Essai 181: Über Weihnachten und wie man es für alle ruiniert

Weihnachten – das Fest der Liebe, des Friedens und der Freude. Zumindest für die meisten von uns und auch für mich. Normalerweise verlaufen unsere Weihnachtsfeste sehr harmonisch und wir verstehen uns in der Familie gut, jeder gibt sich Mühe, es sich miteinander möglichst schön und gemütlich zu machen.

Sagte ich „jeder“? Nun, das stimmt nicht ganz. Eine bestimmte Person in der Verwandtschaft kann irgendwie nicht anders, als Weihnachten für alle zu ruinieren. Für all diejenigen dort draußen, die es ihr gleichmachen wollen, gibt es hier jetzt ein paar Tipps.

1. Lade dich ungefragt bei Leuten ein, die du eigentlich nicht ausstehen kannst

Besagte Person kann Menschen im Allgemeinen und ihre große Schwester (meine Mutter) sowie ihre Nichten (meine Schwester und mich) im Besonderen eigentlich gar nicht leiden. Mein Vater betüddelt und tröstet sie immer, wenn sie mal wieder irgendeinen Pups quer sitzen hat, und meine Mutter geht bis an die Grenzen ihrer Kräfte, um Madame glücklich zu machen. Vielleicht kommt sie deswegen dann doch gern zu uns, um sich Bestätigung abzuholen oder keine Ahnung was.

Jedenfalls, sonst lädt sie sich nur für ein paar Tage über Silvester ein. Dann muss man sie nicht so lange ertragen und für die kurze Zeit kann man sich dann mit ein paar Mal tief durchatmen und sich mantraartig in Gedanken vorsagen „heute ist ein wunderbarer Tag“ soweit beruhigen, dass man keinen Wutanfall bekommt und sich um seinen Blutdruck sorgen muss. Und vor allem versaut sie einem dann nicht Weihnachten.

Dieses Jahr hat sie sich aus unerfindlichen Gründen dazu entschlossen, uns 10 (!) Tage mit ihrer Anwesenheit zu beglücken, also einen Tag vor Heiligabend bis einen Tag nach Neujahr. Wir hatten alle gedacht, dass sie vielleicht gerade eine Hochphase hat und mit ihrem Leben gerade nicht komplett unzufrieden ist, sodass ihr langer Aufenthalt nicht allzu schlimm wird. Na ja, aber wenn das ihre Hochphase ist, … Auweia.

2. Vergifte die Atmosphäre mit deiner Scheißlaune

Mein Freund und ich waren nur Heiligabend und den ersten Weihnachtstag vormittags da. Ich dachte, die kurze Zeit würde es schon gehen. Und schließlich hätte sie sich ja nicht für 10 Tage bei meinen Eltern eingeladen, wenn sie unerträglich gelaunt wäre, oder? Mein Optimismus verpuffte dann jedoch, sobald wir das Wohnzimmer betraten. Da saß sie dann zusammengesunken, mit hängenden Schultern und Mundwinkeln und strahlte ihren ganzen Missmut, ihre Bitterkeit und Menschenhass in die Gegend aus.

Gut, ich versuche dann immer, mich davon nicht zu sehr herunterziehen zu lassen, wenn andere eine Scheißlaune haben. Aber das schaffe ich nur mit Mühe und es zehrt an meinen Nerven. Ich probiere dann, mir zu sagen, dass das nicht persönlich gegen einen von uns gerichtet ist, sondern dass sie alle gleichermaßen wie Dreck behandelt.

Das ist so eine Art umgeleitete, passive Aggression. Sie ist unglücklich, gleichzeitig aber auch unfähig, ihren eigenen Anteil daran zu sehen, sondern sie ist überzeugt, dass alle anderen daran Schuld sind – und dafür büßen müssen. Für direkte Aggression ist sie aber zu faul und zu feige, deswegen wählt sie die passive Variante: Sticheln, Schmollen, emotionale Erpressung, andere zur Weißglut treiben, die ganze Palette.

Es funktioniert im Übrigen ganz hervorragend. Man hat tatsächlich ein quälend schlechtes Gewissen, dass man dieses arme Geschöpf, dem das Leben so übel mitgespielt hat, das überhaupt gar nichts dafür kann, dass es allein ist, dann auch noch so fies behandelt. Und dann macht man natürlich alles, was sie von einem verlangt oder unausgesprochen erwartet, in der (vergeblichen) Hoffnung, ihr doch ein kleines bisschen Glücksgefühl zu verschaffen. Spoiler: Das wiederum funktioniert nicht.

