Ihr Lieben,
heute Nachmittag möchte ich Euch eine Geschichte von Henri Nouwen erzählen:
„Weil er nutzlos war…“
„Ein Zimmermann und sein Lehrling gingen miteinander durch einen großen Wald.
Als sie auf einen großen, riesigen, knorrigen, alten, wunderschönen Eichbaum stießen, fragte der Zimmermann seinen Lehrling:
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„Weißt Du, weshalb dieser Baum so riesig, so knorrig, so alt und so wunderschön ist?“Der Lehrling schaute seinen Meister an und sagte:
„Nein…warum?“
„Deshalb“, sagte der Zimmermann, „weil er nutzlos war. Wäre er brauchbar gewesen, dann wäre er schon lange gefällt und zu Tischen und Stühlen verarbeitet worden. Aber weil er unbrauchbar war, konnte er so groß und so wunderschön werden, dass man sich in seinen Schatten setzen und sich unter ihm erholen kann.“
Ihr Lieben,
viele von denen, die inzwischen das Buch DAS ESELSKIND bekommen haben, haben mir geschrieben und sich mit mir gefreut, dass aus dem damaligen so ängstlichen Opfer heute ein Erwachsener geworden ist, der Freude und Liebe ausstrahlt.
Dass ich das heute kann, hat sicher auch mit der Kindheit und Jugend zu tun,
da geht es mir ähnlich wie dem Baum in unserer Geschichte.
Die ständigen Demütigungen führten damals dazu, dass ich mich als Kind und Jugendlicher wie ein Stück Dreck fühlte, nichts wert, nicht liebens-wert, zu nichts nutze.
Besonders die Aussage eines Lehrers, dass ich es nicht wert sei,
überhaupt zu leben, kränkten mich zutiefst.
Als ich mich darüber einmal bei der Mutter meines Jugendfreundes beklagte, sagte sie zu mir:
„Du musst lernen, nicht immer in den Straßendreck zu sehen, schau lieber auf die Sterne am Himmel! Du hast das Gefühl, nichts wert zu sein? Das mag Dir so vorkommen, aber gerade dieses Gefühl hat Dich menschlich gemacht, hat mit dafür gesorgt, dass Du Hans Christoph, den wegen seiner schweren Krankheit niemand zum Freund haben wollte, als ganz normalen Jungen behandelst. Du hast ihm viel Freude und viele unvergessliche Erlebnisse ermöglicht, die er ohne Dich nie erlebt hätte.“
Da begriff ich zum ersten Mal in meinem Leben, dass auch ein Mensch, der nicht stark ist, der nicht heldenhaft ist, der gedemütigt, geschlagen, gequält und missbraucht wird, dennoch anderen Menschen Freude bereiten kann.
Wäre ich damals ein großer kräftiger junger Mann gewesen, hätte sich sicher niemand an mit vergriffen. Aber es kann gut sein, dass ich mich dann auch nicht für das Schicksal meines Jugendfreundes interessiert hätte und dass ich heute vielleicht nur auf meinen eigenen Vorteil bedacht wäre.
Die oben abgebildeten Lufballons sind für mich ein wundervolles Sinnbild:
Eigentlich sind Luftballons gar nichts wert. Es handelt sich lediglich um ein aufgeblasenes Stück Plastik und doch erfreuen bunte Lufballons Klein und Groß.
Unsere heutige kleine Geschichte möchte uns zurufen:
Egal, in welchen Schwierigkeiten Du steckst, egal, wie wertlos und unnütz Du Dich fühlst, schau auf den Baum unserer Geschichte und begreife, dass auch Du ein Mensch bist, über dessen Liebe und Zuwendung sich andere Menschen freuen, dass auch Du ein Mensch bist, der wertvoll ist.
Ich wünsche Euch einen fröhlichen Nachmittag und grüße Euch herzlich aus Bremen
Euer heiterer Werner
Quelle: Karin Heringshausen
