Es (spiel)platzt der Kragen

Jeder, der mich ab und an liest, weiß, dass ich kein großer Freund des Spielplatzkosmos bin. Was aber nicht heißt, dass ich mich mit meinen Kindern dort nie blicken lasse. Im Gegenteil. Wir sind sehr oft dort zugange - und wie schon erzählt, gehöre ich eher zu den abseitsstehenden Handymüttern, die sich von anderen Nicht-Handy-Müttern fernhalten. Gestern stand ich also fernab von Gut und Böse beim Kinderwagen und bewachte das schlafende Mäuschen. Himmel und Menschen hatten sich wegen des schönen Wetters dort versammelt und es wimmelte nur so von dreckigen Kindern, verklebten Babys und schwatzenden Müttern. Ein Bild des Grauens für mich.
Aber darum soll es ja heute gar nicht gehen.
Ich stand also beim Kinderwagen und beobachtete die Maus. So wie immer, denn ob Handy oder nicht - ich lasse meine Kinder nie aus den Augen. Sie hatte großen Spaß beim Tunnelrutsche rutschen und rannte wieder und wieder den staubigen Berg hoch, um ein weiteres Mal mit einem schrecklich quiekenden Geräusch die Sause zu machen. Unten standen - wie immer - ein paar besonders spaßige Gesellen, die keine Freude am Rutschen, wohl aber am Sandwerfen und Stöckereinstecken hatten. Große, diabolische Freude. Neben mir im Sand saß ein etwa sechs Monate altes Baby, das trotz kalter Temperaturen keinen Body trugt (was mir auch noch nie begegnet ist in diesem Alter), in Ruhe Sand futterte und sich seines Lebens freute. Direkt neben dem Baby hielten es zwei Achtjährige für eine super Idee, mit einem Riesenast auf den Sand zu schlagen. Soweit das Szenazio.
Ich beobachtete relativ angespannt und argusäugig sowohl das Rutsch- als auch das Riesenastgeschehen, bis letzters mit zu bunt wurde. Mit supergrummeligem Fremdmuttergesicht wies ich die zwei Asthelden drauf hin, dass es doch eher uncool wäre, das Baby mit dem Ast zu erschlagen, so dass die beiden sich genervt und verschämt trollten. Ob das Baby überhaupt eine Mutter oder einen Vater dabei hatte, war mir nicht ersichtlich. Vielleicht war es auch heute alleine unterwegs, hatte sich robbend zum Spielplatz geschleppt oder war mit dem Bus angereist, in dem es möglichweise seinen Body gegen eine Fahrkarte eingelöst hatte. Wer weiß das schon genau?
Nachdem ich diese Gefahrenquelle für wildfremde Winzlinge gebannt hatte, widmete ich mich wieder meiner rutschenden Quiektochter. Ein paar arme Rutscher bekamen schon eine nicht unbeachtliche Menge Sand ins Gesicht und in die Augen und ich schaute mich - wie immer - nach den Müttern der Wurfterroristen um. Gefühlte 100 Frauen standen ziemlich abseits in Grüppchen, schlürten Kaffee und tauschten sich über Gott und die Welt aus - nur keine schien zu diesen Rotzgören zu gehören. Ich beschoss, die kleinen Randalebrüder und -schwestern mit ein paar meiner gefürchteten "Hör sofort damit auf, sonst..."-Blicken zu beschießen, was offensichtlich null fruchtete.
Und da passierte es: Die Maus kam unten aus der Röhre und bekam eine mit Perfektion gezielte Portion Sand mitten in die Augen. Riesen Geschrei ihrerseites, Lachen aufseiten der Terrorkinder - und eine Grummelmama, der in diesem Moment die Sicherung durchknallte. Ich rannte zur Rutsche, packte mein Kind, wischte ihm den Sand aus den Augen und brüllte zuerst die Attentäter an, warum sie eigentlich auf dem Spielplatz keinen anderen Spaß fänden, als anderen Kindern Sand und Stöcke auf und in den Kopf zu befördern und dass sie mich mal erleben sollten, wenn ich sowas nochmal mitbekäme!
Dann schnappte ich mir, die Maus unter den einen Arm geklemmt, den Buggy mit dem noch immer schlafenden Mäuschen und stürmte in Richtung der Quasseltratschmuttis. Unfassbar geladen brüllte ich in ihre Richtung, ob sie es eigentlich normal fänden, dass ihre Blagen ungestraft die ganze Zeit Mist anstellen könnten, ohne dass es hier irgendjemanden juckte - und dass ich entgültig die Schnauze voll davon hätte, dass hier keiner einschreitet, weil Klatsch und Tratsch und Kaffee scheinbar wichtiger seien, als auf seine Rotzgören aufzupassen. Dann stürmte ich wutschnaubend weiter und verließ unter ungläubigen Blicken und bösartigstem Kopfschütteln das Spielplatzgelände.
Tja. Ich bin nicht sicher, ob ich mich dort je wieder blicken lassen kann, ohne durch die Vogelfreiheit einer durchgeknallten Mutter größter Gefahr ausgesetzt zu sein. Aber ich würde es immer tun. Es ist wirklich unglaublich, wie wenig es die meisten Eltern kratzt, wenn Ludwig, Jette und Ben-Maximilian gezielt mit Stöcken in die Rutschröhe holzen, Sand hineinwerfen oder an anderer Stelle mit dreikäsehochgroßen Blechschaufeln oder mannslangen Ästen um sich schlagen. Antiautoritär mögen es die einen nennen - für mich ist das totalstes Desinteresse und eine Gefährdung für meine Quiekkinder. Oder lasst es mich kurz mit einem geliehenen Werbesloagan ausdrücken:
 Elite-Spielplätze.de: Ökodemiker & Muddis ohne Niveau.

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