EU: Diagnostik vor der Wahl (Teil2)
Dunkle Listen, windige Bürokraten, Bevormundungslogik und Wählerbeschimpfung
Wer gewählt wird, bestimmen die Parteien schon vorher – Viele Wähler glauben, ihre Stimme sei wertlos. “SU VOTO (Por Favor)” – Ihre Stimme, bitte – Foto: © Thorsten de Jong / Pixelio.de
Aber es sind nicht nur das Management der Finanzkrise, die zum großen Teil hausgemacht war, samt des desaströsen Auftritts in der Außenpolitik, der auf Expansion, Spaltung und Kriegspropaganda zielte, welche angesichts der bevorstehenden Europawahl in Betracht gezogen werden müssen. Es sind noch einige andere Faktoren, die bei der Kritik eine Rolle spielen:
Europawahlen: Bei weitem keine direkte Demokratie
Die Europawahl selbst, so wie sie momentan beim Wähler aufschlägt, dokumentiert bereits das erste Ärgernis: Vor den Wählerinnen und Wählern erscheinen Kandidaten, die aufgrund von Parteiabsprachen und Listenpositionierung dort stehen und nicht, weil der europäische Souverän direkt darüber befunden hätte. Nur die Länder und Parteien, die ihre Macht bereits gefestigt und über entsprechende Lobbys verfügen, sind in der Lage, so genannte Spitzenkandidaten zu etablieren. In diesem Falle eine Form der zu indirekten, nämlich keiner Demokratie.
Spitzenbeamte, die im Dunkeln agieren und Parteisoldaten-Friedhof
Ein weiterer Affront gegenüber den europäischen Wählerinnen und Wählern ist die Platzierung von Spitzenbeamten innerhalb der Brüsseler Bürokratie. Sie werden von den jeweiligen Regierungen dorthin gesandt, bekleiden hoch dotierte Ämter, operieren zumeist im Dunkeln, besitzen keinerlei Mandat und hecken Dinge aus, die keiner will. Von deutscher Seite seien nur Namen wie Oettinger genannt, der nach Merkels Meinung aus Baden-Württemberg verschwinden musste, dort als EU-Kommissar für Energiefragen unterwegs ist und ab und zu mit sehr erratischen Einwürfen von sich hören lässt. Edmund Stoiber seinerseits erhielt ein EU-Kommissariat quasi für sein Lebenswerk, sollte sich mit dem Bürokratieabbau beschäftigen und fiel nie, nicht ein mal auf. Seitdem schmückt er mit seiner Persönlichkeit die Bürokratie in voller Blüte.
Transatlantische Lobbyisten und chemisch gereinigte Grüne
Karl Theodor von und zu Guttenberg wiederum bekam jenseits der Öffentlichkeit ein Mandat zur Koordination und Pflege der transatlantischen Kooperation mit den USA. Der ehemalige Verteidigungsminister scheint seitdem wenig zur Pazifizierung beigetragen zu haben. Das sind nur drei Beispiele, auch aus der Vergangenheit ließe sich noch einiges berichten, bis hin zur chemischen Reinigung von Cem Özdemir, der zumindest temporär in Deutschland nicht mehr tragbar war.
Negierung von Autonomie und Souveränität
Das, was eine nicht sonderlich transparente Bürokratie verzapft, ist nicht das, was die Völker Europas brauchen. Vorschriften und Regelungen, die immer, in allen Fällen von einem ausgehen: Sie negieren die Souveränität und Autonomie derer, die es betrifft. Eine Bevormundungslogik, gepaart mit einer bürokratischen Engstirnigkeit, verwandelt zunehmend mehr den europäischen Raum in eine repressive Vollzugsanstalt. Vom Servieren des Olivenöls über die Eliminierung der Glühbirnen bis zur Verhängung des Rauchverbots: Nie entscheiden die Betroffenen und der Markt. Letzterer hat nur eine Relevanz, wenn er nicht die monopolistische Steuerungslogik konterkariert.
Die EU, begründet als ein Netzwerk und eine Infrastruktur zur Entwicklung des gegenseitigen Vorteils, ist nicht nur zu einer gigantischen, sondern auch monopolistisch agierenden Bürokratie geworden, die alles zu regulieren und steuern sucht. Kein Bootsanlegesteg am Lauf der Weser und keine Bio-Müllanlage an der sizilianischen Küste, an denen nicht Hinweise zu lesen wären, dass sie EU-finanziert seien. Zentrale Finanzierung erfordert zentrale Töpfe, und so werden selbst Miniaturprojekte in den entferntesten Winkeln Europas von Brüssel aus gesteuert.
Denunziantentum, statt gelebter Demokratie
Und, um zu einem Ende zu kommen: So kurz vor den Wahlen sei den Wählerinnen und Wählern noch eine Bemerkung erlaubt: Es existieren zahlreiche Gründe, den gegenwärtigen Zustand der EU und die Ausübung der Amtsgeschäfte derer, die in ihrem Namen agieren, zu kritisieren. Das ist nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht des Souveräns. Diesen nun, sobald Kritik geäußert wird, als Anti-Europäer oder gar Rechtsradikalen und Faschisten zu diskreditieren, dokumentiert, dass hier ganze Kohorten von Politikern die Spielregeln nicht mehr begreifen. Europa wird gefährdet vor allem durch diese Denunzianten.
von Gerhard Mersmann und Hans-Udo Sattler
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Stoiber seit 7 Jahren für Bürokratieabbau zuständig, im Interview am 9.5.2014:
“Ich warne davor, den Menschen Hoffnung zu machen, es wird weniger [Gesetze und Regelungen geben]. Nein, es wird mehr.”
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Video: IHK München TV.
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Quellen – weiterführende Links
Foto: © Thorsten de Jong / Pixelio.de
Politropolis: Guttenberg und das transatlantische Syndikat
Spiegel: EU-Internetbeauftragter Guttenberg: Der Phantom-Berater