Wie kein anderes Unternehmen gilt Apple als Konzern der Innovationen. Dabei war keines seiner jemals auf den Markt gebrachten Produkte wirklich innovativ. Neu- und bislang einzigartig ist jedoch die Strategie, eine Marke zur Religion zu erheben.
Alle Bestandteile einer Religion – Mythos, Prophet, Symbol, Antagonist, Konzil und Devotionalien – verbinden sich bei Apple zu einem Markenkonzept, dessen Intentionen Marktanteile, Geld und Macht sind.
Apple, die sechste Weltreligion
Der Mythos Apple wurde in einer Garage, der neuen Form des Stalls, geboren. Dort entstand 1976 der Apple I, der zum Preis von 666,66 Dollar angeboten wurde und dessen Prototyp zwar nicht in einer Krippe, dafür aber in einem selbstgebautes hölzernes Gehäuse zur Welt kam.
Die Produkte sind dabei die Devotionalien der Apple Religion. iMac, iPod, iPhone und iPad dienen der religiösen Andacht und sind gleichzeitig offen getragenes Glaubensbekenntnis. Sie demonstrieren Zusammengehörigkeit, missionieren Ungläubige und halten den Antagonisten auf Abstand.
Gegenspieler der Apple Religion war zunächst IBM und später Windows. In der betonten Gegensätzlichkeit zum teuflischen Gegner wird das Credo von Steve Jobs: „think different“ zum Weihwasser in den Händen der Gläubigen.
Die weltweit 345 Apple Retail Stores sind die Kirchen, Bethäuser und Gemeindezentren der sechsten Weltreligion. Dort ersetzt die Genius Bar Beichtstuhl und Seelsorge. Für die Kommunikation mit den Genius Mitarbeitern gilt ein strenges Protokoll. Mitgebrachte Geräte müssen zu Beginn der Sitzung auf der Bar abgestellt, Probleme zutreffend beschrieben, Fragen ehrlich beantwortet werden. Nach 15 Minuten erteilt der Genius dann die Absolution.
Einzigartige Innovation oder teure Kopie?
Apple gilt als Innovationsmotor in der Computerbranche. Beschäftigt man sich jedoch eingehender mit den Apple Produkte, dann stellt man fest, dass die hauptsächliche Innovation in der extremen Preisakzeptanz und dem gefälligen Design besteht.
Trotzdem feiern die Apple-Jünger jedes neue Produkt als Offenbarung, erteilen Monate vor dem Verkaufsstart tausendfache Vorbestellungen und reißen den Apple-Händlern die eintreffenden Neuheiten gierig aus den Händen. Und selbst wenn sich Apple im Jahr 2006 dazu entscheidet, seinen Kunden mit der Apple Remote eine simple Infrarot-Fernbedienung anzubieten, dann bricht die Apple-Gemeinde in kollektive Verzückung aus und vergisst, dass man sogar in Deutschland ab 1956 mit dem „Zauberschalter“ der Firma Tonfunk sein Radiogerät drahtlos ein- und ausschalten konnte.
Auf wirklichem technischen Fortschritt kann die Begeisterungsfähigkeit also nicht beruhen. Scheinbar ist es also eher das Design der Apple Produkte, das ihre Begehrlichkeit verständlich macht. Eine große Kunst ist es allerdings nicht, sich mit einem Klientel, das bereit ist mehr als das Doppelte üblicher Preise zu zahlen, vernünftige Industrie-Designer zu leisten. Doch wenngleich auch das Apple-Design im Vergleich mit anderen Technik-Produkten angenehm hervorsticht: Eine unglaubliche Innovationskraft steckt wohl nicht darin, Ecken zu runden, Oberflächen zu glätten und Unansehnliches geschickt zu verbergen.
So bleibt zur Erklärung des Phänomens Apple eigentlich nur der religiös anmutende Impetus, mit dem die Marke von Beginn an konsequent aufgeladen wurde. Das Image ist blütenrein, kreativ, smart und fortschrittlich. Wer seine Persönlichkeit um diese begehrten Attribute ergänzen will, der schmückt sich mit den Insignien seiner Glaubensgemeinschaft und trägt den schimmernd satinierten Apfel wie eine Monstranz vor sich her. Und wenn Raum, Zeit und Gelegenheit dies gerade einmal nicht erlauben, dann bleiben immer noch die weißen Kopfhörerkabel, die zu dezenten Taschen leiten, in denen sich Großes vermuten lässt.
Sei individuell. Trage unsere Uniform und zahle dafür.
