Essai 170: Über zweifelhafte Konfliktlösungsstrategien

Um ehrlich zu sein, bin ich manchmal schon ein ziemlicher Feigling. Wenn’s irgendwo nach Ärger riecht, Streit oder Unfrieden droht, ergreife ich ganz gern vorsorglich die Flucht und gehe dem Konflikt aus dem Weg. Das ist übrigens im Tierreich, zum Beispiel unter Katzen, eine völlig legitime Konfliktlösungsstrategie, aber unter Menschen ist das alles ein bisschen komplizierter.

Wenn zum Beispiel zwei Katzen einander auf einem Weg begegnen, der zu keinem Revier der beiden gehört, bleiben sie erst einmal stehen, taxieren sich aus einem höflichen Abstand heraus, und einigen sich schließlich darauf, ganz friedlich aneinander vorbei zu laufen und ihrer Wege zu gehen. Wirklich Zoff gibt’s nur, wenn er unvermeidbar ist, etwa, weil die Revierzugehörigkeit unklar ist und keine Rückzugsmöglichkeit besteht. Dann muss man den Konflikt kurz mit Tatzenhieben und Gefauche ausfechten, und danach ist es in der Regel auch wieder gut. Es sei denn, die Katzen hocken dauerhaft auf zu engem Raum und ohne Rückzugsmöglichkeit aufeinander, aber das ist eine andere Geschichte.

Das Nervige bei Menschen ist, dass wir uns vor allem verbal verständigen und nicht – wie Katzen und andere Tiere – nonverbal. Wenn es bei uns zu Konflikten kommt, heißt es immer, man müsste darüber reden. Leider kommt es aber gerade beim Reden oft zu Missverständnissen und manchmal entsteht durch missverstandene Worte überhaupt erst ein Konflikt. Das ist fürchterlich anstrengend, das hinterher dann ebenfalls mit Worten auseinander zu klamüsern, die dann möglicherweise wieder missverstanden werden. Und da möchte ich mich dann manchmal am liebsten einfach verkriechen und mich verstecken, bis der Konflikt sich hoffentlich von alleine in Wohlgefallen aufgelöst hat.

Im Kontext menschlichen Sozialverhaltens gilt diese Konfliktlösungsstrategie allerdings als reichlich unreif, kindisch und albern. Ich komme mir dann ja auch selbst völlig bescheuert vor, wenn ich mal wieder versuche, mit meiner Ausweichtaktik einen Konflikt solange zu ignorieren, bis er hoffentlich wieder ohne mein Zutun verschwindet. Obwohl es manchmal vermutlich schlauer und schneller ginge, doch miteinander ehrlich zu reden.

Aber dann weiß man ja oft nicht, was andere Menschen so denken, wie die drauf sind, wo ihre Empfindlichkeiten liegen. Und nachher überwinde ich meine Konfliktscheu, springe mutig und tapfer über meinen Schatten, sage, was ich denke, und der andere ist hinterher noch wütender auf mich oder enttäuschter von mir als vorher, weil ich meine Wortwahl ungeschickt getroffen habe. Oder ich lege jedes Wort ganz genau auf die Goldwaage, sodass der andere völlig genervt ist, weil ich nicht auf den Punkt komme. Auch blöd.

Normalerweise komme ich ganz gut damit zurecht, Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen, indem ich einfach von vorneherein freundlich und höflich zu allen bin, die mir nichts getan haben. Wenn doch einmal der äußerst seltene Fall eintritt, dass mich jemand absichtlich ärgert, ist das allerdings auch kein Problem, weil ich dann keinen Grund sehe, auf dessen Gefühle Rücksicht zu nehmen, und dann kann ich ihm ja problemlos meinen ehrlichen Ärger um die Ohren hauen. Das ist für denjenigen dann wenig erfreulich, aber das ist dann Pech, man muss mich ja nicht unnötig reizen. Kurz zur Klarstellung: Man muss das schon wirklich darauf anlegen, mich zu verärgern, ich bin da in der Regel sehr duldsam und langmütig.

Wenn es aber dann doch zu einem Missverständnis oder einem anderen Konflikt kommt, bin ich aufgeschmissen. Ich will den anderen ja nicht verletzen, unnötig gemein sein oder das Missverständnis noch weiter vertiefen. Aber auf eine offene Auseinandersetzung habe ich auch absolut keine Lust. Und wie ehrlich ich sein kann, ohne den Konflikt zu verschärfen, weiß ich dann ja auch nicht im Voraus. Und weil ich dann überhaupt nicht weiß, was ich machen soll, mache ich dann bevorzugt gar nichts, sprich: ich gehe der ganzen Geschichte aus dem Weg und komme mir völlig dusselig vor.

Seufz! Das Leben wäre um einiges einfacher, wenn wir uns tatsächlich nur über Körpersprache, Gerüche und Laute verständigen würden. Auf der anderen Seite ist verbale Sprache aber auch so eine faszinierende und vielseitige Sache, dass ich sie nicht missen möchte. (Zumal ich damit meine Brötchen verdiene) Vielleicht muss man Uneinigkeit manchmal auch einfach aushalten. Oder? Was meint ihr dazu?

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