Der Mann, der die Kursteilnehmer begrüßt, hat im Laufe der Jahre – bzw. Jahrzehnte – über 1.000 Kaffeemaschinen gesammelt. Er hat Menschen seziert, um zu prüfen, ob der Kaffee die Ursache für deren Tod sein könnte. Er ist um die ganze Welt gereist, um den besten Zucker für den Espresso zu finden. Er hat Kaffeevollautomaten längs und quer zersägt, und ist dabei auf über 40 Arten verschiedener Schimmel gestoßen. Er weiß scheinbar alles über den Kaffee. Und dieses Wissen teilt er heute mit uns.
Um es vorweg zu nehmen: Es ist unmöglich dieses Wissen an einem Kurs-Nachmittag zu vermitteln. Wir können nur an der Oberfläche des Kaffee-Universums kratzen. Gespannt hängen wir an seinen Lippen, wie er vom Diebstahl der Coffea-Pflanze aus den Schwarzafrikanischen Bergregionen erzählt, und von der Verbreitung des Kaffees durch die Jemeniten. Ahnungslos wie die Schulkinder in der letzten Bank sitzen wir da, als er uns mit Fragen torpediert, die so banal klingen, dass sie eigentlich zur Allgemeinbildung zählen sollten. Ist Kaffee ein Lebensmittel? Ist Coffein schädlich? Wie viele Tassen Kaffee kann man täglich trinken? Woher kommt Kaffee? Welche Sorten Kaffee gibt es? Und wie viel darf Kaffee eigentlich kosten?
Meine erste Erkenntnis: Kaffee ist der Deutschen liebstes Getränk, im Durchschnitt trinken die Deutschen ca. 150 Liter pro Jahr – mehr als jedes andere Getränk, und somit auch mehr als Bier. Wie kann es da sein, dass wir so wenig über den Kaffee wissen? Bei anderen Lebensmitteln sind wir doch auch nicht so sorglos?!
Die nächste Erkenntnis: Kaffee ist ein weltweiter Wirtschaftsmotor, insbesondere in den Entwicklungsländern. Man schätzt, dass weltweit mehr als 100 Millionen Menschen vom Anbau, von der Verarbeitung und vom Transport von Kaffee leben. Dabei sind die größten Kaffeeproduzenten heute Brasilien und Vietnam, mit zusammen fast 50% der weltweiten Produktion.
Und noch eine Information, über die es nachzudenken lohnt: Eine Coffea-Pflanze produziert pro Jahr ca. 0,6 kg Kaffeebohnen, allerdings erst nach einer Zeit des Aufwuchses von ca. 5 Jahren. Die Ernte kann 10 bis 12 Wochen dauern, da die Früchte unterschiedlich schnell reifen. Teilweise wird ohne maschinelle Hilfe von Hand geerntet. Man kann sich also vorstellen, wie viel Arbeit in der Ernte von einem Kilo Kaffee steckt. Allerdings geht weniger als 30% des Umsatzes in die Erzeugerländer, und nur ein Bruchteil dessen landet bei den Arbeitern auf dem Feld. Dass bei einem Preis von unter 5,00 EUR pro Pfund Kaffee die Qualitätsmaßstäbe nicht all zu hoch sein können, dürfte klar sein.
Thomas Leeb, der den Barista-Kurs leitet, beschäftigt sich seit 1978 mit dem Thema Kaffee. Studiert hat er Medizin, und eine Ausbildung zum Heilpraktiker hat er auch gemacht. Daher auch sein großes Interesse an der Frage bzgl. der Schädlichkeit aber auch der Gesundheitsförderung von Kaffee. Wie viel Kaffee darf man denn nun trinken am Tag, ohne dass es ungesund ist? Seine Antwort: Wissenschaftlich konnte dem Kaffeekonsum bisher keine gesundheitsschädigende Wirkung nachgewiesen werden, und das liegt nicht an einer mangelnden Anzahl Studien. Sogar ganz im Gegenteil: 4-6 Tassen pro Tag sollen sogar die Gesundheit fördern und Krankheiten im Darm, im Magen oder auch in der Galle vorbeugen. Wichtig ist natürlich, dass man guten Kaffee trinkt, und dass die Kaffeemaschine möglichst frei von Erregern ist (regelmäßiges Säubern der Maschine wird daher dringend empfohlen).
Auch der Koffein hat in den geringen Mengen keine negativen Auswirkungen – und ebenso wenig macht Koffein süchtig und reduziert seine Wirkung bei anhaltendem Konsum. Die Wirkung von Koffein beginnt übrigens erst nach etwa 40 Minuten und hält etwa 1-2 Stunden an. Wie es dann sein kann, dass wir uns direkt wacher fühlen, wenn wir morgens früh den ersten Kaffee zu uns nehmen? “Vorauseilende Freude” ist die Antwort von Thomas Leeb… der erste Hallo-Wach Effekt kommt also aus unserem Gehirn.
