamkeit der Regelung fest (Az. 7 AZR 112/08). Piloten dürfen also – wie die Flugbegleiter – auch über das 60. Lebensjahr hinaus ihren Beruf ausüben, wenn sie die körperliche Eignung hierzu besitzen.


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