Essai 62: Über Windmühlenkämpfe, Knöllchenritter und Hasenbilder

Fantasy-Filme haben uns verkorkst. Durch markige Phrasen à la „Du musst nur an dich glauben, dann schaffst du alles!“ oder „Kämpfe für deinen Traum und alles wird gut!“ sind wir dem verheerenden Irrglauben aufgesessen, wir müssten immer und überall für alles kämpfen.

Das ist so in unserer Gesellschaft verbreitet, dass wir sogar dann für etwas kämpfen, wenn ein Sieg völlig aussichtslos ist und wir uns nur lächerlich machen. Aufgeben ist nicht. Da könnte ja jeder kommen und wo kämen wir dann hin, wenn das hier jeder machen würde?

Es scheint tatsächlich kaum jemand in Erwägung zu ziehen, dass man auch mal einen würdevollen Abgang machen kann, bevor es anfängt albern zu werden. Nee, nee. Das ist schließlich jedermanns gutes Recht, für sein Recht zu kämpfen. Und wer Recht hat mit dem, was das eigene Recht ist und was nicht, das bestimmt man natürlich auch selbst.

Und wenn man sich ganz doll anstrengt in seinem Kampf und sogar Anwälte mit hinzuzieht, dann landet man zur Belohnung auch in der Zeitung und darf sich vor dem ganzen Land blamier- äh für sein gutes Recht einsetzen.

So wie der selbsternannte Kreuzritter der Knöllchenjagd, genannt Knöllchen-Hans (Name von der Redaktion geändert). Der Frührentner hat sich lange Zeit darum befleißigt, sämtliche Parksünder in seiner Gegend zu notieren und bei der Polizei zu denunzieren. Wir bräuchten mehr solche Helden, damit unsere Straßen wieder sauberer würden. Kann ja nicht angehen, dass hier die Leute falsch parken. Wenn die Erde untergeht, dann wissen wir ja schon mal wer Schuld dran ist. Und jetzt kommt aber der Oberhammer, der Skandal der Skandale, die Ungerechtigkeit der Ungerechtigkeiten: Knöllchen-Hans wurde geblitzt. Ja. Er ist zu schnell gefahren. Nur 15 km/h, das macht eine Strafe von 10 Euro. Nun könnte unser unbeugsamer Knöllchenritter natürlich klein beigeben, die 10 Euro einfach bezahlen und künftig entweder etwas toleranter gegenüber seinen Mitmenschen oder etwas achtsamer bezüglich seines eigenen Verhaltens sein und die Sache wäre erledigt. Nicht aber mit Knöllchen-Hans! Wie es sich für eine wahre Kämpfernatur, für einen Helden des Alltags gehört, hat er gegen den Strafzettel Beschwerde eingelegt und Anzeige erstattet. Es geht ja schließlich um seine Ehre, nicht wahr, und das kann man sich ja wohl nicht bieten lassen, 10 Euro, ich glaub es hakt, diese Halsabschneider. Nö, da riskiert man mal lieber erhebliche Mehrkosten und dass ein ganzes Land sich beömmelt, als dass man da nachgibt. Denn dass der Klügere nachgibt, ist ein Mythos. Nein, der Schwächere gibt nach. So sieht das aus.

Und da würde die Lehrerin, die eine ihrer Schülerinnen hasenbedingt verklagt hat, unserem Knöllchen-Hans absolut zustimmen. Diese Geschichte macht nun auch schon seit ein paar Tagen die Runde durch die Zeitungen. Eine Schülerin und eine Lehrerin haben gleichzeitig an dieselbe Schule gewechselt. Was genau passiert ist, ist wohl nicht bekannt, aber es ging irgendwie um Hasen. Es endete (bisher) damit, dass die Lehrerin die Schülerin verklagte, weil diese (angeblich) Hasen an die Tafel gemalt hat und noch dazu überall herumerzählt haben soll, dass die Lehrerin vor den flauschigen Langlöffeln Angst hätte. Was natürlich gar nicht stimmt und absolut frei erfunden ist, deswegen muss man die Schülerin selbstverständlich verklagen, dass sie erstens keine Hasen mehr an die Tafel malt und zweitens aufhört, überall herumzuerzählen, die Lehrerin habe Angst vor Hasen. Das strotzt nur so vor Logik.

Dass sie sich damit völlig lächerlich macht und man nun erst recht denkt, sie habe Angst vor Hasen, ist ihr wohl nicht bewusst. Das kann einem eigentlich leid tun. Auch dass vorher nur die Klasse, die sie unterrichtet hat, dieses Gerücht vernommen hatte und sie nun durch ihr antidiplomatisches Verhalten in ganz Deutschland bekannt ist, hat sie wohl nicht realisiert. Es war auch ein Foto von ihr in dem Zeitungsartikel. Verbissen stand sie da, mit kämpferisch verschränkten Armen und entschlossenem Blick. Das ist eine, die gibt nicht auf, die kämpft bis zum Schluss für ihr Recht. Und ganz Deutschland amüsiert sich.

Übrigens kämpft auch der Bischof Mixer (Name von der Redaktion geändert) beharrlich für sein Recht. Man hat ihn nämlich zum Rücktritt gezwungen, das war alles eine Riesenverschwörung und er wollte das eigentlich gar nicht. Aber der befindet sich inzwischen wohl in Behandlung, also wünschen wir ihm einfach eine gute Besserung.

Meiner Meinung nach ist es gar nicht schlimm, ab und zu mal etwas sein zu lassen, wenn man merkt, dass es nichts bringt. Wenn man dann nämlich immer noch weiter kämpft, entwickelt man eine Obsession, wird völlig wahrnehmungsgestört und merkt überhaupt nicht mehr, wie lächerlich man sich vor allen Leuten macht. Dass man sich lächerlich macht, ist ja allein nicht schlimm. Ich mache mich ganz gerne mal lächerlich, singe Karaoke und solche Sachen. Aber das mache ich dann mit Absicht. Wenn man sich lächerlich macht, mit der Absicht, ernst genommen zu werden, dann ist das ziemlich tragisch. Besser ist es dann, rechtzeitig auf die Bremse zu treten und sich würdevoll zurückzuziehen.

Das kann man zum Beispiel der Frau Kässmann zu Gute halten. Nachdem sie mit Alkohol am Steuer erwischt worden war, hat sie ihren Fehler eingestanden und ist von ihrem Amt zurückgetreten. Die Hauptreaktion war danach Respekt, Anerkennung und fast sowas wie Bedauern. Auf keinen Fall aber hat man sich danach über sie lustig gemacht.

Wenn man Fehler eingesteht, behält man seine Integrität, weil man beweist, dass man Eigenverantwortung übernimmt. Wenn man verbissen und krampfhaft gegen Windmühlen kämpft, kriegt man gar nichts mehr mit und alle halten einen für bescheuert.

Ich bin für mehr Mut zum Aufgeben und weniger Angst vor dem Eingestehen von Schwäche. Denn schwach sind wir alle mal. Es liegt an uns, ob aus der Schwäche auch eine Totalblamage wird.


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