Nach so viel Theorie und Wissen widmen wir uns dann doch noch der Zubereitung des Kaffees. Natürlich nicht mit einer Filtermaschine, sondern mit einem Profi-Siebträger in der Gastro-Version. Es ist sicherlich Geschmackssache, aber mal ehrlich: Ein gut zubereiteter Espresso oder ein Cappuccino schmeckt doch 1000 mal besser als ein Filterkaffee, diese wässrige Lösung! Erfunden wurde der Espresso natürlich in Italien. Der Hauptunterschied zum Filterkaffee ist, dass die Bohnen dunkler geröstet werden, und dass das Wasser mit einem hohen Druck durch das sehr fein gemahlene Pulver “geschossen” wird, wodurch eine aromatische Crema erzeugt wird.
Und nun wird es spannend: Es gibt genaue Vorgaben vom Istituto Nazionale Espresso Italiano, welches die Bedingungen für einen richtigen Espresso definiert. Demnach hat ein Espresso ein Volumen von 25 ml, wird mit 7g Espressopulver zubereitet, das Wasser benötigt eine Temperatur von 88°C und wird mit einem Druck von 9 bar eingegeben. Die Durchlaufzeit des Wassers beträgt 25 Sekunden, und am Ende hat der Espresso in der Tasse eine Temperatur von 67°C. Alles klar?
Ich hatte ja auch noch einen besonderen Auftrag der Madame mit auf den Weg in den Barista-Kurs bekommen: Ich muss unbedingt lernen, wie man diese schönen Herzen in den Schaum des Cappuccino zaubert. Was übrigens angeblich der Erwartung von 95% der Kursteilnehmer entspricht, wenn sie den Kurs buchen: Ein Barista ist ein Milchschaum-Künstler, und das will ich auch können.
Dass es in dem Kurs nicht nur um Milchschaum geht, habe ich spätestens eine Stunde nach Kursbeginn kapiert. Am Ende dürfen die Teilnehmer aber doch noch Hand an die Tassen anlegen, und wir lernen wir man Milchschaum macht: “Erst ziehen, dann rollen”. Ziehen bedeutet, dass man zunächst mit der Wasserdampf-Düse heiße Luft unter die kalte Milch im halb gefüllten Milchkännchen hebt; und zwar so, dass die Düse nur ganz wenig in die Milch eingetaucht ist. Dann ein bisschen herausziehen (Kännchen nach unten), bis man ein Schlürfen hört (Luft wird eingezogen). Da sich das Volumen der Milch beim Aufschäumen vergrößert, muss man das Milchkännchen langsam etwas weiter nach unten ziehen, damit man das Schlürfen weiterhin hört. Nach ein paar Sekunden hat sich das Volumen der Milch bereits gut vergrößert, so dass man die Düse nun etwas tiefer in die Milch eintaucht und “rollt” (rollierende Bewegung, der Milchschaum wird fein). Den Dampfhahn zudrehen, sobald es zu heiß wird, bzw. sich das Volumen der Milch etwa verdoppelt hat.
Wichtig beim Capuccino auch: Auf die Mengen kommt es an! Eine Cappuccino-Tasse hat ein Volumen von 180 ml, entsprechend benötigt man etwa 80-90 ml Milch deren Volumen sich ja verdoppelt, zzgl. der 25ml Espresso.
Noch ein Satz zum Zucker: Den echte Kaffeegeschmack erfährt man natürlich nur ohne Beimischung von Geschmacksstoffen wie Zucker. Nur will man das unbedingt? Der gemeine Italiener beispielsweise schüttet sich gleich Löffelweise den Zucker in den Espresso. Man sollte sich aber bewusst sein, dass Zucker gewisse allseits bekannte Nebenwirkungen hat. Wenn es um die Wahl des Zuckers geht, empfiehlt Thomas Leeb unraffinierten Rohrzucker, weil geschmacklich besser und gesünder als der kristalline Deutsche Zucker aus der Zuckerrübe. Um den besten Zucker zu finden, ist er um die ganze Welt gereist – bis er ihn auf Mauritius gefunden hat. Ich glaube, ich muss auch mal nach Mauritius
Zum Abschluss noch zwei Empfehlungen:
- Wer sich für Kaffee und insbesondere Espresso / Cappuccino interessiert, dem empfehle ich den Barista Einsteiger-Kurs in München
- Wer sich für Kaffee interessiert und mit den Infos aus diesem Blogbeitrag noch nicht zufriedengestellt ist, der sollte sich das Buch von Thomas Leeb und Ingo Rogalla zur Hand nehmen: Kaffee, Espresso & Barista (Amazon)