EU / Griechenland: Verhandlungen ohne Anstand

Von Eckhardschulze

An und für sich hatten einige Politiker, darunter vor allem der deutsche Finanzminister Schäuble (CDU), das Standing und das Rückgrat der griechischen Verhandlungsführer Varoufakis und Tsirpas unterschätzt.

Jetzt war die Verhandlungskommission in Brüssel jedenfalls überrascht, als die Griechen vorzeitig die Verhandlungsrunde verließen; Schluss mit Lustig. Unterschätzt wurde wohl auch, dass sich eine neue Regierung, die für die Vergangenheit keine Verantwortung trägt, sich nicht jedes Benehmen bieten lässt. Unterschätzt wurde darüber hinaus, dass die neue griechische Regierung insbesondere die Ärmsten der Armen schützen will, damit die “neoliberalen Todesopfer”, mit verursacht durch die Bankenwelt und den Euro, nicht weiter ansteigen. So jedenfalls das Versprechen vor der Wahl.

Nur der neue Chef der EU-Kommission, Jean Claude Juncker, zeigte Verständnis für die Beendigung des “Krisen-Sterbens” in Griechenland, als in Deutschland, vor allem auch getragen durch die Primitiv-Presse und ARD-Sender, die neue Regierung verhöhnt wurde und ihr jede Chance abgesprochen wurde, eine wesentliche Veränderung der Vereinbarungen herbeizuführen.

Während Deutschland anscheinend bereit ist, für die Ukraine tief in die Tasche zu greifen, ein Nicht-EU-Land, wird das kleine Griechenland, das mit Wissen der volkswirtschaftlichen Probleme bei der Euro-Einführung aufgenommen wurde, in das ökonomische Desaster getrieben. Keine Spur von Selbstkritik, keine Spur von Ehrlichkeit, obwohl die Fakten offenkundig sind. Denn der jüngst verstorbene Prof. Hankel hatte mit seinen Mitstreitern, darunter die Professoren Starbatty und Spethmann, die volkswirtschaftlich zu erwartenden Verwerfungen aufgezeigt. All das wurde ignoriert; die Einführung des Euro führte damals zum Rücktritt des Bundesbankpräsidenten. Die vorgenannten Kläger scheiterten dann vor dem Bundesverfassungsgericht, weil sich die Richter offensichtlich für ökonomische Fragen als nicht zuständig erklärten.

Das mit dieser desolaten CDU/FDP-Politik unter Helmut Kohl in der Konsequenz heute und in absehbarer Zeit Sparer und Rentner in die Haftung genommen werden, bei Sparern alleine in diesem Jahr ca. 70 Milliarden Vermögensverluste durch die Niedrigzinspolitik zu erwarten sind, interessiert Merkel & Schäuble wenig. UNION und SPD hatten jedenfalls seit 2008 auf die Rettung der Banken und der Eliten in Deutschland und darüber hinaus, da interessierten Sparer und Rentner nur als Melkkühe bei der “Sozialisierung” der Folgen aus kriminellen Spekulationen, Casino-Zockereien, der Erfindung toxischer Derivate sowie den systemimmanenten volkswirtschaftlichen Verwerfungen der Euro-Einführung.

Es soll doch tatsächlich noch viele Sparer und Rentner geben, die an die “Alternativlosigkeit” der Merkel-Schäuble-Politik glauben (wollen).

Selbst bei der in den Medien hochgelobten “Bankenunion” (Rangfolge der Haftung bei drohender Insolvenz bzw. Abwicklung) wurden die Banken bzw. ihre Anteilseigner so gestellt, dass bei einer Insolvenz der Löwenanteil durch die Kontoinhaber (Sichteinlagen, Sparguthaben) und unbeteiligten Bürger aufzubringen wäre. Prof. Dres. Lutter würde wahrscheinlich angesichts solcher Regelungen von “Untreue” der Regierungsverantwortlichen sprechen und Prof. von Arnim würde an den Bruch des Amtseides erinnern, weil solche Regelungen mit dem Geist des Grundgesetzes nicht in Einklang zu bringen sind.

Die neue Regierung in Griechenland, die nicht für das desolate Regierungshandeln der Vergangenheit verantwortlich gemacht werden kann, muss jetzt den Neuanfang wagen, wenn die EU nicht endlich zur Vernunft kommt. Von Anfang an war seriösen Ökonomen klar, dass die einseitige Sparpolitik ohne Sinn und Verstand, erzwungen durch die Troika, nur zum Anstieg der Toten und der Obdachlosigkeit in Griechenland führen kann.

Frau/Mann darf gespannt sein, ob Tsipras und Varoufakis jetzt auf die “scheuen Rehe des Finanzmarktes” die Flinte anlegen und mit lautem Knall den durch Banken zu Spekulationszwecken aufgebauten Schuldenturm in Griechenland zum Einsturz bringen. Denn ohne drastischen Schuldenschnitt nahe 100 % wird es keine Zukunft für Griechenland geben.