3. Gehe Leuten auf die Nerven, die gerade etwas spielen

Zum Glück begab sie sich dann in den Mittagsschlaf, nachdem sie übellaunig unsere freundliche Begrüßung über sich hatte ergehen lassen. Und – doppeltes Glück – der Mittagsschlaf dauerte fast 3 Stunden. Genug Zeit also, um sich mal in Ruhe mit den anderen Familienmitgliedern zu unterhalten, ohne dass sie beleidigt dazwischenquakt, weil es mal kurz nicht um sie geht. Und dann blieb sogar noch Zeit, „Siedler von Catan“ zu spielen.

Mitten in der zweiten Runde, es war gerade ziemlich spannend, weil meine Schwester soeben meinem Freund die Bonuspunkte für die längste Handelsstraße abgeluchst hatte, kam sie dann wieder herunter. Erst hegte ich die zarte Hoffnung, ihre Laune habe sich durch den Mittagsschlaf verbessert. Vergebens. Wobei – ein kleines bisschen weniger wehleidig war sie dann doch, dafür aber nicht minder garstig.

Jedenfalls sah sie uns alle da sitzen und friedlich miteinander spielen, da tigerte sie um den Tisch herum und gab unausgesprochen, aber unmissverständlich, zum Ausdruck, dass sie sich langweilte. Dann lief sie auch hinter uns auf und ab und atmete uns ihre Missbilligung darüber in den Nacken, dass wir es wagten, ohne sie Spaß zu haben. Weil uns das aber noch nicht vom Spielen abhielt, plärrte sie dann dazwischen: „Wann essen wir?“ oder „Was ist das denn für ein Spiel?“ oder „Braucht ihr noch lange?“

Aber auch das ertrugen wir alle mit der Geduld eines Zen-Meisters.

4. Ignoriere beim Essen sämtliche Tischmanieren

Schließlich gaben wir nach (wie immer) und unterbrachen unsere Partie, um zu essen. Meine Mutter hatte für meine Schwester und mich extra ein bisschen Soße ohne Pilze beiseite gepackt, weil wir die nicht so gern mögen. Meine Tante ignorierte den Hinweis „So, hier ist die Soße für euch beide“ und goss sich einfach mal die Hälfte davon auf ihren ansonsten leeren Teller. Unnötig hinzuzufügen, dass noch längst nicht alle am Tisch saßen.

Dann wollte ich mir gerade Kartoffeln nehmen, da verlangte sie selbige. Ich als artige Nichte, die keinen Streit will, gab ihr die Kartoffeln, wovon sie sich dann auch großzügig in ihre Soßenpfütze schaufelte. Als die Kartoffelschüssel einmal um den Tisch herum war, habe ich dann doch noch welche abbekommen, also alles gut, aber trotzdem. Man kann doch echt mal ein wenig höflich sein und fünf Minuten warten, bis man dran ist, anstatt gleich alles an sich zu reißen.

Als ihr Teller voll war, schlang sie alles laut schmatzend in sich hinein und kümmerte sich auch überhaupt nicht darum, sich fürs Kochen bei meiner Mama zu bedanken oder zu warten, bis alle was hatten oder sonst irgendwas, was sich an Tischmanieren eigentlich so gehört. Aber das reichte ihr anscheinend noch nicht.

5. Stelle indiskrete Fragen ohne jeden Grund

Also funkelte sie mich abschätzend an und fragte aus heiterem Himmel, ob mein Freund und ich schon ein Baby hätten. Dies verneinte ich, leicht irritiert über die Dämlichkeit dieser Frage, schließlich hätten wir ein vorhandenes Baby ja wohl mitgebracht. Sie ließ aber nicht locker. Nach meinem lapidaren „Nö“ musterte sie uns beide und fragte, wie alt wir denn seien. Ich: „35.“ Daraufhin sagte sie dann im gespielt vertraulichen Ton: „Ja, dann müsst ihr langsam mal ein Baby machen!“ – Fürs Protokoll: Sie hat keins.

Keine Ahnung, warum sie dieses Thema plötzlich anschnitt, das hat sie vorher nie gemacht. Vermutlich wollte sie gucken, wie sie mir eins reinwürgen kann, und meine biologische Uhr schien ihr ein geeignetes Thema. Da hat sie aber von sich auf andere geschlossen, denn ihr mag das Älterwerden was ausmachen, ich finde das eher spannend.

6. Sabotiere liebgewonnene Weihnachtstraditionen

Schließlich ging es an die Bescherung. Wir machen das in unserer Familie traditionell immer so, dass die jüngere Generation (also meine Schwester und ich inklusive Anhang) abwechselnd aufsteht, ein Geschenk auswählt und in die Runde fragt, für wen das ist. Dann lässt man den Beschenkten in Ruhe auspacken, unterhält sich danach noch kurz über das Geschenk, dann erst wird das nächste geholt.

