“Meiner” und ich sind jetzt in dem Alter, in dem Bekannte, die einander irgendwann zwischen achtzehn und fünfunddreissig gefunden haben, wieder auseinandergehen. Manchmal trifft einen eine solche Nachricht wie ein Schlag und man läuft tagelang mit einem schmerzenden Klumpen im Magen rum. Manchmal muss man sich ein “Eigentlich erstaunlich, dass es bei den zweien so lange gehalten hat” verkneifen. Manchmal fragt man sich, ob es denn wirklich keinen anderen Weg gegeben hätte. Manchmal – nur selten, Gott sei Dank – denkt man, dass er oder sie gut daran getan hat, dieses als Ehe getarnte Machtspiel endlich zu beenden.
Was auch immer die Gründe für das Scheitern einer Beziehung sein mögen, “Meinem” und mir drängen sich jedes Mal ein paar Fragen zu unserem eigenen Leben auf: Leben wir noch miteinander, oder funktionieren wir nur noch? Tragen die Stärken unserer Beziehung noch, oder nehmen die Schwächen überhand? Sind wir echt und ehrlich, oder machen wir einander und uns selber etwas vor? Wir sind froh, jedes Mal zum Schluss zu kommen, dass wir beide noch immer voll dabei sind. Nicht immer gleich motiviert, das müssen wir beide offen zugeben, denn wir sind ganz schön talentiert darin, einander auf die Nerven zu fallen und uns wie die Vollidioten zu benehmen, wenn der eine nicht so tut, wie der andere es gerne hätte. Aber am Grundsatz, dass wir beide zusammengehören und dass wir noch ziemlich viel miteinander vorhaben, rüttelt keiner von uns beiden. Das beruhigt uns, denn auch wir wissen, was alle, die unserer Generation angehören wissen: Die Garantie, dass es hält, hat niemand.
Beweise dafür gibt es mehr als genug, wir müssen uns nur mal ein wenig umschauen. Schmerzhafte Geschichten, soweit das Auge reicht und wohl keiner, der eine solche Geschichte erlebt hat, ist mal am Traualtar gestanden mit dem bewussten Ziel, irgendwann beim Scheidungsrichter anzutraben. Zu behaupten, es gäbe ein Rezept mit Gelinggarantie für eine funktionierende, lebenslange Beziehung, wäre ganz und gar vermessen. Dennoch stört mich dieses eine kleine Wörtchen in “Niemand hat die Garantie, dass es hält” immer mehr. Dieses “Es” suggeriert, dass man dem Lauf der Dinge voll und ganz ausgeliefert ist, dass “Es” halt einfach passiert mit dem Auseinanderleben.
Zugegeben, in so einem Leben zu zweit passieren sehr viele Dinge einfach so. Man gerät andauernd aneinander, weil der ganze Tag so grauenhaft war, dass man abends keinen mehr erträgt, der motzt, man hätte beim Wocheneinkauf zu viel Geld ausgegeben. Jeder ist so sehr mit seinen eigenen Lasten ausgelastet, dass der andere nur noch als derjenige wahrgenommen wird, der nicht beim Tragen hilft. Manchmal schlägt das Schicksal so erbarmungslos zu, dass man sich dem Leben ohnehin nur noch ausgeliefert sieht. Und nicht mal den charmanten Arbeitskollegen, der so viel mehr Interesse an der neuen Frisur zeigt, sucht man sich aus… “Es” passiert halt wirklich sehr viel einfach so und es liegt mir fern, Menschen zu verurteilen, die sich diesem “Es” nicht gewachsen sehen.
Dennoch finde ich, dass in einer Beziehung auch noch ein anderes Wort eine entscheidende Rolle spielen sollte, nämlich das “Ja”. Ich meine jetzt nicht das “Ja”, das man sich bei irgend einer – meist ziemlich feierlichen – Gelegenheit mal im Rausch der schönen Gefühle gegeben hat. Ich meine das “Ja” mitten im rauen, manchmal fast unerträglichen Leben. Das “Ja” zu dem Menschen an meiner Seite, der alles andere als perfekt ist, der aber immerhin grosszügig genug ist, mich so zu nehmen, wie ich bin – nämlich auch nicht perfekt. Das “Ja” zu dem Menschen, der der einzige Mensch auf diesem Planeten ist, der das Einzigartigste, was mir mein Leben schenken konnte – meine Kinder – mit ebenso viel Leidenschaft und Schmerz liebt wie ich. Das “Ja” zu dem Menschen, der irgendwo, unter all dem, was das Leben mit ihm angestellt hat, noch immer derjenige ist, zu dem ich im Rausch der Gefühle vor langer Zeit ja gesagt habe. Dieses “Ja”, das begriffen hat, dass kein Mensch mir alles geben kann, was ich mir in meinem Leben wünsche und dass ich darum aufhören kann, von ihm zu erwarten, was ihm gar nicht möglich ist. Ein “Ja”, das sich dem “Es” entgegenstellt, oder es zumindest versucht.
Ich gebe es offen zu: Manchmal muss ich ziemlich lange suchen, bis ich dieses “Ja” unter dem ganzen Alltagskram finden kann und ich bin mir sicher, dass es “Meinem” gleich geht. Dass wir dieses “Ja” bis anhin immer wieder gefunden haben, erachten wir beide als grosses Geschenk und nicht als Selbstverständlichkeit.
Ich kann auch verstehen, dass es Lebenssituationen gibt, in denen sich dieses “Ja” nicht mehr finden lässt, egal, wie verzweifelt man danach sucht. Aber irgendwie würde ich mir wünschen, dass Beziehungen nicht am “Es” scheitern, sondern weil sich das klare “Ja” in eine klares “Nein” verwandelt hat.