Wolfgang Krisai: Rokoko-Berline, sogenannter „Prinzen- oder Damenwagen“, Wagenburg, Schloss Schönbrunn, Wien. Federzeichnung, 2017.
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Interessant kommentierte Ausgabe
Das eigentliche Tagebuch umfasst 148 Seiten, darüber hinaus gibt es eine Einleitung, editorische Erläuterungen, einen äußerst umfangreichen Sachkommentar und ein kommentiertes Personenverzeichnis.
Die Idee, die Personen normalerweise nicht im Kommentar zu kommentieren, sondern im Personenverzeichnis, ist sehr praktisch, da man ja häufig nicht beim ersten Auftreten der Person gleich etwas nachschauen will, sondern vielleicht erst beim fünften oder zehnten. Allerdings ist die Kommentierung im Personenverzeichnis deutlich weniger ausführlich als die zu den Sachthemen im Sachkommentar, wo die Informationen oft geradezu ausufern, vor allem, wenn es um Kunstwerke geht, die besichtigt und genannt werden.
Einige Seiten des Originals sind abgebildet, sodass man auch von der Handschrift Göchhausens einen Eindruck bekommt. Auch ein von Goethe gezeichnetes Porträt der Autorin ist enthalten.
Scharfes Mundwerk, aber nüchternes Tagebuch
Louise von Göchhausen war eine kleine, verwachsene Frau, die lange Jahre die Hofdame der Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach war und nur wenige Monate nach deren Tod 1803 ebenfalls starb. Sie war beliebt, weil sie einen scharfen Verstand und ein offenbar nicht weniger scharfes Mundwerk hatte.
Das goutierte möglicherweise aber nicht jeder, denn im Kommentar zum 1. 12. 1789 (Aufenthalt war gerade in Rom, an diesem Tag erfuhr man vom Selbstmord des jungen Sängers David Heinrich Grave) wird vermutet, Louise von Göchhausens ständige Sticheleien gegen den Sänger hätten zu dessen Tod beigetragen und darüber sei es zu einem ernsten Zerwürfnis mit der Herzogin gekommen (wovon wieder Goethe ein Jahr später in einem Brief etwas andeutet). Im Tagebuch wird davon nichts gesagt, denn Gefühle und Kommentare sind daraus generell ausgespart.
Genaue Chronistin des Tagesgeschehens
Göchhausen vermerkt genau, aber in aller Kürze, was jeden Tag gemacht wurde, wo man übernachtete, wo man einkehrte, welchen Vergnügungen man sich hingab.
Die Herzogin liebte die Musik (komponierte sogar selbst), daher hatte sie Musiker – zunächst einen Schweizer Komponisten, der sich aber bald beurlauben ließ, und dann eben diesen unglückseligen Grave – in ihrer Entourage, wie übrigens auch einen Arzt, einen Koch, einen italienischen Cicerone, eine Kammerfrau, eine Kammerjungfer, einen Hofmarschall und die Hofdame Göchhausen umfasste.
Eigentlich inkognito
Die Herzogin reiste inkognito unter dem Namen Gräfin von Allstedt, konnte das Inkognito aber vor allem in Rom nicht mehr aufrecht erhalten.
Die Reiseroute – am vorderen Vorsatzpapier auf einer Landkarte abgebildet – verlief von Weimar über Regensburg, München, Innsbruck, Verona, Mailand, Parma, Florenz, Pisa, Siena, Viterbo nach Rom, wo man länger blieb, dann weiter nach Neapel, nach einem Monat zurück nach Rom, dann bald wieder nach Neapel, wo man dann lange blieb – mit Ausflügen nach Paestum, auf die Insel Ischia, nach Andria (dort aber merkwürdiger Weise nicht zum Castel del Monte!), zurück ging es dann über Rom, Ancona, Bologna, Venedig, Padua, Verona, Innsbruck, Augsburg, Nürnberg nach Weimar. In Venedig erwartete sie Goethe, der dort schon ein Monat zu früh eingetroffen war, und begleitete sie dann nach Hause.
Die Reise beanspruchte die Weimarer Staatsfinanzen empfindlich, zumal die Herzogin die geplante Reisezeit von einem Jahr fast um ein weiteres Jahr überzog. Aber es gefiel ihr in Neapel dermaßen…
Erstaunliche Aufnahmekapazitäten
Absolut erstaunlich ist die Aufnahmekapazität der Herzogin und der Hofdame, was Kunstwerke betrifft. Praktisch jeden Tag wird irgendeine Sehenswürdigkeit besichtigt, manchmal auch mehrere, und in den Kirchen, Klöstern und Palästen (die, sofern der Besitzer abwesend war, offenbar problemlos zugänglich waren) wurde nach bedeutenden und weniger bedeutenden Gemälden Ausschau gehalten.
Darüber hinaus empfing die Herzogin fast täglich Künstler, die ihr Zeichnungen vorlegten, von denen sie gelegentlich welche kaufte, oder die sie porträtierten. So etwa Angelika Kauffmann, Tischbein, aber auch den Maler Verschaffelt und viele andere.
Gesellschaftsleben
Täglich wurde in Gesellschaft gespeist, der Koch war also eine wesentliche Figur in der Reisegesellschaft. Und am Abend ging man in die Oper, in ein Konzert, ließ sich vorsingen oder vorspielen oder spielte und sang selbst. In den wenigen stillen Stunden schrieben sowohl die Herzogin wie auch die Hofdame an ihren Tagebüchern.
Von Lektüre ist nie die Rede, möglicherweise wurden aber Reiseführer (sofern es solche schon gab) konsultiert. Jedenfalls hätte man nicht so viele Kunstwerke besichtigen können, wenn man nicht im Vorhinein von deren Existenz erfahren hätte.
Die Natur spielt ebenfalls eine geringere Rolle. So spektakuläre Naturschauspiele wie aus dem Vesuv hervorquellende Lava, zu der man extra hinaufstieg bzw. -getragen wurde, oder Wasserfälle, Schluchten oder Ähnliches besichtigten die Reisenden aber sehr wohl.
Eigene Kutsche, fremde Pferde
Die Gruppe reiste in zwei eigenen Kutschen, nur die Pferde wurden an den Poststationen gewechselt, manchmal mussten auch welche zusätzlich vorgespannt werden, um Berge zu überwinden. Diese Kutschen waren sicher nicht gerade bequem im Verhältnis zu heutigen Fortbewegungsmitteln. Außerdem konnten sie umstürzen (was einmal geschah, wobei aber niemand verletzt wurde) oder Räder konnten zu Bruch gehen (was öfter geschah). Vor dem Regen schützten sie jedoch offenbar ausreichend, auch Kälte ließ sich ertragen.
Insgesamt eine äußerst interessante Lektüre. Man möchte gleich mehr über Louise von Göchhausen oder Anna Amalia erfahren.
„Es sind vortreffliche Italienische Sachen daselbst“. Louise von Göchhausens Tagebuch ihrer Reise mit Herzogin Anna Amalia nach Italien vom 15. August 1788 bis 18. Juni 1790. Hg. u. komm. v. Juliane Brandsch. Schriften der Goethe-Gesellschaft, Band 72. Wallstein-Verlag, Göttingen, 2008. 518 Seiten.
Bild: Wolfgang Krisai: Rokoko-Berline, sogenannter „Prinzen- oder Damenwagen“, Wagenburg, Schloss Schönbrunn, Wien. Federzeichnung, 2017. – Mit einer Zeichnung von Anna Amalias Reisekutsche kann ich nicht aufwarten, aber zumindest von dieser schönen Kutsche aus der Wiener Wagenburg.
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