Etwas anderes.

Von Dina

Von mir gab es hier leider schon lange nichts mehr zu hören oder zu lesen.
Dafür möchte ich mich vorweg entschuldigen, doch ich muss auch sagen, dass es hierfür einen Grund gibt.

Gerne würde ich euch meine neuesten Kosmetik Errungenschaften vorstellen und zeigen, gerne würde ich darüber schreiben, wie sie mir gefallen und euch Fotos davon zeigen.

Doch, zu dieser Zeit gehen mir einfach andere Dinge durch den Kopf und ich habe – um ganz ehrlich zu sein – gerade keine Lust, mich mit Make-Up oder Fashion, Backen und was es nicht alles so gibt, zu befassen.

Es gibt Dinge im Leben, die wichtiger sind als alle diese Oberflächlichkeiten.

Ich war heute in Traiskirchen.
Bevor wir uns auf den Weg dorthin machten, packten wir viele Taschen. Wir füllten sie mit Essen, Getränken, Hygieneartikeln, Blöcken, Stiften und Kuscheltieren. Am Vormittag brachen wir auf und machten uns auf den Weg.

Wir wussten nicht so recht, was uns erwarten würde. Im Internet liest man vieles. Man findet Berichte von Leuten, die sagen, dass die Flüchtlinge sehr aufdringlich sind, dass sie Hunger haben und Durst, dass es ihnen an allem mangelt und dass sich dort fast nur Männer herumtreiben. Teilweise voreingenommen von diesen Texten, doch aber auch gespannt und offen für alle neuen Eindrücke kamen wir an Mauern, bestückt mit Kameras und Arealen die die Flüchtlinge mit Gitterstäben, vom Rest der Welt trennen vorbei. Dann kamen wir beim Flüchtlingslager an. Unser Kofferraum war voll mit besagten Taschen und sofort, als wir das Auto abstellten, kamen Männer von allen Seiten auf uns losgestürmt.
Wir öffneten den Kofferraum und sie sahen die Taschen. Sofort begannen Leute Taschen aus dem Auto zu entnehmen, ohne zu wissen, was sich eigentlich darin befand. Nun kamen auch ein paar Jugendliche/Kinder dazu.
Als wir ihnen sagten, dass sie bitte warten sollten, hörten sie uns zu und viele hielten sich daran, gingen einen Schritt zurück und warteten, bis sie an der Reihe waren.

Am meisten freuten sie sich allem Anschein nach über die vielen Blöcke, die wir dabei hatten und die Limonaden, die wir ihnen in die Hände gaben.

Nachdem wir beinahe unser gesamtes Auto ausgeräumt hatten, begannen wir mit den Leuten zu sprechen – teilweise außerhalb des Lagers, teilweise über Gitterstäbe hinweg – und versuchten, sie ein wenig kennenzulernen.
Alle, mit denen ich sprach, waren sehr freundlich, sehr offen und schienen sich darüber zu freuen, dass sie jemanden zum Reden hatten. Niemand von ihnen bettelte uns an. Als ich dann fragte, ob sie irgendetwas benötigen, sagten sie zu einem großen Teil, dass sie nichts bräuchten.

Nach einer gewissen Zeit des Redens sagte mir ein Tunesier – wohlgemerkt mit abgeschlossener Ausbildung – , dass er sich einen Freund wünsche, der mit ihm nach Wien fahren würde, der ihm die Oper zeigen würde und ihm die Stadt ein wenig vorstelle. Er kenne sich in Wien gar nicht aus und wüsste nicht, wie man wohin kommt. Dieser Mann aus Tunesien war bereits in Griechenland und Italien, so etwas wie hier habe er aber noch nie erlebt. Er zeigte hinter sich, wo Leute vor Zelten herumsaßen, Brot neben sich liegend, sich irgendwie die Zeit vertreibend, gelangweilt durch die Gegend starrend.
Ein Zweiter kam zu mir mit seinen Freunden – sie kamen alle aus Afghanistan – , diese meinten, sie würden gerne einen Deutschkurs besuchen, sie wüssten aber nicht, wo dieser stattfindet, ob ich ihnen weiterhelfen könnte. Leider wusste ich ihnen nicht zu helfen – ich war zum ersten Mal dort. Da stellt sich mir die Frage: Warum geben ihnen die Angestellten keine Auskunft darüber?

