Erkenntnis der Woche: an Beziehungen muss man arbeiten.
Das ist zwar eine Plattitüde, falsch wird sie dadurch aber nicht.
Ganz im Gegenteil.
Lange Jahre war ich ein großer Fan des Niedertemperaturgarens. Mit großer Akribie habe ich eine Stunde, bevor das Essen geplant war, das Fleisch bei Raumtemperatur aufwärmen lassen, es sorgfältig angebraten und dann im Ofen mit Thermometer gar ziehen lassen. Dabei hatte es sich zu einer Art Familiensport entwickelt, immer größere Stücke Fleisch im Ganzen zu garen. Serviert wurden dann zum Ende hin bis zu fünf Zentimeter hohe, wunderbar rosa gegarte Stücke Rind, die zwar toll anzusehen waren, denen aber irgendwie etwas fehlte.
Nur was?
Den entscheidenden Hinweis lieferte ein Freund, der sich seit Jahrzehnten mit dem Vertrieb von sehr hochwertigen Lebensmitteln beschäftigt. Der hatte an einem Abend unanständig kostspieliges japanisches Rindfleisch besorgt und sich für die Zubereitung eine Methode vorgenommen, die mich zunächst schaudern ließ.
Nämlich: man erhitzt eine Edelstahlpfanne ohne Fett 15 Minuten bis es knistert, knackt und einem Angst und Bange wird. Dann kommt ein Schuss Öl in die Pfanne und die nur 1,5 cm dick geschnittenen Steaks werden von jeder Seite jeweils ca. 30 Sekunden gebraten. Dann ruhen die Steaks noch fünf Minuten unter Alufolie – und fertig!
Das Ergebnis war – für mich völlig unerwartet – spektakulär…
Röstaromen ohne Ende, eine phänomenale Kruste, herrliches Fleisch mit einer festen und dennoch butterzarten Struktur.
An diesem Abend habe ich endlich verstanden, was mich am Niedertemperaturgaren so gestört hat. Gart man nämlich Fleisch für vier bis sechs Personen am Stück, ist die Außenfläche zu klein, um ausreichend Röstaromen zu produzieren. Außerdem fehlt es dem Fleisch an Struktur und Festigkeit…
Worum gehts?
Beim Niedertemperaturgaren (NT) handelt es sich um eine zweifellos geeignete Methode um Fleisch zu garen.
Vorausgesetzt, man hat Zeit und die notwendige Muße, sich nicht zu weit vom Ofen weg zu bewegen.
Das Konzept ist einfach: man brät ein Stück Fleisch sehr scharf an, verfrachtet es dann in den lauwarmen Ofen und es lässt es dort bis zur idealen Kerntemperatur gar ziehen (das Ganze funktioniert übrigens auch anders herum: erst NT Garen, dann Braten. Ich persönlich ziehe jedoch die erste Variante vor).
Die Methode funktioniert grundsätzlich für alle Arten Fleisch und Fisch. Sie ist aber am besten für magere Stücke Fleisch geeignet, die wenig Kollagen enthalten.
Der Prozess
1.) Vorbereitung
a) Aufwärmen
Viele Rezepte raten, das Fleisch eine gewissen Zeit vor dem Anbraten bei Raumtemperatur „aufwärmen“ zu lassen. Die Idee: kommt das Fleisch in die heiße Pfanne, ist der „Hitzeschock“ weniger groß.
Ich habe diese Methode jahrelang überzeugt praktiziert. Dennoch bin ich, nach einigen aus der Not geborenen „Zuwiderhandlungen“, zu dem Ergebnis gekommen, dass das Aufwärmen völlig überflüssig ist. Sprich: ich konnte keinen Unterschied zwischen „Aufgewärmten“ und „Kühlschrank-kaltem“ Fleisch feststellen.
Rückwirkend kommt mir die Methode auch wenig überzeugend vor, denn: das Fleisch trifft in der Pfanne auf affenheißes, sprich: über 200 Grad heißes Fett. Wie wahrscheinlich ist es da, dass eine Ausgangstemperatur von 6 oder 21 Grad einen substantiellen Unterschied macht?
b) Auf die Größe kommt es an
Die Größe des Stückes ist absolut entscheidend. Es ist mit der NT-Methode nämlich kein Problem, ein großes 1,4 Kilo-Stück Rind für vier Personen am Stück zu garen.
Das ist zweifellos eindrucksvoll, hat aber einen entscheidenden Nachteil: die Auflagefläche beim Anbraten, also die Fläche, an der sich eine Kruste incl. Röstaromen entwickeln kann, ist deutlich kleiner, als wenn man die vier Stücke einzeln anbraten würde.
