EU-Urheberrechtsreform: Artikel 11 und 13 sind durch. Kritiker zeigen sich bestürzt.

Erstellt am 26. März 2019 von Florian Geimer @OtakuLoungeDE

Kaum ein politisches Thema sorgte in den vergangenen Wochen für derartige Kontroversen und emotionalisierte Debatten wie die geplante Urheberreform der EU. Speziell Artikel 13 sorgte für reichlich Unmut und sorgte im Vorfeld für unzählige Protestaktionen. Am vergangenen Samstag etwa gingen in vielen europäischen Städten Zehntausende auf die Straße, um gegen die Reform zu protestieren. Am heutigen Nachmittag schließlich wurde über jene abgestimmt. Eine knappe Mehrheit der EU-Abgeordneten hat in Straßbourg für den umstrittenen Gesetzesentwurf gestimmt.

Demnach haben 348 Abgeordnete im Parlament ihre Stimme für die Reform abgegeben, 274 waren dagegen und 36 der EU-Parlamentierer enthielten sich (Quelle: Spiegel).

Vor allem Artikel 11 und Artikel 13 (mittlerweile Artikel 17 in der dt. Fassung des Gesetzesentwurfs) sind Gegenstand der Empörung. Kritiker befürchten, dass sich der Charakter des Internets durch die Auswirkung dieser beiden Artikel massiv verändere. Die Artikel wären ein massiver Einschnitt in die Meinungsfreiheit- und den Meinungspluralismus. Worum geht es aber konkret? Im Kern um ein europaübergreifendes Leistungsschutzgesetz (Artikel 11) und verschärfte urheberrechtliche Auflagen für Plattformbetreiber wie YouTube (Artikel 13 bzw. 17).

Ironischerweise sprach sich die CDU-Spitze bislang gegen eine Einführung von sogenannten Upload-Filtern aus. Die stärkere Haftungspflicht wird aber zwangsläufig zu solchen Filtern führen. Dabei wird während des Upload-Prozesses der Content automatisiert nach urheberrechtlich geschütztem Material durchsucht und unter Umständen blockiert. Da die Technologie dahinter aber nicht unterschieden kann, was etwa ein Meme ist, was im Sinne des Fair Use verarbeitet wird, oder was ggf. Satire ist, werden erstmal alle Inhalte pauschal blockiert. Ein Umstand, der den Facettenreichtum des Internets massiv einschränkt, wie Kritiker befürchten - eben weil die Netzkultur und die Pop-Kultur der Postmoderne massiv auf Intertextualität setzt. Befürworter des Gesetzes hingegen verweisen auf den Umstand, dass Plattformbetreiber mit urheberrechtlich geschützten Inhalten wissentlich Geld verdienen und demnach zu Lizenzabgaben verpflichtet seien. Jetzt gibt es aber bereits Mechanismen wie Content ID, die automatisiert Inhalte verwalten und monetarisieren und Tantiemen an Dritte ausschütten. In einer erheblichen Anzahl an Fällen ist es auch nicht ohne weiteres möglich, die Rechteinhaber zu identifizieren. Wie also sollen Upload-Filter diese Sisyphusarbeit meistern?

Artikel 11 wiederum bezieht sich auf das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Demnach müssten Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News für das Anzeigen von Artikel-Extrakten künftig Abgaben an die Verlage zahlen. Kritiker führen hier als als Gegenargument an, dass kleinere Verlage gegenüber Google in der schwächeren Verhandlungsposition seien - schließlich ist die Listung in Suchmaschinen ein wesentliches Marketinginstrument für kleinere Verlage. Zudem gibt es ein Leistungsschutzrecht in Deutschland bereits seit 2013, dennoch hat dieses nicht zu erheblichen Geldzahlungen an die Verlage geführt.

Die Befürchtung bei Artikel 13 ist auch, dass es nicht nur größere Plattformbetreiber wie YouTube betrifft, sondern auch Blogger- Fanseiten- und alle Websites, die auf andere Medieninhalte referrieren (es betrifft also auch das Projekt Otaku-Lounge.de). Was ist, wenn wir Texte oder Bildmaterial aus fremden Quellen nutzen, müssen wir da bei den Urhebern anfragen? Schließlich sind trotz non-kommerzieller Arbeitsweise unsere Arbeiten nicht auf einen kleineren Kreis beschränkt, sondern an eine Vielzahl potentieller Leser gerichtet.

Axel Voss, der Berichterstatter für die EU-Urheberrechtsreform, dürfte zurzeit der wohl meistgehasste Mensch des Internets sein. Er feierte den heutigen Beschluss als "Sieg für die Demokratie", die einzige Piratin im EU-Parlament Julia Reda sieht heute einen "schwarzen Tag für die Netzkultur". Man sieht, die Stimmung bleibt emotional aufgeladen.

Eine Petition („Save the Internet„) auf Change.org gegen die Reform erreichte über 5 Mio. Unterschriften, die dem Europaparlament vorgelegt wurden - ohne nennenswerten Erfolg.

Dominik Kis, einer der Träger der Petition zeigte sich in einem Pressestatement auf change.org erschüttert:

„Statt ein faires und gerechtes Urheberrecht für alle zu verhandeln, das nicht nur die Interessen von Großkonzernen in den Vordergrund stellt, hat das Europäische Parlament die Bedenken von fünf Millionen Bürgerinnen und Bürgern ignoriert."

Die Reform ist natürlich nicht unmittelbar ab sofort gültig. Stattdessen muss die Urheberrechtsreform erst noch in entsprechende Gesetze "gegossen" werden. Dafür hat das EU-Parlament bis zu zwei Jahre Zeit. Es wird also bis auf weiteres spannend und aufgeheizt bleiben.