Essai 124: Über subtile Propaganda

Manchmal frage ich mich, ob das für meinen Blutdruck so gut ist, morgens die Zeitung zu lesen. Diese geballte, dummdreiste Arroganz, die einem da zuweilen entgegen schlägt, regt mich jedes Mal auf. Manchmal sind es inhaltliche Dinge, die mich aufregen: Wulff schreibt ein vor Selbstmitleid und Realitätsverleugnung triefendes Buch, irgendwelche Spießer klagen gegen einen Kindergarten/ein Altersheim/ein Hospiz, weil sie sich in ihrer Ruhe gestört fühlen oder verkappte Salonrassisten wettern gegen irgendeine Moschee. Ab und zu ist es jedoch nicht der Inhalt, der mich wütend macht, sondern die Art und Weise der Berichterstattung. Insbesondere, wenn mit Manipulation und subtiler Propaganda gearbeitet wird.

Zum Beispiel berichtete das Hamburger Abendblatt vor ein paar Tagen über eine Gruppe von Menschen, die sich für die Lampedusa-Flüchtlinge einsetzen. Es ging um eine Petition, die auch einige bekanntere Persönlichkeiten unterschrieben hatten. Unter anderem auch einer, der in seiner Jugend mal bei der RAF war. Die Story wurde so aufgezogen: “(ehemaliger) TERRORIST unterschreibt Petition für Lampedusa-Flüchtlinge”. Hallo? Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun? Nichts. Außer, wenn Stimmung gegen die Lampedusa-Flüchtlinge und ihre Unterstützer gemacht werden soll, ist die Vergangenheit von einem der Unterzeichner überhaupt nicht relevant. Womit ich selbstredend die terroristischen Taten der RAF nicht verharmlosen oder schönreden oder verteidigen oder sonstwas will. Was mich ärgert ist, dass dadurch von dem eigentlichen Problem abgelenkt wird. Durch die Diskussion über aus dem Zusammenhang gerissenen und für den gegenwärtigen Sachverhalt nicht entscheidenden Dingen wird das, worum es ursprünglich ging, vergessen und in den Hintergrund verschoben. Das ist sozusagen ein kalkuliertes, bewusst provoziertes Ersatzproblem.

Auch in der Auswahl dessen, worüber berichtet und dessen, was weggelassen wird, lässt sich subtil Propaganda ausüben. So wird derzeit ständig über die Fußball-WM geschrieben. Das ist ja im Prinzip auch in Ordnung, nur muss das ständig auf die Titelseite? Themen wie NSA-Affäre, Kriege, Unruhen, Unterdrückung, Massenmord und Elend überall auf der Welt rücken dann aus dem Fokus und die Menschen werden mit leichter Unterhaltung eingelullt und sind mehr oder weniger zufrieden.

Was ich außerdem etwas schräg finde, sind die Berichte von Nachrichtenagenturen, die vorgefertigt an diverse Presseorgane verkauft werden. Erstens nimmt man Redakteuren und Journalisten dadurch interessante Themen und einen Teil ihrer Arbeit weg. Zweitens steht dann überall das Gleiche und man bekommt als Leser nicht die Möglichkeit, verschiedene Sichtweisen auf einen Sachverhalt kennen zu lernen und miteinander zu vergleichen. Drittens sind diese vorformulierten Texte fürchterlich langweilig geschrieben und taugen nicht einmal zu Unterhaltungszwecken.

Sicher, man könnte jetzt anmerken, dass ein intelligenter Mensch diese Strategien ja wohl durchschaue und dass es für einen dummen Menschen eh nicht ratsam sei, sein beschränktes Gehirn überzustrapazieren. Doch ich denke, egal wie schlau man ist und selbst wenn man einen Teil der Manipulation durchschaut, kann man nicht verhindern, dass die subtile Propaganda Spuren hinterlässt. Man wird in eine bestimmte Richtung gelenkt, allein schon durch die Auswahl an vermittelten und verschwiegenen Informationen. Sich dagegen zu wehren und eine von sämtlichen Beeinflussungen unabhängige Meinung zu bilden, ist da meiner Ansicht nach gar nicht so einfach. Selbst, wenn man überzeugt ist, dass die eigene Meinung frei und selbstständig ist – den Einflüssen seines Umfelds (wozu die Medien auch gehören) vollkomen zu entgehen, ist meines Erachtens fast unmöglich.


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