Essai 63: Über unhöfliche Weltverbesserer und Gutmenschen ohne Manieren

Es fasziniert mich immer wieder, wie Menschen so komplett von sich überzeugt sein können, dass sie überhaupt nicht merken, wie eklatant scheinheilig sie sich aufführen. Besonders ist mir das bei vermeintlichen Weltverbesserern und selbsternannten Gutmenschen aufgefallen. Und wehe dem, der ihre sowas von total uneigennützigen Motive in Frage stellt. Da ist man dann vorsichtshalber gleich mal eingeschnappt und wird patzig.

Ich muss gestehen, ich war etwas – na ja, nicht fies … – sagen wir direkt zu einem Vertreter dieser Spezies, als er mich letztens für einen bekannten Tierschutzverein begeistern wollte. Zu meiner Verteidigung möchte ich kurz hinzufügen, dass ich in der Innenstadt andauernd von solch idealistisch anmutenden Helden der Selbstlosigkeit belagert werde und sich nicht selten herausstellt, dass sich durchaus unlautere Absichten hinter der jovialen Art verbergen und man sich hinterher mit Einschreiben und Anwälten herumärgern muss, um das Zwei-Jahres-Zeitschriften-Abo das man gar nicht wollte wieder loszuwerden.

Besagter junger Herr also kam mir im ersten Moment noch bekannt vor, daher ließ ich ihn auf mich zukommen und sein breites Grinsen spazieren tragen, bis ein Ausweichmanöver oder eine umgehende Tarnmaßnahme unmöglich war. Und dann sah ich es: Scheiße, ein Klemmbrett!

Er ratterte quietschvergnügt seine gutgelaunten Floskelchen vom Stapel und wie toll doch dieser Verein sei und – habe ich schon erwähnt? – komplett uneigennützig und so weiter und so fort.

Als er nach fünf Minuten doch mal Luft holen musste (auch Gutmenschen sind nur Menschen und müssen ab und zu atmen), nutzte ich flux die Gelegenheit was zu fragen: „Ich vermute, Sie wollen Geld haben?“ plumpste mir dann verhältnismäßig unsubtil aus dem Mund noch ehe mir eine diplomatische Art und Weise dieses Thema in blumige Worte zu kleiden eingefallen war.

Ich fürchte, ich habe den armen Kerl ganz schön aus dem Konzept gebracht. Jedenfalls kam er verbal ins Straucheln: „Ja, nee. Ähm. Also, mir geht’s persönlich darum, dass… Öhm, also, Ähm…“ und während ich noch einer Beantwortung meiner Frage harrte, pampte es plötzlich von gegenüber: „Ach. Du hast da ja eh kein Bock drauf!“

Schwupps! Weg war er. Hat mich da einfach stehen lassen.

Ich finde das sehr unhöflich. Man kann doch wenigstens „Tschüss“ sagen. Aber das reine Effizienzstreben ist offensichtlich inzwischen auch schon bei den geistigen Nachfahren Mutter Theresas angekommen. Der hat wohl gedacht, bei der ollen blöden Kuh ist nichts zu holen, dann nichts wie weg hier. Bei der nächsten Kuh einen Melkversuch starten. Und wenn nicht einmal mehr die Weltverbesserer heutzutage Manieren haben, worauf kann man denn dann heutzutage noch zählen?

Ja, es ist traurig und ich bin betroffen. Ich würde ja gerne helfen, mit Tatkraft oder indem ich eines der bedrohten Tiere zu Hause aufnehme (eine bedrohte Hauskatze vielleicht, oder ein bedrohtes Meerschweinchen) oder mit moralischer Unterstützung oder so. Aber bei Geld weiß man ja gar nicht, ob das nachher auch bei den Tieren ankommt.

Oh Mist, ich hab es schon wieder getan: die edlen Motive der Heiligen des 21. Jahrhunderts angezweifelt und ihnen mangelnde Uneigennützigkeit unterstellt.Was soll ich sagen, ich bin eben kein Gutmensch. Aber ich tu wenigstens auch gar nicht erst so, als ob.

So. Und nun dürfen Tomaten auf mich abgefeuert werden.


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