Der deutsche Kaiser Wilhelm II. ist die Schlüsselfigur der Julikrise
"Mitten im Frieden überfällt uns der Feind!" Kaiser Wilhelm II. wählt die Worte genau, mit denen er die Deutschen Anfang August 1914 auf den Krieg einschwört. Seine Botschaft: Schuld sind die Anderen! Mit dieser Botschaft ist er allerdings nicht allein: In den Wochen vor dem Weltkrieg haben alle europäischen Diplomaten und Politiker die Verantwortung von ssich gewiesen. Alle miteinander haben sie es darüber versäumt, friedliche Lösungen zu finden. In der Julikrise gibt es nur Schuldige - und nur Verlierer. Wilhelm II. ist ihre tragische Schlüsselfigur: Mit seinen martialischen Zwischenrufen hat er Anfang Juli soviel Öl ins Feuer gegossen, dass seine Friedensbemühungen Ende Juli nicht mehr ernst genommen werden.
Auch die Lebensgeschichte Wilhelms II. verläuft von Anfang an tragisch: Bei der schwierigen Geburt wird der linke Arm des späteren Kaisers dauerhaft geschädigt. Seine Mutter findet ihn deshalb unmännlich, seine Erzieher suchen die Bürde mit kompromissloser Härte zu kompensieren. Auch Wilhelm selbst lernt, seine Behinderung zu kaschieren - indem er mit markigen Worten den starken Mann mimt. Das kommt weder in Deutschland, noch in Europa gut an. Auch der uneinsichtige Größenwahn, in dem Wilhelm sein Kaiseramt völlig unzeitgemäß ausübt, schürt die Angst vor Deutschland. Dazu kommt, dass der Kaiser nicht das preußische-dienstbeflissene Format seines Großvaters hat, von dem er den Thron geerbt hat. Wilhelm I. hatte seinen Kanzler Bismarck machen lassen - und der hatte es (zumindest außenpolitisch) auch gut gemacht. Und der Herschaft des zweiten Wilhelms gerät Deutschland zusehends in die internationale Isolation. Der letzte verbliebene Bündnispartner, das einstmals mächtige Habsburgerreich, der innerlich bereits zerfällt. Ein militärischer Stärkebeweis käme da gerade recht. Nicht zuletzt deshalb befürwortet Wilhelm zu Beginn der Julikrise zum Krieg gegen Serbien. Nach dem Motto "Jetzt oder nie!" erteilt er den Österreichern einen Blankoscheck. Je klarer sich abzeichnet, dass dieser Krieg kein regionaler bleiben wird, desto energischer rudert Wilhelm zurück. Das aber nehmen die zivile und die militärische Führung nicht mehr ernst. Sie übergehen den Kaiser. Sein Kanzler Theobald von Bethmann Hollweg leitet die kaiserlichen Friedenswünsche und Vermittlungsvorschläge nicht nach Wien weiter. Mit dem Generalstabschef Helmuth von Moltke gerät Wilhelm am 1. August aneinander - heute vor 100 Jahren. Mittlerweile ist klar: Die Russen machen seit Tagen heimlich mobil. Dabei kommt es auf jede Stunde an, da nur schnelle Erfolge im Westen einen erfolgreichen Zweifrontenkrieg mit Frankreich und Russland ermöglichen. Deshalb drängt, fleht, bittet und bettelt Moltke darum, endlich in Luxemburg und Belgien einmarschieren zu dürfen (das sieht der so genannte Schlieffenplan vor). Wilhelm II. hofft aber noch auf Englands Neutralität und hält Moltke zurück, der daraufhin zusammenbricht. Erst als auch aus London keine Verständigungssignale mehr gesendet werden, kapituliert der Kaiser vor seinen Militärs: "Nun können Sie machen, was sie wollen..." Die Folgen sind fatal: Deutschland macht mobil, erklärt Russland den Krieg (weil man schnell losschlagen muss, um überhaupt eine Chance zu haben) und marschiert durch das neutrale Belgien gen Frankreich. England schließt sich Deutschlands Gegnern an und es kommt so, wie es kommen muss: Europa marschíert in ein Zeitalter der Weltkriege...
Mit diesem Beitrag endet das Eulengezwitscher-Extra zur Julikrise von 1914 und der Biografien-Blog Eulengezwitscher verabschiedet sich in die Sommerpause. Ab September geht's an dieser Stelle wird weiter mit Menschen, die Geschichte gemacht haben...