Eskalierende Sicherheit

Uhl wieder! Jetzt schlachtet er die Ereignisse in Toulouse aus, um das eigene Verunsicherungskonzept, das er als ein Sicherheitskonzept feilbietet, voranzubringen. Denn die französischen Behörden seien dem Mörder "unter anderem wegen einer von ihm genutzten Computer-Adresse auf sie Spur gekommen", wie der Spiegelschreibt. Diese kurze Beschreibung reicht Hans-Peter Uhl, auf Handy- und PC-Technik spezialisierter Trachtenjanker, um die Vorratsdatenspeicherung wieder ins Gespräch zu bringen. Denn nun sei klar, dass diese Leben retten könne, glaubt Uhl.
Die Fiktion von der Lebensrettung
Das ist das Imponiergehabe der Sicherheitspolitik ganz generell. Durch in Vorrat befindliche Daten sollen die französischen Behörden den Mörder gestellt haben. Haben die Daten aber Leben gerettet? Erst nachdem er tötete, konnten solche Daten verwertet werden - es wird demzufolge immer erst jemand zu Schaden kommen, bis eine solche Maßnahme greift, wenn sie denn überhaupt greift. Es ist von Uhl überhaupt, gemessen an der Wirklichkeit, arrogant, von Lebensrettung zu sprechen, wo doch Menschen starben - dies auch beim Stellen des Täters.

Es ist nämlich die große Sicherheitslüge, die uns dieser Schlag von Expertenpolitikern auftischen will. Mit ihren Maßnahmen, so erklären sie stets, würde Gewalt und Terror vermieden werden können. Das gelingt freilich nicht, denn wer sich dergleichen in den Kopf setzt, der wird seinen Plan irgendwie auch umsetzen können. Maßnahmen wie Daten auf Vorrat anzulegen wiederum, greifen lediglich - wenn sie überhaupt einen Sinn haben -, nach dem Akt selbst. Sie vermeiden nicht, sie retten keine Leben, sie werden erst nach dem Auslöschen diverser Leben aktiv. Die postulierte Rettung von Leben ist nur ein fiktiver Ansatz, der meint, der Täter würde bald schon wieder tätig werden und erneut morden - das ist aber nur eine Annahme, ein gedankliches Konstrukt. Gleich gut könnte er sich Wochen Zeit lassen, bis Gras über die Sache zu wachsen scheint und dann nochmals planen. In dieser Zeitspanne könnte die Polizei aber durch traditionelle Ermittlungsmethoden des Täters habhaft werden.
Terrormaßnahmen deeskalieren nicht - sie lassen es eskalieren
Mit Pauken und Trompeten ratterte die Polizei und das Militär stattdessen heran, anstelle erstmal ruhig und besonnen zu ermitteln und den Täter erst dann zu stellen, wenn man ihn auf den falschen Fuß erwischt. Kurz nach seinem Verbrechen war er noch in Alarmbereitschaft - doch in dieser aufgeheizten Phase wollte man ihn schnappen. Da waren Tote durchaus kalkuliert. Wir sahen polizeilichen Aktionismus, die vorrätigen Daten drängen ja zum sofortigen Zugriff. Diese sicherheitspolitische Maßnahme, wenn sie schon mal wirkt und greift, will sich schließlich beweisen. Die Zeitungen sollten doch hernach davon schreiben können, dass die Vorratsdatenspeicherung einen durchschlagenden Erfolg zu verbuchen hatte - Verhaftung in Windeseile! Innenminister stolz! Letztlich dann ein Blutbad, weil in einer Jetzt-und-gleich-Mediengesellschaft keine Zeit dafür aufgebracht wird, Entscheidungen zeitlich zu verlagern. Man hätte den Täter ja observieren können in dieser Zeitspanne. Irgendwann wäre der Augenblick günstig gewesen: kurzer, weil ihn überraschender Zugriff - Festnahme.
Doch diese vermeintlichen Patentlösungen gegen (terroristische) Gewalt gewähren kein Zeitpolster. Wenn man schon Daten im Vorrat hat, wenn man schon mal was findet, was verdächtig sei, dann wird es eilig. Denn diese Patentlösungen sollen nicht nur Gewaltvermeider sein, sondern auch die Gewalt in Windeseile vereiteln. Die Lebensrettung durch solche Gesetzespakete ist Hirngespinst und womöglich sind sie sogar eher dazu geeignet, die Situation zur Eskalation statt zur Deeskalation zu bewegen - weitere Leben die gefährdet und geopfert werden, im Namen einer vermeintlich allumfassenden Sicherheit.
Wobei bei aller Diskussion natürlich noch zu fragen wäre, ob der "Ermittlungserfolg" wirklich auf der Vorratsdatenspeicherung fußt - Computer-Adressen ermitteln oder Handys orten beispielsweise haben mit der nämlich wenig zu tun. Das spielt aber für die Befürworter des gläsernen Bürgers, und Uhl ist so einer, überhaupt keine Rolle.
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