Es läuft “Ein Monster in Paris” umher

Erstellt am 27. Juni 2012 von Denis Sasse @filmtogo

© Universum Film / Das Monster von Paris gemeinsam mit Lucille auf der Bühne

Vor zwölf Jahren machte der französische Regisseur Bibo Bergeron seinen ersten Film. Dieser schickte ihn auf die Suche nach dem legendären Goldland El Dorado („Der Weg nach El Dorado“). Nach dem 2000er Zeichentrickfilm, der nach „Der Prinz von Ägypten“ und „Joseph – König der Träume“ der dritte Dreamworks Animation Zeichentrickfilm war, folgte vier Jahre später die Computeranimation „Kleine Fische – Große Haie“ – erneut mit Dreamworks als produzierendes Studio. Das hat sich inzwischen geändert. Für seinen dritten Film konnte der Regisseur auf sein eigenes Studio zurückgreifen: Bibo Films ist für die Reise in die Stadt der Liebe verantwortlich. „Ein Monster in Paris“ heißt das neue Abenteuer von Bergeron, welches sich irgendwo zwischen „Das Phantom der Oper“ und „Die Schöne und das Biest“ einordnen lässt.

Der französische Animationsfilm entführt die Zuschauer in das Paris des Jahres 1910. Dabei bleibt die Stadt zwar ein romantisch, ruhiges Fleckchen, aber ein Monster sorgt dennoch für reichlich Aufregung. Der schüchterne Filmvorführer Emile und sein Freund, der verrückte Erfinder Raoul, werden ganz plötzlich die Anführer einer großangelegten Monster-Jagd. Während sie kreuz und quer durch Paris hetzen, treffen sie auf die wunderschöne Lucille, eine großherzige Kabarett-Sängerin. Hinzu gesellen sich ein verschrobener, alter Wissenschaftler, ein gemeiner Polizeichef und ein eigenwilliger Affe. Nach einer endlos scheinenden Jagd und durch das zutrauliche Verhältnis, dass Lucille zu dem Monster aufbaut, zweifeln die beiden Jäger immer mehr daran, dass das Monster wirklich so eine große Gefahr für Paris darstellen soll.

Emile (links) und Raoul (rechts)

Mit den Gebrüdern Lumière oder Georges Méliès ist Frankreich, insbesondere Paris, stark mit dem Aufkommen des Mediums Film verwurzelt. Warum also nicht die Handlung mit ein paar geschichtsträchtigen Anspielungen füllen? So soll in dem Kino, in dem Emile als Filmvorführer herum wuselt, der „neue“ Méliès gezeigt werden, während vor der eigentlichen Filmvorführungen die neuesten Entwicklungen zu einem enormen Hochwasserstand der Seine gezeigt werden – es wird die größte Überschwemmung in der Geschichte von Paris werden, sagen die heutigen Geschichtsbücher. Davon sind hier aber nur die Anfänge zu sehen, schnell findet man sich als Zuschauer im eigentlichen Kinosessel wieder, sieht eine Film-im-Film-Situation, wenn im Kino nach diesem kleinen Nachrichtenüberblick eine Frühlingsromanze läuft, in die sich Emile hinein träumt. Damit stellt sich „Ein Monster in Paris“, so durchschaubar die Handlung sich auch präsentiert, als eine Liebeserklärung an das Medium dar. Das Kino, die Filmemacher, der Filmvorführer, das Phantom der Oper – das Schauspiel und die Bühne stehen immer im Mittelpunkt, womit sich dieser französische Animationsfilm ganz dicht neben Produktionen wie „Hugo Cabret“ oder „The Artist“ stellt, in denen die jeweiligen Filmemacher auf eine Epoche des Filmschaffens zurückweisen.

Entgegen allen Disney-Symptomen, die heutzutage gerne mit Animationsfilmen in Verbindung gebracht und auch von anderen Produktionsstudios aufgegriffen werden, stellt sich das „Biest“ hier ausgerechnet als eine mutierte Riesenkakerlake heraus, die sich am Ende nicht in den schönen Prinzen verwandeln wird und dennoch die Zuneigung einer Frau gewinnt sowie eine schöne, liebliche Gesangsstimme sein eigen nennen kann. Aber auch hier stellt sich „Ein Monster in Paris“ als Disney-Kontrastprogramm hin. Die Musikstücke bleiben rar gesät und klingen im Vergleich zur klassisch atmosphärischen Umgebung höchst modern, verbreiten mit ihrem Dasein dennoch reichlich Frohsinn, keine Trauer, bilden zumeist einen Lobgesang auf Paris und das Leben. Wenn die Kabarett-Tänzerin Lucille gemeinsam mit ihrem Kakerlaken-„Phantom der Oper“ auf der Bühne steht und animierte Choreographien durchtanzt, werden ansehnliche Bildern gezeigt, auch wenn die Animationen durchgängig hinter den Qualitäten der großen Hollywoodproduktionen zurück bleiben. Das nagt aber niemals am Charme der Geschichte.

Lucille

Allerdings sind es nicht nur die Bilder, die etwas rückständig wirken, sondern auch die Figuren. Ganz gleich ob bei Disney, Partnerfirma Pixar, Dreamworks, Sony oder Warner Animation, hier fühlt man mit den Figuren, verliebt sich in die ein oder andere Prinzessin oder den Prinzen, fiebert mit den Helden mit oder hasst die hinterhältigen Vorgehensweisen der Schurken. Bei „Ein Monster in Paris“ bleibt man eher kühl distanziert, betrachtet zwar amüsiert das bunte Treiben von Emile, Lucille und Raoul, die aber gerade einmal genug Eigendynamik entwickeln um gewisses Maß an Interesse zu wecken, darüber aber niemals hinaus kommen. Die Figuren werden nicht in Erinnerung bleiben, vielmehr ist die Stadt der Protagonist, wie es aber vielen anderen in Paris angesiedelten Filmen ebenfalls ergeht. So verkommt auch das Finale zur Sight-Seeing-Tour am Eiffelturm. Anscheinend wagt man es nicht, die Pariser Sehenswürdigkeit seiner Aufmerksamkeit zu berauben, auch wenn es in anderen Filmen, wie beispielsweise dem Oscar-nominierten „A Cat in Paris“, funktioniert hat.

Das Schönste an „Ein Monster in Paris“ bleiben damit die kleinen, versteckten Anspielungen auf die Filmgeschichte, diese Meta-Ebene, die das kindliche Zielpublikum leider nicht erkennen wird. Die Tanz- und Gesangseinlagen halten mit Genrevertretern mit, nur Handlungs- und Figurentechnisch hätten man noch ein wenig an dem Film feilen können. Aber für einen hübsch anzusehenden Ausflug in die Stadt der Liebe reicht der Unterhaltungswert allemal.

Denis Sasse


“Ein Monster in Paris“