Alles beginnt noch verhältnismäßig unspektakulär, als Sara Sebastiansson während einer ungeplanten Zugverzögerung das Transportmittel verlässt um draußen ungestört zu telefonieren. Ihre Tochter sitzt noch schlafend im Zug, als dieser wieder weiterfährt – Sara verpasst den Zug, weil sie einer Frau zur Hilfe kommt, dessen Hund scheinbar unter Krämpfen leidet. Nach Absprache mit dem Bahnpersonal reist sie weiter mit dem Taxi nach Stockholm, um hier ihre Tochter aus dem Zug abzuholen, doch als sie ankommt ist ihre Tochter verschollen.
Alex Recht, Ermittler der Stockholmer Polizei hat es mit seiner studierten neuen Kollegin nicht gerade einfach, den Fredrika Bergmann arbeitet einfach nicht so, wie es ein richtiger Polizist zu tun hat – ihre Mutmaßungen sind banal, ihr Scharfsinn noch nicht stark genug ausgeprägt…die beiden werden gemeinsam mit dem Polizisten Peder Ryhd zum Stockholmer Bahnhof gerufen, um das vermisste Kind aufzuspüren und verdächtigen direkt den Vater des Kindes. Was sie erst später erfahren sollen, ist, dass die junge Lilian Sebastiansson nicht das einzig entführte Kind bleiben soll, und, dass sie nicht ahnen sollten, dass diese scheinbar grundlos umgebracht werden.
Kindermord ist eines der wenigen Themen, mit welchem man in der Literatur wie auch in Filmen eher vorsichtig umgehen muss – der Autorin Kristina Ohlosson gelingt dies zwar, jedoch auf eine doch recht vorhersehbare Weise, viele Dinge werden schon erahnt bevor diese überhaupt ins Auge der Ermittler fallen. Von Beginn ist klar, dass es sich nicht um eine einfache Entführung handelt, sondern um etwas viel schlimmeres. Gleichzeitig ist es offensichtlich, dass nicht der eigene Vater der Entführer und Mörder der kleinen Lilian ist, auch wenn dieser ein ebenso dunkles Geheimnis mit sich herumträgt. Die einzige Person in diesem Fall, die den Vater direkt ausschließt, ist die Ermittlerin Fredrika Bergmann, die jedoch von all ihren Kollegen gnadenlos unterschätzt wird, und zwar leider viel zu oft. Sie ist die Sympathieträgerin in diesem Kriminalroman, die sich aus vielen kleinen Puzzleteilen das Gesamtgeschehen zusammenbaut. Die Geschichte handelt von Rache an den Müttern, die nicht in der Lage zu sein scheinen alle Kinder gleichmäßig zu lieben, doch was sie getan haben bleibt lange Zeit unaufgedeckt.
Die Autorin führt den unwissenden Leser sehr lange hinters Licht, es werden Mutmaßungen gemacht wer denn nun der grausame Mörder sein könnte, ein wirklich gut gemachter Schachzug, der zum Weiterlesen anregt. Die Auflösung des Falls ist jedoch beinahe so ernüchternd, wie das frühere Herbeiziehen eines Profilers, und führt den Leser zu einem Ende, bei welchem man denkt, dass die Autorin einfach keine Lust mehr hatte weiterzuschreiben. Der Kriminalroman bietet jedoch auf vielsichtige Art und Weise Einblicke in die Privatleben aller Ermittler, macht diese durchsichtiger und lässt ihre Handlungen in vielen Momenten nachvollziehen.
Für einen Debütroman stellt “Aschenputtel” in jedem Fall eine unterhaltsame Lektüre dar, die Lust auf den Folgekrimi “Tausendschön” macht, welcher am 10. September 2010 im Limes Verlag erschienen ist. Ohlsson zeigt wahres potential, auch wenn einige Handlungsverläufe sicherlich noch ausbaufähig sind. Sie selbst ist Terrorismusexpertin in Wien und arbeitet für das schwedische Außen- und Verteidigungsministerium – ein Buch, welches vielleicht im politischen Milieu spielt wäre von ihrer Seite aus sicherlich interessant.
Bibliographie:
Titel: Aschenputtel
Autor: Kristina Ohlosson
Verlag: Limes Verlag
Format: Gebundener Einband
Preis: 19,99€
ISBN: 3809025917