Die Medien sind innovativ, wenn es darum geht, Tiefstände mit Schlagworten zu versehen. Es gibt Krisen jeglicher Sorte. Aktuell die Griechenland-Krise und die Euro-Krise, die in Hellas eine Regierungskrise auslösten und demzufolge zu einer EU-Krise wurden - all das geschieht im Fahrwasser der Wirtschaftskrise, die ihrerseits aus der Finanzkrise resultierte. Die Krise ist ein zentrales Wort in der Medienlandschaft - es gibt sie aber nicht singulär, sie tritt nur im Plural auf. Und das nicht ohne Grund...
Es löste nämlich eine (Singular!) Krise aus, wenn es keine Krisen, sondern nurmehr eine Krise gäbe. Die Aufspaltung in Krisenherde ist notwendig, um den Laden am Laufen zu halten. Die oben aufgezählten Krisen, betrachtet man sie nüchtern von einer neutralen Warte aus, sind lediglich die Aufsplitterung einer einzigen Krise. Man suggeriert dem Konsumenten journalistischer Waren jedoch, dass es sich um verschiedenste Krisenfronten handelt, nicht aber um eine einzige große Krise, die viele kleine Schlachtfelder und Scharmützel nach sich zieht. Griechenland-Krise, Euro-Krise, Regierungskrise, EU-Krise als Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise: das sind nicht viele kleinere oder größere Geplänkel: sie stellen die eine Krise dar, die die freie Marktwirtschaft, vulgo: den Turbo- oder Casino-Kapitalismus, am Wickel hat.
Aber davon keine laute Rede, keine ausgiebige Schreibe. Stattdessen werden übersichtliche Getümmel entworfen, die die Krise einer Europäischen Union, die als Religion den freien Markt und das allseits angewandte ökonomische Prinzip, als Glaubensbekenntnis Profitstreben und -denken in jeder Nische des gesellschaftlichen Daseins und als Vaterunser exorbitante Kapitalakkumulation und pekuniäre Unersättlichkeit für sich entdeckt hat... stattdessen wird das Schlaglicht auf Randerscheinungen geworfen, um die Krise dieser inbrünstig neoliberal und reaktionär röchelnden Union zu kaschieren. Nicht der Kapitalismus, wie er in Europa und der Welt leibt und lebt, entleibt und tötet, ist es, der in ein Loch fällt, es sind einfach kleine Erscheinungen, die da innerhalb des Kapitalismus aus dem Ruder laufen, aber das Große, das Ganze, das Großeganze: es ist intakt.
Die Krisen, die die Tünche für die Krise sind, sie suggerieren, dass der Rahmen noch stimmt, dass nur kleine Pinselstriche innerhalb des Gemäldes, das in diesem Rahmen steckt, etwas fehlerhaft gesetzt wurden. Griecheland-Krise ist demnach der Kollaps Athens alleine; die Euro-Krise ist die Kalamität der Währung einzig; Regierungskrise ist eine Konfusion, die ausschließlich unzufriedene Bürger verursachen; die EU-Krise gilt somit als Beklemmung europäischer Organe nur; die Wirtschafts- und Finanzkrise ist das Dilemma der Märkte lediglich - dass aber alle Krisen zusammengefasst als ein einziges Krisenszenario durchgewinkt werden können, kommt da keinem mehr in den Sinn. Jede Krise ist fein säuberlich in seine Kompetenzen gewiesen, sie kann nicht übergreifen und nicht generalisiert verstanden werden - sie ist eine beschränkte Krise, die die unbeschränkte Krise des Systems bedeckt.
Die Taktik derer, die das System weiterhin als alternativlos und als bestes aller möglichen Systeme beschreiben, ist weniger die Leugnung der Krise. Der Turbo-Kapitalismus unserer Tage ist innovativ, wenn es darum geht, seine eigene Agonie hinter Floskeln und falschen Informationen zu verstecken. Er bestreitet die Krise nicht, er schafft viele kleine Duodez-Krisen, die die große Krise des gesamten Komplexes tarnen sollen. Wo Griechenland, Euro, EU oder Banken in der Krise sind, da ist es das kapitalistische System nicht - da bleibt es außerhalb der Diskussion und damit weiterhin alternativlos. Wo ein Land vor dem sozialen Kahlschlag steht, eine Währung moribund keucht, eine Union japst, Banken röcheln, da ist der Kapitalismus wahrscheinlich nur falsch praktiziert worden - mehr aber nicht. Die vielen kleineren Krisen machen klar: das System ist schuldlos, es sind die Teilnehmer am System, die sich irren. Der Rahmen aber, er ist einwandfrei...