Ein nächster kam zu mir, quatschte eine Weile mit mir und sagte mir, dass er aus dem Irak kommt. Er erzählte mir, er habe im Lager einen falschen Ausweis bekommen und er würde gerne mit einem Anwalt reden. Er zeigte mir seinen Ausweis und tatsächlich: Es war sein Foto darauf, als sein Herkunftsland war aber Indien angegeben. Auch der Name auf seinem Ausweis war nicht derselbe: er hatte jetzt einen indischen Namen. Kurz darauf zeigte er mir seine Papiere – keine offiziellen Dokumente, dennoch aber Papiere, auf denen ganz klar sein Name und seine Herkunft vermerkt waren. Wie kann so etwas passieren? War es Absicht?

Viele Geschichten könnte ich euch erzählen, viele verschiedene Erlebnisse, die ich geschildert bekommen habe. In Traiskirchen befinden sich so viele unterschiedliche Menschen. Manche sind schon monatelang dort, manche erst seit ein paar Tagen. Sie sind alle verschieden, kommen aus anderen Ländern und doch haben sie eines gemeinsam: Sie wissen nicht, was sie mit ihrer Zeit dort anfangen sollen. Sie wissen nicht, wie es weitergehen wird, sie wissen nicht, wie lange sie noch dort sein werden. Diese Ungewissheit und teilweise auch Hoffnungslosigkeit – denn wie vielen wird hier in Österreich wohl Asyl gewährt werden? – prägen das Bild des Lagers.
Es ist nicht der Müll, der herumliegt – davon gibt es kaum etwas (vielleicht hat sich das Bild durch den Bericht von Amnesty International geändert, ich weiß es nicht), es sind die Menschen, die so viel durchgemacht haben und jetzt nicht wissen, wie es weitergehen wird, was morgen passiert, was in 3 Wochen sein wird, die die Landschaft prägen.

Wenn ihr Zeit habt, besucht diese Leute. Nehmt euch etwas Zeit für Menschlichkeit, redet mit ihnen, erzählt ihnen etwas und lernt sie kennen. So viele werden auf euch zukommen, es ist nicht schwierig, dort jemanden zum Reden zu finden. Verschönert ihnen ihren Tag und versucht ihnen ein Lächeln auf’s Gesicht zu zaubern, sie haben trotz allem ihren Humor nicht verloren.

Falls ihr Spenden mitbringen wollt, ich habe nur mit eine Bruchteil der Leute im Lager gesprochen, ein paar kleine Wünsche haben sie geäußert:

– große Taschen
– Schuhe und Socken (vorwiegend für Männer; Gr. 40, 41, 42, 43)
– Jacken (denn es wird regnen!)
– Blöcke und Stifte
– Wörterbücher und Deutschbücher
– Süße Getränke können nie schaden und auch über
– Süßigkeiten wie Knoppers freuen sie sich sehr

Nach all den Eindrücken, die ich heute gewonnen habe, stellen sich mir mehrere Fragen.
Was passiert, wenn es regnet? Warum, wenn die Flüchtlinge schon ihre Dokumente bekommen, warum sind diese falsch? Warum, wenn sie schon nach Wien fahren wollen, erklärt man ihnen nicht wie sie irgendwohin kommen? Warum müssen sich Anrainer und andere Privatpersonen um diese hilflosen Menschen kümmern? Warum schaffen das die Lagerbetreiber nicht? Warum schaut die Regierung weg?
Ich war heute nur kurz dort und bin teilweise fassungslos, teilweise aber auch von der Freundlichkeit der Lagerbewohner überrascht.

Danke an all jene, die sich für diese Menschen einsetzen, danke an jeden von euch, der sie bereits besucht oder gespendet hat!

Danke für’s Lesen.