Merkwürdig ist allerdings bis heute, dass, abgesehen von Dirk Müller (Mr. Dax) in seinem Buch SHOWDOWN, niemand von den enormen GAS- und Ölvorkommen rund um Griechenland und Zypern spricht. Das führt zu der Frage, ob sich bereits mächtige Kreise das Vermögen, das normalerweise dem griechischen Volk gehören sollte, unter den Nagel gerissen haben.

Darauf hinzuweisen ist, dass Dirk Müller mehrere Wochen in Griechenland war und intensiv nachgeforscht hatte, welchen Umfang die Energiequellen haben. Mit vielen Nachweisen hat er dargelegt, dass die Energievorkommen mit denen in Saudi Arabien mindestens vergleichbar sind. Eingeweihte wollen wissen, dass sogar dem Bundesfinanzminister bei dem ersten Griechenland-Rettungspakete die Energiequellen als “Sicherheit” angeboten wurden, was dankend abgelehnt wurde. Da wäre es c.p. interessant zu wissen, wovor Schäuble sich fürchtete.

Die öffentliche Brüskierung der neuen griechischen Regierung dürfte dazu führen, dass das für Deutschland unangenehme Thema der Rückzahlungsforderung der “Kriegskredite”, die mit Zins und Zinseszins derzeit rd. 11 Milliarden Euro umfassen, erneut diskutiert wird. Dass die Wiedervereinigung bzw. die 4+2-Verträge “rechtlich” keineswegs als “Friedensschluss” anzusehen sind, wird zuweilen von Juristen glaubhaft vorgetragen.

De jure ist die “BRD GmbH” auch nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, das nach höchstrichterlicher Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (70er Jahre) bis heute “ruht”, aber keineswegs untergegangen ist. Die zur Wiedervereinigung bestätigte Rechtsprechung ist nach Völkerrecht nach wie vor beachtlich. Die BRD ist NUR in ihrer “räumlichen Ausdehnung” allenfalls “teilidentisch” mit dem Deutschen Reich, so jedenfalls die bis heute geltende Rechtslage.

Anständig wäre es deshalb, konstruktive Gespräche mit der neuen griechischen Regierung zu führen und auf öffentliche Anfeindungen zu verzichten. Niemand sollte so tun, als ob der Ausstieg Griechenlands aus dem Euro bzw. der EU nicht auch die weitere Entwicklung der EU schwer beschädigen würde.

Insbesondere ist für die Bürger EU-weit deutlich geworden, dass der toxische Neoliberalismus im wahrsten Sinne des Wortes Leben in Griechenland und darüber hinaus gekostet hat.

Es ist mehr als deutlich geworden, dass derzeit die EU eine neoliberale Interessenvereinigung der Industriekonzerne, der Banken und der abgehobenen Eliten in Bürokratie und Parteienlandschaft ist. Die Bürger bleiben weitgehend auf der Strecke; ob sie am Ende durch “Banken-Rettungspakete” sterben oder ihre letzten Lebensjahre in bitterer Armut verbringen müssen, scheint den abgehobenen Eliten einerlei zu sein. Jedenfalls war bis heute nicht feststellbar, dass die EU-Administration oder EU-Mitgliedsländer gehandelt hatten, als die Selbstmordrate und die Obdachlosigkeit in Griechenland dramatisch anstieg. Die von der Troika gedemütigten Regierungen wurden alleine gelassen.

Welchen Wert hat solch eine EU, die geradezu eine gezielte Verarmung des unteren Drittels der Bevölkerung herbeiführt, damit die Eliten reicher und reicher werden.

Gegen diese Unanständigkeit ist die neue griechische Regierung angetreten. Da in Deutschland mit der AGENDA 2010 bzw. Neufassung des Sozialgesetzbuches in 2004 eine “Unterschicht” geschaffen wurde, die überwiegend dauerhaft in prekären Arbeitsverhältnissen und der verordneten Armut verbleiben sollen, sollte die Südschiene der EU diesem Beispiel folgen. Dagegen haben sich die Griechen mit Erfolg zur Wehr gesetzt.

Alleine deshalb darf die neue griechische Regierung aus deutscher Sicht keinen Erfolg haben. Ob Merkel & Co. es wagen werden, den Austritt Griechenlands aus dem Euro zu erzwingen, weil stur an den Sparprogrammen und der Ausplünderung = Privatisierung Griechenlands festgehalten werden soll, bleibt abzuwarten.

Das Risiko des möglichen Austritts aus dem Euro sollte nicht unterschätzt werden. Die Bürger in Spanien und Frankreich werden jedenfalls aufmerksam verfolgen, ob nach wie vor die EU bzw. Deutschland als größter Zahler weiterhin auf der Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bestehen, damit die KONZERNE und Banken mit ihrer Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe und niedrigen Steuern unangetastet bleiben können.

Wer nicht den ANSTAND bewahren kann, weil er möglicherweise gar nicht versteht was das ist, wird die EU mindestens spalten.

Die Situation Griechenlands zeigt auf, dass die EU eine “Runderneuerung” benötigt. Die Bürger müssen sich stärker einmischen und der Demokratie in der EU zum Durchbruch verhelfen. Denn die Demokratie ist in der EU Mangelware.

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