Außerdem entwickelt sich bei größeren Stücken die Textur anders: sie ist weicher und, wenn man es böse formulieren will, „wabbelig“. Bei kleineren Stücken, bis zu einer Höhe von drei Zentimetern, ist das Fleisch zwar fast genauso zart aber deutlich fester.
2.) Anbraten
Man brät das Fleisch in hoch-erhitzbarem Fett in einer Ofen-tauglichen Pfanne (kein Plastikgriff) von allen Seiten scharf an. Das sorgt mithilfe der Maillard-Reaktion für die begehrten Röstaromen.
Poren, die es zu schließen gilt, gibt es nicht.
Hat das Fleisch auf beiden Seiten einen 1A-Bräunungsgrad, zieht man die Pfanne von der Hitze, gibt ein sehr großzügiges Stück Butter hinein, sticht ein Fleischthermometer in die dickste Stelle des Fleisches und verfrachtet die Pfanne in den warmen Ofen.
3.) Niedertemperatur
Die ideale Temperatur für das Niedertemperaturgaren liegt bei um 80 die Grad (Ofen, Ober- und Unterhitze). Sie lässt sich aber, wenn es schneller gehen soll, ohne nennenswerte Qualitätseinbußen temporär bis ca. 120 Grad steigern.
Am besten übergießt man dann alle zehn bis fünfzehn Minuten das Fleisch mit der flüssigen Butter und wartet, bis die Kerntemperatur auf 54 Grad (für Medium) gestiegen ist.
Dieses Übergießen, auch Arosieren genannt, ist – zumindest nach meiner Erfahrung – von absolut zentraler Bedeutung.
Durch das regelmäßige Übergießen wird der Garprozess erheblich beschleunigt, er läuft gleichmäßiger und das Fleisch trocknet an den Rändern nicht aus.
4.) Ruhen lassen
Bei 54 Grad Kerntemperatur (für rosa) nimmt man die Pfanne aus dem Ofen, bedeckt sie mit Alufolie und lässt das Fleisch 10 Minuten ruhen.
Warum das Ruhen lassen essentiell wichtig ist, könnt Ihr hier nachlesen.
Dann: Aufschneiden, Servieren. Fertig!
Es kann kaum etwas schief gehen.
Fazit
Niedertemperaturgaren ist nach wie vor eine effektive wie gut einsetzbare Technik. Für einen intensiven Geschmack und eine schöne Textur ist es allerdings günstig,
- keine zu dicken Stücke zu verwenden,
- das Fleisch eher portionsweise als im Ganzen zu garen und
- das Fleisch im Backofen regelmäßig mit Butter zu übergießen.
Und schon ist die Beziehung wieder ein Träumchen
Zum Rezept:
Fleisch
200 – 250 g Entrecote pro Nase, 2 – 2,5 cm dick geschnitten
Viel Butter
Schwarzer Pfeffer
Maldon Sea Salt
Das Fleisch in der sehr heißen Pfanne scharf anbraten. Dann von der Hitze nehmen, die Butter dazu geben und im 80 Grad warmen Ofen gar ziehen lassen.
Dabei alle fünf Minuten mit der Butter arosieren.
Salz und Pfeffer erst direkt vor dem Servieren über das Fleisch geben.
Italienischer Nudelsalat
500g Nudeln, z.B. Farfalle
150 ml Kalbsfonds
1 TL Senf
4 EL Olivenöl
6 EL Balsamicoessig o.ä.
1 EL Honig
2 Zweige Rosmarin
1 Zweig Thymian
4 – 6 Knoblauchzehen
2 Handvoll Rucola
100 g schwarze Oliven, grob gehackt
100 g getrocknete Tomaten, in Streifen geschnitten
1 EL Pinienkerne, geröstet
Salz
Pfeffer
Den Kalbsfonds aufkochen und mit Rosmarin, Thymian und Knoblauch ein halbes Stündchen ziehen lassen. Dann passieren.
Die Nudeln kochen, abschütten und kalt abschrecken. Kalbsfonds mit Senf, Öl, Essig und Honig verrühren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken und dann mit den Nudeln mischen. Dann Tomaten, Oliven und Pinieenkerne dazu geben.
Ziehen lassen.
Vor dem Servieren mit Essig, Öl, Salz und Pfeffer abschmecken und den Rucola unterrühren.
Dazu passt…
J.L. Chave – Côtes du Rhone „Mon Coeur“2013
Die Domaine Chave umwittert nicht ohne Grund der Mythos der Genialität. Die Hermitage-Weine sind so phänomenal wie unbezahlbar – zumindest als Hauswein Da kommt der „Mon Coeur“ gerade Recht. Der hat zwar auch die Kraft eines waschechten Côtes du Rhone, verfügt aber gleichzeitig über ein Maß an Eleganz und Finesse, die einen schon mal ungläubig die Augen reiben lassen kann. Das ist bezahlbarer Superstoff.
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