Essai 129: Über Unsichtbarkeit

Es gibt so bestimmte Situationen im Leben, da ist das ganz praktisch, wenn man sich unsichtbar machen kann. Zum Beispiel, wenn man gemütlich durch die Stadt bummelt und Leute mit Klemmbrettern sieht. Ich klicke dann innerlich auf eine Art metaphorischen Lichtschalter und tarne mich mit Unsichtbarkeit. Zumindest, wenn ich rechtzeitig bemerke, dass das schon wieder irgendwelche Berufsnervensägen sind, die meine Meinung zu Weichspülern und Smartphones (benutze ich beides nicht) wissen oder unter Vorgaukelung edler Motive Geld haben wollen. Wenn nicht, werde ich fast immer angesprochen, vermutlich, weil ich irgendwie harmlos und leicht verarschbar aussehe.

Wenn man nicht auffallen möchte, ist es übrigens kontraproduktiv, sich innerlich wie ein Mantra vorzusagen “Bitte nicht ich! Bitte nicht ich!” Außenstehende sehen nur, dass man sich unwohl fühlt und es ist gut möglich, dass sie dann erst recht aufmerksam werden und wissen wollen, was man hat. Dann zu sagen “Nichts” wirkt wenig überzeugend. Ziel von Unsichtbarkeit ist ja, dass man seine Ruhe hat und nicht Mitleid oder gar Aufmerksamkeit erregt. Was meistens ganz gut funktioniert, ist das Bild mit dem inneren Lichtschalter, den man an- und ausknipsen kann. Oder man stellt sich vor, dass man unter einem Tarnumhang à la Harry Potter steckt. Wer es mit Fantasie nicht so hat, kann auch einfach den Blick abwenden und möglichst ins Leere schauen und sich dabei körperlich entspannen. Dann wirkt man ziemlich neutral und fällt nicht weiter auf.

Blöd ist jedoch, wenn dieser innere Lichtschalter einen Kurzschluss hat und man gelegentlich aus Versehen und ungewollt unsichtbar wird. Mir passiert das manchmal in größeren Gruppen, wenn viel Lärm und Gewusel um mich herum ist. Dann macht es “Plopp” und ich bin plötzlich unsichtbar und unhörbar. Ich glaube, das liegt dann an der Reizüberflutung. Ich weiß gar nicht, worauf ich zuerst achten soll, weil so viele Reize und Eindrücke gleichzeitig auf mich einprasseln. Die versehentliche Unsichtbarkeit ist in dem Fall vielleicht auch ein Schutzmechanismus, der mir wieder etwas Ruhe verschafft. Ein bisschen wie eine Schnecke oder Schildkröte, die sich in ihr Häuschen beziehungsweise ihren Panzer verkriecht oder wie ein Igel, der sich einrollt. Trotzdem ist das doof, wenn man irgendwas Witziges oder Geistreiches sagen will und keiner kriegt es mit. Das muss ich dann wohl noch ein wenig üben.


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