Essai 186: Über Arschloch-Humor

Über Geschmack und Humor lässt sich nicht streiten? Von wegen! Man braucht sich nur auf Facebook zu tummeln, da gerät man früher oder später in eine erbitterte Humor-Debatte, in der einem selbsternannte Witzrichter erklären, dass alles, was sie selbst lustig finden, auch lustig ist. Und wer das anders sehe, habe eben keinen Humor.

Was mir dabei auffällt: Oft entstehen solche Debatten dort, wo der Witz darauf beruht, andere herunterzuputzen. Wenn dann irgendwelche zartbesaiteten Seelchen wie meine Wenigkeit darauf hinweisen, dass das nicht sehr nett ist, braucht man nicht einmal bis drei zu zählen, schon kommen die Humorapostel und belehren einen darüber, dass das ja wohl überaus komisch sei und man sich halt nicht so anzustellen habe.

Ich nenne das Arschloch-Humor.

Ein Beispiel: Zum Muttertag vor zwei Wochen veröffentlichte Edeka einen Werbespot. Dieser Spot zeigte völlig überforderte Väter, die an den einfachsten Aufgaben im Umgang mit ihren Kindern scheitern, die als hässlich bezeichnet wurden und in Sachen Familie und Haushalt nichts auf die Kette kriegen. Am Ende sagt dann die Tochter zu ihrer Mutter: „Danke Mama, dass du nicht Papa bist.“

Wer sich dieses Machwerk noch einmal zu Gemüte führen will, bitteschön:

Es dauerte jedenfalls nicht lange, da beschwerten sich die ersten Männer und insbesondere Väter, dass sie sich diskriminiert fühlten und dass das überhaupt nicht lustig sei. Der Meinung bin ich auch. Zudem kommen auch Frauen nicht gut weg. Wir erinnern uns: Der Spot war für den Muttertag gedacht. Da werden die Mütter geehrt – eigentlich. Hier werden aber nicht die Mütter geehrt, sondern die Väter gedisst. Und ganz ehrlich, wie armselig ist das denn, wenn man seiner Mutter als einziges Kompliment machen kann, dass sie nicht der Vater ist? Und was ist das überhaupt für ein Kompliment?

Jedenfalls finde ich, da kann man ganz sachlich, indem man sich allein auf den Inhalt und den Kontext bezieht, festmachen, dass das nicht sonderlich geistreich ist. Das Humorprinzip beruht auf Schadenfreude und Erniedrigung anderer. Wer darüber lacht, tut das, um sich über die Erniedrigten zu erhöhen und sich als was Besseres darzustellen als die humorlosen Wursttröten, die schon wieder rumflennen, weil ein Werbespot gemein zu ihnen war. Und das, meine lieben Leserinnen und Leser, ist der Inbegriff von Arschlochtum.

Arschloch-Humor war übrigens auch der Karnevalsauftritt von Annegret Kramp-Karrenbauer. Intersexuelle als verunsicherte Männer darzustellen, die völlig verwirrt sind, weil sie nicht wissen, wie sie auf einer Unisextoilette pinkeln sollen, ist objektiv betrachtet völlig daneben. Da hagelte es also völlig zu Recht jede Menge Kritik.

Doch viele Nichtbetroffene, Nichtgemeinte, waren der Ansicht, sie müssten jetzt alle Betroffenen und Gemeinten, die mit diesem „Witz“ diskriminiert und ohne Not verspottet wurden, belehren, dass das ja wohl ein höchst amüsantes Bonmot war – und wer das nicht begreift, der hat nicht nur keinen Sinn für Humor, sondern sei überdies völlig verklemmt und dumm obendrein.

Doch ganz allgemein begegnet mir Arschloch-Humor immer wieder. Das reicht von der klassischen sexistischen Kackscheiße à la „Ooooh, das vermaledeite Weibsbild hat schon wieder ihres Mannes sauer verdientes Geld für Schuhe ausgegeben“ bis hin zu mobbingähnlichen Zuständen, in denen sich mehrere Arschloch-Humoristen auf ein aus ihrer Sicht humorloses Gänseblümchen einschießen, um ihm die Welt des Witzes zu erklären, die es ja offenkundig infolge unermesslicher Dummheit nicht begriffen hat.

Es reicht übrigens einfach, in irgendeinem Punkt von der Norm abzuweichen, um Ziel des Spotts solcher Arschloch-Humoristen zu werden. So trinke ich zum Beispiel keinen Alkohol, was für nicht wenige Facebook-User bereits eindeutiges Zeichen dafür ist, dass ich keinen Spaß verstehe. Wobei: Wenn der Spaß aus Arschloch-Humor à la „Oh, ich gehe mal gezielt auf eine Seite für Leute, die wenig Alkohol trinken, und reibe ihnen unter die Nase, wie doof die sind“ besteht, verstehe ich den Witz aber wirklich nicht.

Da ist mir irgendwann auch mal die Hutschnur geplatzt, als da schon wieder so ein wichtigtuerischer Heini ungefragt darüber informierte, dass er Alkohol trinkt, Diesel fährt, Fleisch isst und noch irgendetwas Stinknormales tut. Und dann habe ich ihm gesagt, dass er nur ein stinknormaler Durchschnittstyp sei, der sich wichtig machen wolle, und das auf Kosten von Leuten, die ein wenig von der Norm abweichen und ihm nichts getan haben. Uuuuund was wurde ich im Anschluss darüber belehrt, wie humorbefreit und empfindlich ich sei, ein linksrotgrünversiffter Social Justice Warrior, Gutmensch und bla. Ja nun, irgendwer muss doch diesen Arschlöchern auch mal sagen, dass sie Arschlöcher sind, sonst denken die am Ende noch, man fände sie toll.

Jedenfalls muss ich ganz ehrlich sagen, dass ich Menschen, die nur dann lachen können, wenn andere, die ihnen nichts getan haben, erniedrigt, beleidigt, verspottet oder gedemütigt werden, nicht besonders mag. Es ist eben ein Unterschied, ob man subversiven Humor betreibt, indem man satirisch und geistreich die Mächtigen und Stärkeren aufs Korn nimmt. Oder ob man völlig plump und platt einfach irgendwelche Klischees hinklatscht, ohne diese zu reflektieren, damit man Vorurteile als Tatsachen hinstellen und sich auf dieser Basis über Schwächere oder Minderheiten lustig machen kann. Ziel von letzterem ist, das eigene Ego zu plüschen und Beifall von anderen Arschloch-Humoristen einzuheimsen, und dafür ist einem jedes Mittel recht.


Und, wie seht ihr das? Habt ihr auch Beispiele für Arschloch-Humor? Oder findet ihr, ich solle mich gefälligst nicht so anstellen, sei ja schließlich alles nur Spaß? Schreibt es mir in die Kommentare, ich bin gespannt.

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