©2012 Disney/Pixar / Merida folgt einem Irrlicht durch die nebeligen Wälder Schottlands
Merida ist die Königstocher vom Schlosse der DunBrochs. Alles in allem verlebt sie eine recht fröhliche Kindheit im Schottland des 10. Jahrhunderts: Sie hat ein eigenes, treu ergebenes Pferd, mit dem sie durch die Wildnis preschen kann. Sie hat drei kleine, quirlige Brüder, mit denen sie jede Menge Unfug anstellen kann. Und ihre Eltern sind liebevoll, fürsorglich und nebenbei auch die besonnen Herrscher des Königreichs, sodass Merida alle Freiheiten genießt.
Alle Freiheiten, bis auf die, selbst über ihr Leben und ihren Alltag bestimmen zu können. Denn ihre Mutter, Elinor, schreibt ihr bei jeder Gelegenheit vor, wie man sich als Prinzessin zu verhalten hat, und wie besser nicht. Kein Wunder also, dass Meridas größte Leidenschaft, das Bogenschießen, bei Elinor keine Begeisterungsstürme hervorruft. Umgekehrt ist Merida ebenso empört, als sie erfährt, dass ihre Mutter vorhat, sie zu vermählen. Auch die möglichen Bräutigams stehen schon fest: zur Auswahl steht jeweils der älteste Sohn dreier verbündeter Clans. Zutiefst gekränkt vereitelt Merida den Plan ihrer Eltern und lässt die Entscheidungs-Kämpfe um ihre Hand platzen. Kurz darauf flieht sie auf ihrem treuen Pferd in die schottischen Highlands. Sie sieht ihren einzigen Ausweg darin, dass ihre Mutter sich und ihre Meinungen ändert. Doch schon bald muss Merida einsehen, dass solche Veränderungen womöglich weitreichendere Folgen haben, als sie zunächst vorausahnen kann. Und dass die Veränderung von Anderen nichts bringt, solange man sich nicht selbst zu ändern vermag.
Merida ist eine exzellente Bogenschützin
Das klingt schon sehr nach Märchengeschichte, und tatsächlich ist „Merida – Legende der Highlands“ nicht nur Pixars erster Film mit menschlichen Hauptcharakteren und gleichzeitig der erste Film mit einer weiblichen Hauptfigur, sondern auch Pixars erste Märchen-Geschichte. Im Gegensatz zu anderen Disney-Märchenprinzessinnen (denn Pixar gehört ja seit 2006 zur Walt Disney Company) schafft es „Merida“ sich komplett von sämtlichen Prinzessinnen-Klischees zu lösen. Sie ist weder ein dummes Naivchen, das auf ihren Märchenprinzen wartet, noch eine charmante, junge Frau, die irgendwie emanzipiert, aber irgendwie doch auf den Richtigen wartet. Nein, Merida wartet auf niemanden. Und sie will auch nicht unbedingt von zu Hause ausreißen. Sie möchte einfach ihren Willen durchsetzen und verstanden werden. Damit spaltet sich Pixar von üblichen Disney-Figuren-Konstellationen ab, denn Pixar-Filme hingegen legten bisher meist den Fokus auf familiäre Probleme, als auf eine bloße Adoleszenz-Geschichte, die mit dem Finden der Liebe oder einer Heirat endete. Auch „Findet Nemo“ und „ Monster AG“ passen in dieses Bild. Und in eben diese Tradition reiht sich auch „Merida“ ein. Im Fokus liegt nahezu allein die Beziehung, die eine junge Heranwachsende zu ihren Eltern, speziell zu ihrer Mutter hat und wie eben diese Beziehung sich im Laufe der Zeit verändern muss, um zu bestehen. Damit ist „Merida“ auch ein sehr ‘erwachsener’ Film (immerhin der erste Pixar Film, der eine FSK-Freigabe ab 6 hat), der jedoch trotz dieser Thematik auch die kleinen Zuschauer zu unterhalten weiß. Niedliche Tierchen, kindgerechte Witze, eine mystisch-bunte Welt wechseln sich ab mit überaus amüsanten Szenen, die ohne Altersfreigabe, aber vor allem ohne Altersbeschränkung jegliches Alter zu unterhalten wissen.
Merida im Clinch mit ihrer königlichen Mutter
Dieselbe Ausgewogenheit, die sich in der Art des Humors zeigt, findet sich auch im Verlaufe der Handlung. Spannend-actionreiche Momente wechseln sich mit märchenhaften, ruhigen Landschaftsaufnahmen ab. Witzige Szenen sieht man mindestens ebenso oft, wie Dialoge von ernster Emotionalität. Und über alledem ist ein Spannungsbogen gezogen, der an keiner Stelle durchhängt, stattdessen einen guten Wechsel aus Ent- und Anspannung verspricht, sowie einen gut erklimmbaren Anstieg zum Höhepunkt und einen äußerst liebevoll-ergreifenden Abstieg zum Ende. Völlig ohne Märchen-Hochzeits-Kuss-Kitsch auskommend, weiß der Ausklang des Films besser zu unterhalten, mehr zu ergreifen und vor allem mehr zu vermitteln, als es so einige Märchen zusammen könnten.
Bei all dem gehaltvollen Inhalt, sollte aber auch die Verpackung nicht vergessen werden. Denn was wäre ein Pixar-Film ohne technische Perfektion? Was für digitale Schallmauern bei der Produktion von „Merida“ durchbrochen wurden, kann man wohl kaum an einer Hand abzählen, geschweige denn, dass es nachvollziehbar wäre. Das Ergebnis weiß jedoch zu überzeugen: solch eine Detailfülle und -verliebtheit findet sich selten in Animations-Filmen. Eigentlich vergisst man ziemlich schnell, dass man eine komplett simulierte Welt vor Augen hat, zu keinen Zeitpunkt sieht man so etwas wie unsaubere Animationen, etwa wenn Wasser im Spiel ist, oder minimalistisch-lieblose Animationen im Hintergrund, stattdessen eine Fülle an Details und Ideen, die man einfach gesehen haben muss. Und etwas, das wohl kaum jemand sehen wird ist der berühmt-berüchtigte Pizza-Truck aus „Toy Story“, der seit Anbeginn der Pixar-Zeit in fast jedem Film zu finden ist. Den kann man doch gar nicht im Schottland des 10. Jahrhunderts unterbringen? …. oder etwa doch?
Sarah Peters
“Merida – Legende der Highlands“