Think different. So ermutigt Apple Ungläubige und so stellt der Konzern sicher, dass sich die Zahl Abtrünniger in Grenzen hält. Unter dem Diktat von Oberhaupt Steve Jobs und seinen Keynotes genannten Konzilen ordneten sich Gläubige auf der ganzen Welt den Konsumanweisungen ihres Messias unter und betonen ihren teuer erworbenen Individualismus durch das Tragen einer einheitlichen Uniform.
Solche Beträge sammelt man nicht durch den Verkauf guter und fair hergestellter Produkte. Und auch eine hohe Moral ist für eine solch ausgeprägte Generierung von Vermögen eher hinderlich als nützlich.
Bereits 1974 gewährte Steve Jobs seinem damaligen Freund und Mitbegründer Steve Wozniak einen Einblick in seinen karstigen Charakter. Er beschaffte Wozniak einen Auftrag von Atari über die Programmierung des Computer-Spiels Breakout. Jobs erhielt hierfür 5000 Dollar, behauptete jedoch gegenüber seinem Partner, nur 700 Dollar erhalten zu haben und speiste diesen mit einem Anteil von 350 Dollar ab.
2006 geriet der taiwanesische Computerhersteller Foxconn aufgrund unmenschlicher Arbeitsbedingungen in die Schlagzeilen. Mitarbeiter von Foxconn leisten durchschnittlich rund 80 Überstunden, erhalten teilweise gerade einmal einen Monatslohn von 50 Euro, dürfen während der Arbeitszeit nicht miteinander sprechen und sind gezwungen, mit gefährlichen Substanzen zu arbeiten, wenn sich durch diese das Produktionstempo erhöhen lässt. Apple lässt den überwiegenden Teil seiner Produkte in Asien fertigen und hat Foxconn die Auftragsfertigung übertragen. Von einer Mitverantwortung für den Selbstmord von mindestens 18 Foxconn Mitarbeitern kann sich Apple nicht freisprechen.
Die Akkus vieler Apple-Produkte lassen sich nicht mehr austauschen und haben insgesamt eine eher niedrige Lebensdauer. Kritiker sehen hierin einen Garantiebruch, einen unfairen Wettbewerb und eine geplante Obsoleszenz. Laut Greenpeace verhält sich Apple in den Bereichen Umweltschutz, Verwendung von giftigen Materialien und Klimaschutz, entgegen anders lautenden Konzernaussagen, nicht bestmöglich.
2011 erhielt Apple den Negativpreis „Big Brother Award“, weil herausgekommen war, dass der Konzern mit iPhones und anderen GPS-fähigen Geräten detaillierte Nutzerdaten sammelt. Eine Möglichkeit, dieser Datennutzung zu widersprechen, fehlt in Apples Datenschutzerklärung.
Weltreligion oder Börsenkonzern: Die Entscheidung liegt beim Anwender
Ein Konzern aus den USA legt eine religiöse Fährte und Millionen von Anwendern gehen Apple auf den Leim. Der Besitz und die offensive Zurschaustellung eines der hochgeschätzten Produkte ist gleichsam die Eintrittskarte für einen besonderen Lifestyle. Wer individuell, kreativ, smart und irgendwie anders sein will, der ordnet sich dem „think different“ gerne unter und sieht im Tod von Steve Jobs die vorläufige Erfüllung eines religiösen Mythos.
Keine Frage: Apple Produkte sind anziehend. Es macht Freude, sich ihnen durch vielschichtige Verpackungen zu nähern, an ihnen zu riechen, sie zu berühren, sie einzuschalten und sie bedächtig in den Alltag zu überführen.
Vergleichsweise teure Geräte mit eher konventioneller Technik und reduzierter Haltbarkeit in einem attraktiven Gewand, hergestellt von einem gewinnorientierten Konzern, der sich in Sachen Moral und Umweltschutz nicht wesentlich von anderen börsennotierten Konzernen unterscheidet und der mit großem Aufwand Daten über seine Kunden sammelt.
Eine solche Betrachtungsweise würde auch Steve Jobs eher gerecht. Jobs war ohne Zweifel ein begabter Unternehmer mit vielen guten Ideen, dem es gelungen ist, innerhalb weniger Jahrzehnte eine international verbreitete Marke mit dem weltweit höchsten Markenwert und ein immenses Privatvermögen aufzubauen.
Zum Propheten, Glaubensführer und Messias wird er erst von seinen Anhängern gemacht, denen der frühe Tod ihres Meisters zum göttlichen Zeichen dafür gerät, selber Teil eines Mythos, einer Legende und einer weltumspannenden Gemeinschaft zu sein. Think differentiated!