Meiner Tante ging das nicht schnell genug. Ohne ein Wort zu sagen, wühlte sie sich durch den Geschenkeberg und knallte jedes Geschenk der entsprechenden Person – ohne diese eines Blickes zu würdigen – auf den Schoß. Dabei murmelte sie „Anonym“ vor sich hin, wenn ein Geschenk ohne Namen (den sie erkennen konnte) auftauchte. Das waren dann meine Geschenke, die ich nur dezent mit Namen versehen hatte, bzw. gar nicht, weil ich ja wusste, für wen die sind.

So entstand eine Unruhe, Hektik und Stress. Man konnte sich überhaupt nicht richtig anschauen, was man selbst und was die anderen bekommen hatten, weil man gleich schon das nächste Päckchen vor den Latz gepfeffert bekam. Man konnte sich auch überhaupt nicht über die Geschenke austauschen, sich darüber freuen und sich bedanken. Das ist meiner Meinung nach nicht Sinn der Sache.

7. Öffne anderer Leute Geschenke ohne zu fragen

Zu diesem Zeitpunkt schnaufte ich innerlich bereits wie ein Walross vor Zorn und musste mich mit aller Kraft zusammenreißen, um sie nicht an die Wand zu klatschen. Aber im Gegensatz zu anderen Leuten sind meine Frustrationstoleranz und Impulskontrolle recht gut ausgeprägt. Außerdem wollte ich es meiner Mutter nicht noch schwerer machen, als es ohnehin schon war, indem ich ihre Schwester vor versammelter Mannschaft zusammenfalte.

Dann fing sie aber an, ein „anonymes“ Geschenk nach dem anderen aufzureißen und mir („Da nimm“) in die Hand zu drücken – und dann reichte es mir.

8. Jemand reagiert verärgert auf dein Arschlochverhalten? Fang an zu flennen

Ich schoss vom Sofa empor, stürmte nach vorne und nahm ihr die „anonymen“ Geschenke aus der Hand. Sie guckte mich tief verletzt ob meiner Grobheit an wie ein getretener Hund und maulte: „Muss man halt mal die Namen draufschreiben“. Ich schnauzte: „Ich HABE die Namen draufgeschrieben. So. Das ist noch für Mama, das ist für Papa und jetzt ist gut.“ (Allerdings muss ich hinzufügen, dass mein „Schnauztonfall“ immer noch ziemlich freundlich klingt. Man erkennt nur, dass ich innerlich bis zum Anschlag gereizt bin, wenn man mich genau kennt und mein Verhalten im sonstigen Kontext betrachtet. Ansonsten klingt es einfach nur resolut.)

Dann packten wir – die Stimmung war hoffnungslos im Keller, aber dennoch versuchten wir, das Beste draus zu machen – die letzten Geschenke aus, unterhielten uns noch ein wenig – da fing sie plötzlich an zu schluchzen. Heulte sich die Seele aus dem Leib, sagte aber nicht, was denn verdammt noch mal jetzt schon wieder falsch war meine Fresse. Stand dann wortlos auf und ging in ihr Zimmer. Stampfte dort noch ein wenig hin und her. Knallte die Badezimmertür zu. Stampfte zurück in ihr Zimmer und legte sich dann (endlich!) schlafen.


So, wenn man sich an diese Vorgehensweise hält, kann man sicher sein, dass man allen anderen die Stimmung vermiest und es der Familie an Weihnachten zumindest vorübergehend genauso scheiße geht, wie man sich selber fühlt. Und das Beste ist: Man selbst ist nicht Schuld. Man kann überhaupt nichts dafür. Schließlich sind es ja die anderen, die einen dazu genötigt haben, sich wie ein asoziales Riesenarschloch zu benehmen, weil … darum. Die anderen sind halt immer gemein und so. Und dann pflaumen sie einen auch noch an, obwohl man gar nichts gemacht hat. Und bemitleiden einen noch nicht einmal, wenn man strategisch losflennt.

Grummel. Ich weiß auch ehrlich gesagt nicht, wie man solche Szenarien künftig verhindern könnte. Man müsste halt selbst zu unlauteren Mitteln greifen und meine Tante anlügen, dass Weihnachten bei uns keiner zu Hause ist. Problem: Wir sind in unserer Familie alle miserable Lügner. Oder man faltet sie mal so richtig zusammen (nicht so ein Mini-Wutausbrüchlein wie bei mir) und haut ihr einfach ihr ganzes Scheißbenehmen ehrlich um die Ohren. Dann ist sie vielleicht so nachhaltig beleidigt, dass sie sich im Folgejahr nicht wieder selbst einlädt.

Und, was sind so eure Katastrophengeschichten von Weihnachten?

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