Es wird keine Helden geben
Anna Seidl
Oetinger, 2014
978-3789147463
14,95 €
Du hörst einen Schuss und versteckst dich in der Toilette, denn du weißt, wenn er dich findet, bist du wahrscheinlich tot. Miriam will eigentlich gerade in die Pause gehen, da passiert ihr genau das. Danach ist nichts mehr, wie es war und ihre Welt droht auseinander zu brechen. Denn wie soll sie ihr Leben weiterleben zwischen all den Schuldgefühlen, der Wut und der Hoffnungslosigkeit?
Die Ich-Erzählerin Miriam ist geradeheraus und für ihr Alter sehr selbstreflektierend, was wohl auch dem Umstand des Amoklaufs zuzuschreiben ist. Allerdings ist sie mir ein bisschen zu dreist am Anfang bzw. in der Rückschau ihrer Tage vor dem Ereignis. Sie weiß, dass sie gewisse Dinge besitzt, die andere Menschen nicht haben und das spielt sie auch aus.
Ihre Freundinnen sind sehr verschieden, und wie Miriam später mit ihnen interagiert, macht einen wesentlichen Teil dessen aus, was die gesamte Person Miriam sichtbar macht.
Die anderen Schüler sind eher Streiflichter, weil sie sich nicht alle in Miriams Radius befinden. Dafür lernt man aber ihre Eltern kennen und so wird manch anderes klar, was vorher noch sehr im Schatten lag.
Nun ist die Kulisse sehr eingeschränkt, denn Miriam ist erst mal sehr traurig und bleibt lange Zeit Zuhause. Aber die Schule konnte ich mir gut vorstellen und die anderen Dinge sind auch so gut beschrieben, dass ein Bild in meinem Kopf entsteht.
Der Anlass selbst, der Amoklauf ist sehr kurz dargestellt und erst habe ich mich gewundert, denn ich habe es wie immer gehalten: kein Klappentext vorher und keine, irgendwo zu lesende Meinung oder ähnliches. Ich war nicht darauf vorbereitet, dass Miriam mehr darüber nachdenkt, als das wirklich etwas passiert. Aber am Anfang gefällt mir das sehr gut. Der Leser merkt, was sie mitgenommen hat, was sie verwirrt hat und durch ihre offenen Gedanken merkt man auch, dass es eine schwierige Situation ist. Die Ich-Perspektive ist aber auch sehr ungewöhnlich und ich kann mir vorstellen, dass viele mit ihr ein Problem haben werden, denn auch ich musste mich erst darauf einstellen.
Was mir dann nicht gefallen hat, waren die Reflexionen über den Amoklauf, die sehr eigensinnig und egoistisch dargestellt sind. Immer wieder ertappe ich mich dabei, dass ich Miriam meine Meinung sagen will. Außerdem bewirkt ihr Verhalten manchmal, dass ich wahnsinnig gereizt bin.
Immer dann, wenn sie sich um andere Menschen kümmert, kommt es mir so vor, dass sie es nur macht, um sich selbst besser zu fühlen. Es ist klar, dass ich die Situation nicht zu 100% nachvollziehen kann – Gott bewahre! – aber irgendwie habe ich mir so ein Buch anders vorgestellt.
“Es wird keine Helden geben” ist ein außergewöhnlicher Titel, der aufmerksam macht, denn es ist so, wie Miriam selbst sagt: In Filmen gibt es immer den einen Helden, der alle rettet.
Die Meinungen gehen weit auseinander und trotzdem bin ich es, die sich fehl am Platz fühlt, denn ich vergebe nur drei Sterne. Miriam war mir an vielen Stellen zu selbstbezogen. Die schwarzen Seiten von den Jugendlichen allgemein werden viel zu kurz dargestellt und ich finde der Sündenbock bleibt immer derselbe. Dabei nehme ich Amoklaufschützen nicht in Schutz, ganz im Gegenteil. Aber wenn das Buch versucht schon beide Seiten zu zeigen, sollte es sachlich bleiben und auch Matias nicht ganz vergessen.